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# taz.de -- Schamonis "Dorfpunks" am Schauspielhaus: Und fertig ist die Laube
> Kongeniale Inszenierung von Rocko Schamonis Kolportagepunkroman
> "Dorfpunks" am Schauspielhaus in Hamburg - Heinz Strunk und Erobique
> halfen mit.
Bild: Konfusion der Provinz eingefangen: Rocko Schamoni in "Dorfpunks"
"Wir werden das größte Sprechtheater im deutschsprachigen Raum auf eine
Kasperbude runterbrechen", droht Heinz Strunk im weißen Kostüm aus
Babuschka-Bluse, weißer Strumpfhose und Tennisröckchen, im linken Arm eine
Rocko-Marionette, im rechten Arm eine Rocko-Marionette. Deckungsgleich
seine Kollegen Jacques Palminger und Rocko Schamoni. In der Drohung dieser
Hydra liegt fast ein bisschen Hoffnung, denn "Dorfpunks", der
Kolportagepunkroman von Studio-Braun-Kollege Rocko Schamoni, gehört bisher
nicht zum Klassikerrepertoire an deutschen Bühnen. Schamoni gab zu
verstehen, Punk am Staatstheater würde es mit ihm auch nicht geben. Dass
die "Kaderschmiede des psychedelischen Humors" (Studio Braun über Studio
Braun) für die Theaterpremiere von "Dorfpunks" im Kollektiv auftritt,
gemeinsam Regie führt, in wechselnde Rollen schlüpft und sich durch weitere
Freunde, wie den Musiker Erobique, die Sängerin Rica Blunk und die
Kostümdesignerin Dorle Bahlburg, Unterstützung holt, ist auch ein
Sicherheitsventil gegen personenfixierte Hochkultur-Mechanismen. Trotzdem
haben Studio Braun am Schauspielhaus bereits erfolgreich gearbeitet, ihre
Operette "Phoenix, wem gehört das Licht?" (nach Heinz Strunks Roman
"Fleisch ist mein Gemüse") wurde bejubelt. Auch die Premiere von "Dorfpunks
- Die Blüten der Gewalt" ist seit Wochen ausverkauft. Abonnentenpublikum,
Kulturschickeria, Popvögel und ganzen Busladungen aus Lütjenburg, der
ländlichen Heimat von Rocko Schamoni, hatten sich zur Premiere eingefunden.
Sören (Felix Kramer) lungert zusammen mit seinen Kumpels Torben, Urte und
Malte im verklinkerten Dorfzentrum herum. Sie pinkeln in Blumenrabatten,
werfen Müll weg und prügeln sich mit Altvorderen. Privat lässt sich Sören
aber noch von seiner Mutter (Heinz Strunk im Strickkleid) und seiner
Töpferlehrerin (Heinz Strunk) gängeln. Er hat Versagensängste und ist den
gleichaltrigen Frauen gegenüber indifferent. Zwischen "Famila"-Kaufladen
und Sportgeschäft bekommt er beim Leckbiersaufen "Bruce-Lee-Visionen". Dann
wird aus dem Töpferlehrling "Paco, die Lusche", der saxofonspielende
Supersäusler Paco De Lucia und das ganze Dorf gibt sich entfesselt dem
Discobeat hin. In "Dorfpunks" ist die große Konfusion in der Provinz
eingefangen. Songs aus der Hitparade stehen neben linksradikalem
Protestgut, vor der Modelleisenbahn-Kulisse (Bühne: Damian Hitz) wird Speed
gezogen. "Anarchos, hieß die Losung der Hellenen", deklamiert eine
Punk-Affen-Marionette und schneidet Sören und seinen Kumpels die Haare ab.
Die gründen die Band "Scheiße aus Lütjenburg" und tauchen ab in eine
finstere Waldwelt unter einer Autobahnbrücke. Zwischendurch noch etwas
Matthias Rust und die Wikingergräber an der B 75, fertig ist die Laube.
"Dorfpunks" bewegt sich in einem choreografischen Neuland, irgendwo
zwischen Spagettiwestern-Atmosphäre, Musikrevue und dem verdrogten
Um-Kopf-und-Kragen-Reden eines Lenny Bruce. Droht ein Element ins Bodenlose
zu kippen, wird ihm improvisatorisch der Sinn entzogen. Wenn die
körperbewussten Jungschauspieler zu sehr auf Punk machen, treten Studio
Braun auf, die hier schließlich auch ihre eigene Jugend auf den Prüfstand
stellen und das Deprimiert- und Depraviertsein in den Zusammenhang mit der
Musik geben. "Du trägst Dein Dorf immer mit Dir rum", ist das Finale
betitelt, bei dem der gelernte Töpfer Rocko Schamoni mit dem gelernten
Tischler Felix Kramer singt. Lang anhaltender Applaus.
JULIAN WEBER
2 May 2008
## AUTOREN
Julian Weber
Julian Weber
## TAGS
Punk
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