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# taz.de -- Südafrikas Umweltpolitik: Erst Bulldozer, dann Erneuerbare
> Südafrikas Energiepolitik wird bislang von der Kohle und vom
> Staatskonzern Eskom dominiert. Ein ehrgeiziges Projekt soll nun für
> "grünes Wachstum" sorgen.
Bild: In Kohle liegt die Zukunft nicht: Aktivisten ketten sich an ein Eskom-Kra…
KENDAL/JOHANNESBURG taz | Nach zehn Minuten kommt der Sicherheitsdienst.
Zwei bullige Wächter, einer in Werkskleidung, der andere in Zivil, bauen
sich am Werkstor vor dem Reporter und seinem Begleiter auf. "Sie dürfen
sich hier nicht aufhalten, das ist ein Regierungsprojekt!", sagen sie
barsch. Der Reporter muss den Notizblock abgeben, sein Begleiter die Fotos
im Handy löschen. Bis zum nächsten Highway werden die beiden von den
Aufpassern im Auto verfolgt.
Das "Regierungsprojekt" ist keine geheime Anlage zum Bau von Atomwaffen,
sondern ein Kohlekraftwerk. Die Kendal Power Station, eines der größten
fossilen Kraftwerke weltweit, ragt etwa 100 Kilometer östlich von
Johannesburg aus der Ebene: sechs mächtige beigefarbene Turbinenhäuser, die
voll unter Dampf stehen, zwei hohe Schornsteine und sechs Kathedralen von
Kühltürmen, die in dieser trockenen Gegend die dicken, weißen Wolken am
Himmel mit frischem Wasserdampf versorgen.
Ein Doppelzaun mit Stacheldrahtrollen sichert die Riesenanlage. Die Hitze
flimmert über den Bergen, die sich als weiße Abraumhalden der nahen
Kohlegruben entpuppen.
Hier im südafrikanischen Kohlerevier rund um die Minenstadt Emalahleni
zeigt sich die dreckige Seite der "Regenbogennation", die bislang voll auf
das "schwarze Gold" gesetzt hat. Nur 15 Kilometer Luftlinie vom
Kendal-Kraftwerk entfernt zieht der staatliche Stromversorger Eskom in
Kusile mit Krediten der Weltbank sogar ein noch gigantischeres
Kohlekraftwerk in die Höhe: Sechs riesige Schornsteine ragen bereits in den
Himmel, flankiert von drei Dutzend hohen Betonsäulen.
Auf der Schotterstraße zur Baustelle zieht eine endlose Schlange von Lkws
eine gewaltige graue Staubfahne hinter sich her. Auf dem Besucherparkplatz
stellt sich eine Eskom-Angestellte den ungebetenen Besuchern in den Weg:
Sie erklärt, dass man hier nichts verloren habe. Und wieder braust ein
bulliger weißer Pick-up mit Kraftwerksangestellten hinter den Reportern
her.
Der staatliche Energieversorger Eskom ist nervös. Im November besetzten
Greenpeace-Aktivisten kurzfristig die Baustelle in Kusile, um gegen den
"Klimakiller Eskom" zu protestieren. Das Kraftwerk soll ab 2014 jährlich 37
Millionen Tonnen CO2 ausstoßen - so viel wie ganz Marokko. Greenpeace hat
eine Studie vorgelegt, nach der "der Schaden durch Eskoms CO2-Emissionen
das Land doppelt so viel kosten wird, wie der erzeugte Strom wert ist" -
vor allem wegen des hohen Wasserverbrauchs.
## "Die Menschen haben das Vertrauen verloren"
Es sind gar nicht die Ökoargumente, die dem Image von Eskom so geschadet
haben, erklärt Kevin Davie, Leiter der Wirtschaftsredaktion der angesehenen
Wochenzeitung Mail and Guardian. "Die Menschen haben das Vertrauen
verloren, dass Eskom die richtigen Entscheidungen trifft", sagt er. In der
Apartheid-Ära verfügte das Land über 30 Prozent mehr Kraftwerkskapazität
als nötig.
Strom war und ist für Unternehmen extrem billig, deshalb verlagerten
Energiefresser wie Aluminiumschmelzen ihre Standorte ins Land. Es wurde
nicht neu investiert, die Kraftwerke alterten, der Strombedarf stieg. 2008
dann der Schock für die stärkste afrikanische Volkswirtschaft: Das Land
litt unter Stromausfällen, die Produktion in den Kohle- und Goldgruben
wurde zeitweise eingestellt. Die Strompreise für Privatverbraucher haben
sich verdoppelt.
"Das ganze Geld, das Eskom investiert, geht in die Kohlekraftwerke und ein
Atomprogramm", beklagt Davie. "Sie haben dem Land praktisch die Hände
gefesselt."
Die Konzernspitze ist sichtlich nervös - auch wegen der Konferenz in
Durban. Mehrere Anfragen für einen Besuch in Kendal oder Kusile lehnt Eskom
unter Verweis auf "die Sicherheitslage" ab. Mails mit Fragen zur
Unternehmens- und Energiepolitik bleiben unbeantwortet. Nur eine Rückfrage
kommt aus der Konzernzentrale in Johannesburg: "Was ist SARI?" Die
Konzernsprecherin ist über das Regierungsprogramm South African Renewables
Initiative (SARI) offenbar nicht im Bilde.
## Methangas aus der Müllkippe
"Für die Erneuerbaren liegt eine große Zukunft in der Luft", sagt dagegen
Greg Midlane. Er meint allerdings nicht das Gemisch aus Fisch, Fäulnis und
Dieselöl, das er gerade einatmet. Midlane steht auf der größten Müllkippe
von Johannesburg, dem Robinson Deep Landfill, und hat einen atemberaubenden
Blick auf die Wirtschaftsmetropole: die Innenstadt mit ihren Hochhäusern,
das neue Fußballstadion in Soweto, die rissigen Höhenzüge von Abraumhalden
aus der Zeit der Goldförderung und gleich nebenan die
Turffontein-Pferderennbahn.
