Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Regierungspartei nach Wahl in Russland: Weniger als die Hälfte
> Zahlreiche Unregelmäßigkeiten und Schikanen haben die Parlamentswahl in
> Russland begleitet. Dennoch schafft Putins Partei nicht die
> 50-Prozent-Hürde, liegt aber weit genug vorne.
Bild: Protest gegen Wahlfälschung: Russische Polizisten nehmen einen Demonstra…
MOSKAU dapd | In Russland geht Wählernachfragen zufolge die Ära nahezu
uneingeschränkter Macht der Regierungspartei Einiges Russland zu Ende: Nach
den am Sonntagabend veröffentlichten Erhebungen staatlicher Fernsehsender
verliert die Partei von Ministerpräsident Wladimir Putin ihre
Zweidrittelmehrheit in der Duma und fällt unter 50 Prozent Stimmenanteil.
In der Nachfrage des Meinungsforschungsinstituts VZsiOM kommt Einiges
Russland auf 48,5 Prozent, in der des Instituts FOM sogar nur auf 46
Prozent. Sie liegt diesen Trends zufolge aber noch immer weit vor der
zweitstärksten Partei, den Kommunisten mit fast 20 Prozent. Die
Wählernachfragen wurden auf Kanal Eins und dem TV-Sender Rossija
veröffentlicht.
Die Abstimmung am Sonntag wurde von Manipulationsvorwürfen begleitet. Der
Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, sagte, Beobachter
seiner Organisation hätten in Moskau eine mit 300 Stimmzetteln gefüllte
Wahlurne entdeckt, bevor die Wahllokale überhaupt geöffnet hätten.
Sjuganow sagte, ähnliche Zwischenfälle mit präparierten Wahlurnen hätten
KP-Beobachter aus Rostow am Don und anderen Städten. In Krasnodar seien vor
Wahllokalen Leute aufgetaucht, die sich als KP-Beobachter ausgegeben
hätten. Die wirklichen KP-Beobachter seien dann nicht mehr zugelassen
worden. Aus Wladiwostok berichteten Wähler, dass die Regierungspartei
Einiges Russland kostenloses Essen gegen das Versprechen angeboten hätten,
für sie zu stimmen.
Die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe Golos berichtete, in
der Wolga-Stadt Samara seien Beobachter und Mitglieder der Wahlkommission,
die Oppositionsparteien angehören, daran gehindert worden, die Versiegelung
von Wahlurnen zu überprüfen.
Von Manipulationen betroffen seien insbesondere Briefwahlstimmen.
Golos-Direktorin Lilija Schibanowa sagte, Personen mit Briewahlunterlagen
seien mit Bussen zu mehreren Wahllokalen gefahren worden. In einem
Zwischenbericht der Beobachter der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hieß es: "Die meisten Parteien haben einen
Mangel an Vertrauen in die Fairness des Wahlprozesses ausgedrückt."
## Nur sieben Parteien zugelassen
Die Kreml-kritischsten Oppositionsparteien durften keine Kandidaten ins
Rennen schicken, insgesamt wurden nur von sieben Parteien Kandidaten
zugelassen. Laut einer vor rund einer Woche veröffentlichten Umfrage des
unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada konnte Putins Partei nur
mit 53 Prozent der Stimmen rechnen. Damit könnte Einiges Russland
Verfassungsänderungen nicht mehr im Alleingang beschließen.
Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos
dokumentierten mehr als 5.300 Wählerbeschwerden, die sich zumeist auf
Einiges Russland beziehen. Golos-Mitarbeiter wurden im Vorfeld der Wahl
massiv unter Druck gesetzt. Golos-Chefin Schibanowa wurde am Freitag bei
ihrer Rückkehr aus Polen am Moskauer Flughafen für zwölf Stunden
festgehalten. Sie hatte sich geweigert, den Sicherheitskräften ihren Laptop
auszuhändigen. Ebenfalls am Freitag wurde die Organisation zu einer
Geldstrafe von umgerechnet knapp 750 Euro verurteilt. Ein Moskauer Gericht
sah es als erwiesen an, dass Golos ein Gesetz verletzt habe, wonach
Wählerumfragen fünf Tage vor einer Abstimmung nicht veröffentlicht werden
dürfen.
## Hacker legen regierungskritische Webseiten lahm
Am Wahltag waren die Webseiten des unabhängigen Rundfunksenders Echo Moskwi
und Golos nicht erreichbar. "Der Angriff auf die Seite am Wahltag steht
offensichtlich in Zusammenhang mit Versuchen, die Veröffentlichung von
Informationen über Verstöße zu behindern", twitterte der Chefredakteur des
Moskauer Echos, Alexej Wenediktow.
Putin braucht einen Erfolg bei der Parlamentswahl, um den Weg für seine
Rückkehr ins Präsidentenamt zu ebnen. 2008 musste Putin laut Verfassung
nach zwei Amtszeiten als Präsident zurücktreten. Gleichzeitig installierte
er Medwedew als Nachfolger, der in einem viel kritisierten Postentausch nun
als Spitzenkandidat für die Regierungspartei in die Parlamentswahlen zog
und nach den Präsidentschaftswahlen am 4. März 2012 wieder Regierungschef
werden soll. Putin warf westlichen Regierungen am Sonntag vor, sich in die
Wahlen einmischen zu wollen.
4 Dec 2011
## ARTIKEL ZUM THEMA
Duma-Wahl in Russland: Hacker-Angriffe auf liberale Medien
Mehrere Medien und eine Wahlbeobachtergruppe glauben, von Putin-Anhängern
gehackt worden zu sein. Online mehren sich Berichte über Unregelmäßigkeiten
bei der Wahl.
Kommentar Putins Wahlschlappe: Zu früh zum Frohlocken
Das Wahlergebnis zeigt: Russland ist der selbstherrlichen und inkompetenten
Selbstdarsteller überdrüssig. Ein demokratischer Aufbruch ist aber noch
nicht in Sicht.
Parlamentswahl in Russland: Dämpfer für Putin-Partei
Die Partei von Premier Putin erreicht bei der Parlamentswahl zwar die
absolute Mehrheit der Sitze, hat aber ihre Zweidrittelmehrheit verloren.
Hauptprofiteur: Die Kommunistische Partei.
Soziologe über Duma-Wahl in Russland: "Die Nervosität wächst"
Ein kleiner, aber aktiver Teil der russischen Gesellschaft will sich nicht
mehr unterwerfen, sagt Alexej Lewinson. Wladimir Putin könne es sich nicht
länger erlauben, das zu ignorieren.
Wahlkampf in Russland: Kreml geht gegen Wahlbeobachter vor
Staatsanwaltschaft leitet Verfahren gegen eine Nichtregierungsorganisation
ein. Diese hatte Verstöße gegen das Wahlrecht publik gemacht.
Wahlkampf in Russland: Pfiffe gegen Putin
Die Stimmung vor der Wahl in Russland ist schlecht, eine
Zweidrittelmehrheit für die Kreml-Partei unwahrscheinlich. Aber:
"Entscheidend ist nicht, wer wählt, sondern wer zählt."
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.