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# taz.de -- Militärdiktatur in Chile: Früherer US-Militärattaché angeklagt
> 38 Jahre nach den Morden an zwei US-Amerikanern in Pinochets Chile erhebt
> Untersuchungsrichter Jorge Zepeda Anklage. Die Beweislage ist aber noch
> unklar.
Bild: Die Militärdiktatur in Chile ist noch nicht komplett aufgearbeitet: Akte…
PORTO ALEGRE taz | In Chile wird die Ermordung zweier junger US-Amerikaner
kurz nach dem Militärputsch im September 1973 neu aufgerollt. Ray E. Davis,
Ex-Marinekapitän und damaliger Chef der Militärmission an der US-Botschaft,
wurde am Dienstag von Untersuchungsrichter Jorge Zepeda wegen Mordes
angeklagt. Zugleich beantragte Zepeda, der Oberste Gerichtshof möge ein
Auslieferungsgesuch an die USA richten.
Davis habe die Ermordung des Journalisten Charles Horman (31) und des
Studenten Frank Teruggi (24) nicht verhindert, "obwohl er aufgrund seiner
Verbindungen zu chilenischen Militärs dazu in der Lage gewesen wäre", heißt
es in Zepedas Anklageschrift. Außerdem bestehe der Verdacht, der
Militärattaché habe "eine Liste subversiver US-Bürger in Chile" an die
einheimischen Behörden übergeben.
Davis, der mittlerweile 85 Jahre alt wäre, soll Zepeda zufolge in den USA
wohnen, sein genauer Aufenthaltsort ist aber noch unklar. Gegenüber der New
York Times hatte der jetzt Gesuchte im Jahr 2000 die beiden Aktivisten als
"Teil des Problems" in Chile bezeichnet. Ebenfalls verantworten muss sich
der bereits wegen anderer Verbrechen verurteilte Ex-Geheimdienstler Pedro
Espinoza.
Die Zusammenarbeit von US-Offizieren mit den Schergen der
Pinochet-Diktatur, die zur Ermordung Hormans und Teruggis führte, war
bereits Thema des preisgekrönten Hollywood-Films "Missing" (1982) von
Costa-Gavras. Die jungen US-Amerikaner, die mit der Regierung des
gestürzten Sozialisten Salvador Allende sympathisiert hatten, waren schon
länger von US-amerikanischen und chilenischen Agenten beschattet worden.
## Ermordet im Nationalstadion
Horman, der als Drehbuchautor bei der Staatsfirma Chile Films arbeitete,
wurde am 18. September von chilenischen Uniformierten ermordet, darunter
Espinoza - eine Woche nach dem von General Augusto Pinochet angeführten
Militärputsch. Zuvor war er mit einer Freundin im Seebad Viña del Mar. Dort
sahen die beiden US-Kriegsschiffe, laut Zepeda womöglich ein weiterer Grund
für Hormans Ermordung. Zudem hatte der Journalist über die Ermordung des
Allende-treuen Generals René Schneider und die Rolle des CIA hierbei
recherchiert.
Nach seiner wöchentlichen Visite auf dem nahe gelegenen Marinestützpunkt
Valparaíso nahm Davis die beiden Landsleute nach Santiago mit. Kurz darauf
nahmen Uniformierte Horman in seiner Wohnung fest und verschleppten ihn.
Wie Teruggi, den das FBI wegen der Erstellung "linker Propaganda" für das
US-Publikum im Visier hatte, wurde er im Nationalstadion von Santiago
ermordet.
Interne US-Dokumente, die Ende der Neunzigerjahre auf Anweisung von
Präsident Bill Clinton freigegeben wurden, hatten bereits die Beteiligung
von US-Militärs an den Mordfällen nahelegt. "Der US-Geheimdienst könnte
eine unglückliche Rolle bei Hormans Tod gespielt haben", heißt es in einer
Einschätzung des Außenministeriums aus dem Jahr 1976. Eine Untersuchung kam
zu folgendem Ergebnis: "Die chilenische Regierung dürfte geglaubt haben,
dieser Amerikaner könnte ohne negative Reaktion der US-Regierung getötet
werden".
Eine Untersuchung, die der berühmte Richter Jaime Guzmán 2001 und 2002
leitete, brachte wenig Neues. Peter Kornbluh vom privaten
Forschungsinstitut National Security Archive bezeichnet daher die Anklage
Zepedas 38 Jahre nach den Verbrechen als "dramatische Wende". Er sei sehr
auf die Beweise des Untersuchungsrichters gespannt, sagt Kornbluh, die
US-Dokumente stellten jedenfalls keine "smoking gun" dar.
Die Komplizenschaft Washingtons mit Pinochet und Co ist bis heute ein
Politikum: Als US-Präsident Barack Obama im vergangenen März in Santiago
war, drückte er sich um eine Entschuldigung herum.
1 Dec 2011
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Chile
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