Der Boden unter seinen Füßen dröhnt und bebt mit jedem Mülllaster, der sich
die 50 Meter hohe Rampe hochquält. Hier werden jeden Tag bis zu 15.000
Tonnen Müll abgekippt; Plastiktüten, Autoreifen, Bauschutt, Konservendosen,
Schuhe, Essensreste, alles durcheinander. Das Recycling übernehmen zwei
Dutzend Gestalten in Overalls oder dreckstarrenden Hosen, die jede Ladung
schnell durchwühlen und Verwertbares für sich aussortieren. Dann kommt der
Bulldozer und planiert alles fest. Und dann kommen die erneuerbaren
Energien. Oder das, was man in Johannesburg so nennt.
Denn am Fuß der Müllkippe hat Midlanes Firma Ener-G Systems Rohre verlegt.
Sie reichen bis tief unter den Müll und pumpen das Methangas ab, das
entsteht, wenn Müll verrottet. Das brennbare Methan will Midlanes Firma ab
2012 in Generatoren verbrennen und damit Strom erzeugen. Bislang steht nur
ein etwa 10 Meter hoher Schornstein neben einem Gewirr aus Rohren,
geschützt durch einen hohen Zaun.
In ihm wird das Methan bei 1.000 Grad Celsius abgefackelt, und dafür gibt
es viel Geld: Weil Methan 21-mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid,
fällt seine Verbrennung unter die Clean Development Mechanisms (CDM) des
Kioto-Protokolls. Pro Tonne verbranntes Methan gibt es etwa 200 Euro, dazu
kommt noch der Strom, den "Ener-G Systems" verkaufen kann - ein sauberes
Geschäft.
Aber auch eines, das zeigt: Südafrika ist ein Schwellenland, teils
Industrie-, teils Entwicklungsland: wo das Abfackeln von Methan als
Klimaschutz gilt und Milliarden in Kohle investiert werden; wo jeder Fünfte
der 50 Millionen Einwohner keinen Stromanschluss hat, aber rein rechnerisch
jeder Einzelne fast so viel CO2 ausstößt wie ein Deutscher; wo bis zu 40
Prozent der Menschen keinen regulären Job haben und man trotzdem stolz
darauf ist, die führende Wirtschaftsnation Afrikas zu sein.
## "Strom wird knapp"
Genau da setzt Nimrod Zalk an. Der junge Beamte sitzt in legerem Hemd an
diesem heißen Tag vor einem Restaurant in Sandton, dem Geschäftsviertel von
Johannesburg. Zalk koordiniert beim Ministerium für Handel und Industrie
das SARI-Projekt. Den geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien von
derzeit praktisch null auf knapp 10 Prozent bis 2030 (Greenpeace sieht
sogar ein Potenzial von 50 Prozent) begründet er nicht mit Ökovorträgen.
Er hat seine Zahlen und Argumente auf einem Zettel parat: Die Strompreise
kann man nicht noch weiter anheben, bereits jetzt protestieren die Menschen
und gehen Unternehmen pleite. "Wir sind in einer sehr ernsten Situation",
sagt Zalk. "Der Strom wird knapp, und wir haben Angst, dass irgendwann
andere Länder unsere Exportgüter mit Steuern bestrafen, wenn wir sie mit so
hohen Emissionen produzieren."
Für Südafrika komme der Aufbau einer Industrie für erneuerbare Energien wie
gerufen. Das Land hat die "IT-Welle" verpasst, mit der die asiatischen
Länder im letzten Jahrzehnt Geld verdient haben. "Die kommende Welle der
grünen Technologie werden wir mitnehmen", sagt der SARI-Manager.
## Großes Lob von Klimaschützern
Das wird viel Geld kosten. Insgesamt wohl etwa 14 Milliarden Dollar bis
2030. Ein Drittel davon soll aus dem Ausland kommen. Dass Südafrika den
Rest selbst zusammenkratzen will, bringt ihm großes Lob von Klimaschützern
ein. Denn eigentlich könnte das Land auch darauf bestehen, dass die
Industriestaaten alles zahlen - so steht es in den Klimaverträgen. Aber das
Geld fehlt auch im Norden, die Industrieländer haben ihre Versprechen
ohnehin nicht gehalten, und Südafrika will internationale Anerkennung und
nicht die Bettlerposition.
Nimrod Zalk wiederum will grüne Jobs in Südafrika, um hier das afrikanische
Zentrum von Windkraft und Solarenergie zu gründen, ehe das ein anderes Land
tut. Für die europäischen Partner von SARI ist das Projekt genauso wichtig:
Es muss zeigen, dass die reichen Nationen den Schwellenländern nicht immer
nur von "grünem Wachstum" vorschwärmen, sondern dass das auch funktionieren
kann.
Die Erwartungen sind riesig. Auf der einen Seite bremsen Eskom und Teile
der Regierung. Auf der anderen Seite unterstützt Staatspräsident Jacob Zuma
öffentlich das Projekt und steht bei den Geberländern in der Pflicht.
Spricht man Zalk auf Eskom an, verdreht er nur die Augen. Draußen vor dem
Restaurant hängt ein Plakat, auf dem Siemens für Windparks wirbt. Aber
davon gibt es bisher nur einen in Südafrika. Und der produziert weniger
Strom als eine einzige Offshoreturbine in der Nordsee. Nimrod Zalk muss
weiter. Er hat viel zu tun.
8 Dec 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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