# taz.de -- Studio Braun am Deutschen Theater: Für ein paar Umdrehungen mehr | |
> Charles Bronson, Westfernsehen und gute Musik: Die Humor-Sachverständigen | |
> von Studio Braun mit ihrem Action-Musical "Fahr zur Hölle, Ingo Sachs" am | |
> DT Berlin. | |
Bild: Motorsäge: Rocko Schamoni, Jacques Palminger und Heinz Strunk. | |
Genauigkeit ist Pop. Wenn dafür ganze Staatstheater-Etats auf den Kopf | |
gehauen werden, wunderbar. Studio Braun wissen das. Und sie wissen auch, | |
dass sie mit ihrem relativ überschaubaren Repertoire haushalten müssen. | |
"Fahr zur Hölle, Ingo Sachs" beginnt, als ein Orchester unter der Leitung | |
von Sebastian Hoffmann vor der Bühne Platz nimmt und bei eingeschalteter | |
Saalbeleuchtung die Welt der Blaxploitation-Soundtracks und US-Krimiserien | |
der Siebziger wieder aufleben lässt und daran mit funky Schmackes bis zum | |
Schlussakkord festhält. | |
Mit einem Ohr für die wolllüstigen Filmmusiken von Lalo Schifrin und Isaac | |
Hayes wurden die Songs von Hoffmann zusammen mit Studio Braun komponiert | |
und von Carsten Meyer (Erobique) arrangiert. Nach wie vor gilt der | |
Grundsatz: Wenn Studio Braun ihre Finger im Spiel haben, ist die Musik | |
garantiert keine Kacke. Sie bringt Dynamik in die drei Ebenen von "Fahr zur | |
Hölle, Ingo Sachs". | |
Die erste Ebene ist ein Film, der mit dem US-Schauspieler Charles Bronson | |
entsteht. "Fahr zur Hölle, Ingo Sachs" zeigt dieses Geschehen auf einer | |
Drehbühne. Gedreht wird im New York der frühen Achtziger unter der Leitung | |
des deutschen Regisseurs Ingo Sachs. Einzelne Szenen werden immer wieder | |
auf einer Leinwand über der Bühne eingeblendet. | |
Die zweite Ebene sind die Umstände der Dreharbeiten, miese Stimmung am Set, | |
hervorgerufen durch die harte Hand des Filmemachers. Und drittens Studio | |
Braun, die als Korrektiv dem Regisseur begegnen und Schauspieler und | |
Filmteam erden und ihre erprobte Küchenpsychologie einstreuen. | |
"Action-Musical" haben sie ihr neues Stück im Untertitel getauft. Ein Wink | |
Richtung Action-Theater einerseits, dort, wo im München der sechziger Jahre | |
Fassbinder reüssierte. "Action-Musical" trifft es auch, andererseits, weil | |
die Musik in "Fahr zur Hölle, Ingo Sachs" die eigentliche Hauptrolle | |
spielt. | |
## Immer humanistisch, nie voyeuristisch | |
Die mit Punk sozialisierten Rocko Schamoni und Jacques Palminger und der | |
Hochzeitskapellen-Mucker Heinz Strunk bringen so auch ihre musikalischen | |
Talente zur Geltung, singen und spielen zusammen mit dem Orchester. Ihr | |
Witz bleibt immer humanistisch und wird nie voyeuristisch, und das wird vom | |
Premierenpublikum auch so verstanden. | |
Außerdem ist da die (west-)deutsche TV-Sozialisation von Studio Braun | |
zwischen Fernsehballett, Lenor-Gewissen und Spiel ohne Grenzen. Sie zeigt | |
sich in den Kostümen genauso wie in den Dialogen. Deckungsgleiche | |
Renaissance-Röckchen tragend, schalten sich die drei Conferenciers | |
Schamoni, Palminger und Strunk immer wieder in die Handlung ein, sprechen | |
das Publikum direkt an oder übernehmen im Film kleine Nebenrollen. | |
Mit Charles-Bronson-Abenden tourten Schamoni und Palminger schon am Anfang | |
ihrer Karriere durch die Subkultur-Kneipen der Republik. Die furchtbar | |
synchronisierten, leicht psychedelischen Actionfilme mit dem knorrigen | |
US-Schauspieler deuteten sie existenzphilosophisch aus und imprägnierten | |
sich so gegen den in den frühen Neunzigern aufkommenden | |
Privatfernseh-Comedy-Trash. "Fahr zur Hölle, Ingo Sachs" dreht diese | |
Schraube ein paar Umdrehungen weiter. Charles Bronson trifft nun auf | |
deutschen Autorenfilm und Heinrich von Kleist, autoritäre Sprechweisen | |
werden durch den Kakao gezogen. | |
Im New York der frühen Achtziger wird der Film "Coolhaze" gedreht, eine | |
Fortsetzung des Blockbusters "Ein Mann sieht rot" wird mit der Novelle | |
"Michael Kohlhaas" verschränkt. Das Regisseurs-Scheusal Ingo Sachs (Ole | |
Lagerpusch) terrorisiert Filmteam und Schauspieler. Wenn er nicht die Bügel | |
seiner Brille lutscht, lässt er Szenen endlos wiederholen, denn Sachs will | |
seinen Kunstanspruch unbedingt im Kommerzkino verwirklicht sehen. | |
## Blutiger Rachefeldzug | |
Coolhaze und seinem Kumpel Shaggy (Rocko Schamoni) werden die Motorräder | |
entwendet. Shaggy wird verprügelt, niemand hilft Coolhaze dabei, sein | |
Eigentum zurückzubekommen. Als seine Tochter Dotty (Katrin Wichmann) und | |
seine Frau (Anita Vulesica) von dem korrupten Polizisten Coby Burner | |
(Moritz Grove) vergewaltigt werden, beginnt Coolhaze einen blutigen | |
Rachefeldzug. | |
Felix Goeser als Charles Bronson, der Michael Coolhaze darstellt, ist neben | |
der Musik der zweite Star des Abends. Sein Bronson ernährt sich bei den | |
Dreharbeiten von Erdnüssen und ringt den Blumen am Wegesrand tieferen Sinn | |
ab. Dass er vom Größenwahn des Filmemachers verschont bleibt, liegt auch an | |
Bronsons verrosteter Regenrinnen-Synchronstimme, die von Felix Goeser ohne | |
Reibungsverluste übernommen wird. | |
Aber Bronson steht nicht alleine auf der Bühne. "Angst ist in ihrem Inneren | |
hohl", singt Jacques Palminger im Finale und springt dem gebeutelten | |
Filmteam zur Seite. Studio Braun bleiben ihrem Verständnis vom Kollektiv | |
damit treu. | |
Nächste Termine: 26./27. 11, 3./17./18./31.12. | |
20 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
## TAGS | |
Heinz Strunk | |
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