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# taz.de -- Journalisten in Afghanistan: Zwischen Zensur und Hoffnung
> Ein Treffen in Bonn informiert über die Situation der Medien am
> Hindukusch. Der politische und ökonomische Druck ist immens. Und immer
> wieder werden Journalisten ermordet.
Bild: Afghanische Journalisten demonstrieren vor dem Parlament in Kabul gegen d…
"Ich hoffe, unsere Nachrichtenagentur kann auch ohne ausländische Hilfe
überleben", sagt Danish Karokhel. Er ist Chefredakteur der 2004 gegründeten
unabhängigen afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok. Die hat 200
Mitarbeiter und Büros in der Hälfte der 34 Provinzen und finanziert sich
laut Karokhel zu 70 Prozent selbst. "Doch geraten die Abnehmer unserer
Dienste in finanzielle Schwierigkeiten, bekommen auch wir Probleme."
93 der 148 Radiosender Afghanistans seien Kunden bei Pajhwok, sagt Karokhel
- darunter auch zwölf von ausländischen Truppen initiierte Stationen.
"Sollten diese zwölf 2014 schließen, wäre das ein großer finanzieller
Verlust für uns." Schon ab 2006 und damit im ersten Wahlzyklus nach dem
Sturz des Taliban-Regimes sei die internationale Medienförderung
zurückgegangen, berichteten die Teilnehmer eines afghanisch-deutschen
Medientreffens, das diese Woche in Bonn im Vorfeld der dortigen
internationalen Afghanistankonferenz stattfand. Das vom Verband
entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen (Venro) und
von Journalists Network organisierte Treffen diskutierte die Entwicklung
afghanischer Medien.
"Werbeeinnahmen fließen vor allem an Radiosender, die nur Musik spielen",
sagt Humaira Habib, Chefredakteurin des Frauenradios Sahar im
westafghanischen Herat. Dort gebe es zwölf um Werbung konkurrierende
Stationen. "60 Prozent machen nur noch Unterhaltung und Musik, um die
Werbung zu bekommen", sagt Habib.
## Mobilfunkbetreiber größte Werbekunden
"Neben der Einführung der 25-prozentigen Frauenquote im Parlament ist die
Entwicklung der Medien für mich die große Erfolgsgeschichte in Afghanistan
seit 2001", sagt Shahir Zahine. Er ist Chef der Killid-Mediengruppe. Die
gibt zwei Wochenmagazine heraus, betreibt fünf Radiosender und einen
landesweiten Zeitungsvertrieb. Killid finanziert sich laut Zahine heute
selbst. Größte Werbekunden seien Afghanistans vier Mobilfunkbetreiber.
Wichtige Einnahmen seien auch Ankündigungen ausländischer Botschaften oder
von UN-Organisationen.
"Inhaltlich ist die größte Herausforderung der Zugang zu Informationen",
sagt Agenturchef Karokhel. "Regierungsvertreter sind zugeknöpft und
sprechen lieber mit ausländischen Medien. Oft dauert es eine Woche, bis wir
einen Termin bekommen. Die Taliban sind dagegen sehr schnell, aber meist
stimmen ihre Infos nicht. Wir können sie nur verwenden, wenn wir sie von
der Regierung, der Nato oder von woanders bestätigt bekommen."
Manchmal komme nach einem Bericht Druck gleich von drei oder vier Seiten.
"Rühmen sich die Taliban eines Anschlags, behauptet die mit konkurrierende
Hisb-i-Islami, sie sei es gewesen. Und Vertreter der Regierung oder Nato
behaupten anderes." Vier Mitarbeiter von Pajhwok sind bereits ermordet
worden.
"Die internationalen Medien konzentrieren sich auf Sicherheits- und
Konfliktthemen und vernachlässigen Entwicklungsfragen", sagt Ghousuddin
Frotan von der Hindara-Medienentwicklungsorganisation in Kandahar. Laut
Zahine von Killid bemühe sich seine Mediengruppe, positive Nachrichten über
negative zu stellen: "Wir wollen den Menschen doch nicht die Hoffnung
nehmen." Doch räumt er ein, dass es noch keine Meinungsfreiheit gebe und
Selbstzensur verbreitet sei. Und Warlords hätten sich mancher, mit
internationaler Hilfe aufgebauter Radiosender bemächtigt. "Sie nutzen sie,
um ihre Verbrechen zu verdecken", sagt Frotan von Hindara.
Habib verweist auf Schwierigkeiten für Journalistinnen: "In Herat können
wir weibliche Reporter nur in der Stadt einsetzen. Aufs Land können wir sie
nicht zu Recherchen schicken." Manche würden sich gar mit der Einschränkung
bewerben, nur in der Redaktion arbeiten zu wollen. Agenturchef Karokhel
bestätigt: "In manchen Provinzen gibt es keine weibliche Journalisten."
2 Dec 2011
## AUTOREN
Sven Hansen
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