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# taz.de -- Das Krisenglossar Teil 11: Finanztransaktionssteuer
> Mittlerweile fordern sie fast alle. Doch bevor die Steuer eingeführt
> werden kann, müssen Hürden genommen werden. Die taz stellt die
> wichtigsten Vokabeln der Finanzkrise vor.
Bild: Attac weiß, wie man seine Forderungen medienwirksam stellt
Den Begriff "Finanztransaktionssteuer" versteht man leicht, wenn man ihn in
seine drei Bestandteile zerlegt:
"Steuern" sind Gelder, die man an eine öffentlich-rechtliche Einrichtung
zahlen muss, wenn man einen bestimmten Tatbestand erfüllt. Logisch:
Hundesteuer bezahle ich dem Staat, wenn ich einen Hund habe.
"Transaktionen" sind Geschäfte bestehend aus Leistung und Gegenleistung.
Auch logisch: Ich gebe Hans 50 Euro, er gibt mir dafür ein Handy.
"Finanz" heißt einfach, dass es ums Geld geht. Ich bekomme von Hans also
kein Handy für meine 50 Euro, sondern zum Beispiel 60 Schweizer Franken
oder die Aktien einer bestimmten Firma.
Eine Finanztransaktionssteuer wäre also eine Abgabe, die man an die
öffentliche Hand zahlen muss, wenn man Geld gibt und im Gegenzug auch
wieder Geld oder das Versprechen auf Geld erhält.
Nehmen wir beispielsweise an, es würde ein Steuersatz von einer Promille,
also einem Tausendstel, auf alle Finanztransaktionen erhoben. Würde ich mit
meinen 50 Euro jetzt 60 Schweizer Franken kaufen, müsste ich zunächst 5
Cent an den Fiskus zahlen und bekäme nicht mehr ganz so viele Franken. Wenn
ich die Franken in Euro zurücktausche, müsste ich abermals ein Tausendstel
davon an Steuern zahlen.
## Kurzfristige Spekulationen besonders betroffen
Eine Promille für jede Transaktion zu verlangen wäre eine hohe Forderung.
Die meisten Vorschläge sehen einen geringeren Steuersatz vor. Das klingt
zunächst vernachlässigbar gering und für die meisten Geschäfte ist es das
auch.
Doch beim heutigen Hochfrequenzhandel, bei dem Finanzprodukte innerhalb von
Nanosekunden gekauft und wieder verkauft werden, versuchen Anleger auch von
geringen Kursschwankungen zu profitieren. Hier kann schon ein Tausendstel,
das beim Kauf und später wieder beim Verkauf abgezogen wird, aus einem
Gewinn- ein Verlustgeschäft machen. Der Hochfrequenzhandel würde sich
deutlich weniger lohnen.
So würde sich eine Finanztransaktionssteuer vor allem auf kurzfristige
Spekulationen auswirken. In diesen sehen Finanzmarktkritiker eine große
Gefahr für die Realwirtschaft, weil sie schnell zu Fehlbewertungen von
Aktien oder Währungen führen könnten.
Bisher hat noch kein Land eine Steuer auf alle Finanztransaktionen
eingeführt. In vielen Staaten werden oder wurden aber bereits andere
Steuern auf Börsengeschäfte erhoben. In Deutschland gab es zum Beispiel bis
Ende 1990 eine Börsenumsatzsteuer, die man zahlen musste, wenn man
hierzulande Geld mit Wertpapieren gemacht hat. Die Steuer wurde jedoch von
der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung aufgehoben, um den Finanzplatz
Deutschland attraktiver zu machen.
## Fast alle wollen sie
Der Ruf nach einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer wurde in den
letzten, von Finanzkrisen dominierten Jahren immer lauter. Die Anhänger der
Occupy-Bewegung verlangten bei ihren Protesten die Steuer, für die
Globalisierungskritiker von Attac gehört sie zu den Gründungsforderungen
(Tobin Tax).
SPD, Linke und Grüne wollen schon seit Jahren eine
Finanztransaktionssteuer. Die CDU war früher dagegen, hat aber mittlerweile
umgeschwenkt. So sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich beim
CDU-Parteitag in Leipzig für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
aus. Wenn dies global und in ganz Europa nicht gehe, "dann wenigstens im
Euroraum".
Damit sprach Merkel bereits eine der Gefahren an, die Kritiker einer
Finanztransaktionssteuer immer wieder heraufbeschwören. Wenn die Steuer
nämlich nur an einem bestimmten Handelsplatz erhoben würde, könnten die
Anleger diesen Platz meiden und ihre Geschäfte von woanders aus betreiben.
Deshalb ist es sowohl für die Wirksamkeit der Steuer als auch für den
Standort von entscheidender Bedeutung, dass die Finanztransaktionssteuer an
möglichst vielen Handelsplätzen gleichzeitig eingeführt wird.
## Internationale Uneinigkeit
Jedoch konnten sich die G20-Staaten bei ihrem jüngsten Treffen in Cannes
nicht auf die Einführung der Steuer einigen. Deutschland und Frankreich
waren dafür, die USA und Großbritannien nicht.
In Europa blockieren neben den Briten, die einen beträchtlichen Teil ihrer
Wirtschaftsleistung auf den Londoner Finanzmärkten erarbeiten, auch die
Schweden die EU-weite Einführung der Finanztransaktionssteuer.
Deshalb spielte Merkel beim CDU-Gipfel auch mit dem Gedanken, die Steuer
lediglich im Euroraum einzuführen. Damit hat jedoch die FDP ein Problem.
Die Liberalen fürchten um den Finanzplatz Deutschland, wenn in Frankfurt
Steuern auf alle Finanzmarktgeschäfte erhoben werden, aber in London nicht.
## Wohin mit den Einnahmen?
Die Einführung der Finanztransaktionssteuer brächte natürlich auch
Mehreinnahmen für die Staaten mit sich, die sie erheben. Wie hoch diese
Mehreinnahmen sein könnten, kann man aber unmöglich abschätzen. Schließlich
ist weder ein Steuersatz beschlossen, noch ist klar, wie die
Marktteilnehmer auf die Steuer reagieren würden. Die Schätzungen von
Experten liegen meist bei geringen zweistelligen Milliardenbeträgen, die
Deutschland pro Jahr zusätzlich einnehmen könnte.
Schon jetzt gibt es aber Vorschläge, wie man die zusätzlichen Einnahmen
einsetzen sollte. Vor allem die Entwicklungshilfe wird in diesem
Zusammenhang häufig genannt. Doch der zuständige Minister [1][Dirk Niebel]
(FDP) will keine Finanztransaktionssteuer. Außerdem bezweifelt er, dass die
Einnahmen tatsächlich in den Entwicklungsetat fließen würden: „Die Steuer
würde vor allem der Finanzierung der Krise dienen“.
16 Nov 2011
## LINKS
[1] /Dirk-Niebel-ueber-Entwicklungshilfe/!81795/
## AUTOREN
Sebastian Fischer
## TAGS
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