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# taz.de -- Kongos neuer Präsident Joseph Kabila: Amtseid in einer Geisterstadt
> Im Schatten von Panzern wird Präsident Kabila für eine neue Amtszeit
> vereidigt, während die Opposition ihn nicht anerkennt. Als einziger hoher
> Gast kommt Mugabe.
Bild: Präsident Joseph Kabila: Nur wenige Staatsgäste kamen zu seiner Amtsein…
KAMPALA taz | Panzer am Flughafen, am Fernsehturm, am Stadion und rund um
den Ngaliema-Berg, wo der „Marmor-Palast“ steht, Präsident Joseph Kabilas
Herrschaftssitz. Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik
Kongo, ist militärisch abgesichert – zumindest entlang der Hauptstraßen,
auf welchen die Konvois der Staatsgäste entlang fahren müssen, um der
Amtseinführungsfeier von Präsident Joseph Kabila im Palast am Kongo-Fluss
beizuwohnen.
Kabila wurde vergangene Woche trotz umstrittener Wahlergebnisse und
Vorwürfen der massiven Wahlfälschung vom Obersten Gericht zum Präsidenten
erklärt. Am Dienstag sollten Staatschefs aus rund einem dutzend Ländern
Afrikas nach Kinshasa reisen, um ihm zu seiner zweiten offiziellen Amtszeit
zu gratulieren.
Doch bis auf Simbabwes Diktator Robert Mugabe schickten die übrigen
Amtskollegen nur Premierminister oder Abgesandte. Immerhin, der deutsche
Botschafter und andere Vertreter der Europäischen Union waren anwesend,
obwohl auch die EU-Wahlbeobachter die Auszählung als nicht glaubwürdig
empfanden.
Während sich Kabila feiern lässt, bleiben die Hauptstädter lieber zu Hause.
Die Opposition hatte angekündigt, Kongos Großstädte in „Geisterstädte“
verwandeln zu wollen. Die Leute sollten zu Hause und die Geschäfte
geschlossen bleiben, um das öffentliche Leben zum Stillstand zu bringen, so
UDPS-Generalsekretär Jacquemain Shabani.
## Stillstand in Kinshasa
Nachdem das Oberste Gericht Kabila am Freitag zum Wahlsieger deklariert
hatte, kam Kinshasa tatsächlich zum Stillstand – allerdings nur für einige
Stunden. Bereits am Wochenende waren viele Geschäfte wieder geöffnet, Autos
verstopften die Straßen.
Für Kongolesen ist es eine gewaltige Herausforderung – hat doch kaum jemand
genug Lebensmittel und Geld auf Vorrat, um sich tagelang zu Hause zu
verkriechen.
Doch vielleicht lassen sich „Geisterstädte“ als Mittel des Protests
leichter umsetzen, als die Kongolesen in Angesicht der Panzer zu einer
Massendemonstration zu bewegen. Am Montag wurden im Stadtteil Limete
Versammlungen vor der UDPS-Parteizentrale von der Polizei gewaltsam
aufgelöst.
## Verhaftungen
In Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu im Ostkongo verhafteten Polizisten
acht Oppositionsanhänger, als sie gegen die Amtseinführung Kabilas
demonstrierten.
„Wir sind faktisch zu Hause eingesperrt“, sagt Dolly Ibefo am Telefon von
Kinshasa aus. Er wohnt im Viertel Ngaliema, wo auch der Präsidentenpalast
steht. Auf der Straße vor seiner Haustür patrouillieren Soldaten der
Präsidentengarde. Der Direktor der Menschenrechtsorganisation „Stimme der
Stimmlosen“ hat sich seit Montag nicht nach draußen gewagt.
Es herrsche Angst und Panik, so Ibefo: „Für die Menschen, die ohnehin seit
dem Krieg unter einem Trauma leiden, ist die Militärpräsenz nur schwer zu
ertragen“. Man höre nach wie vor Gerüchte von Entführungen: „Soldaten
dringen nachts in Häuser ein und nehmen Leute mit“, berichtet er.
Das Land riskiere einen erneuten Bürgerkrieg, warnt Ibefo und vergleicht
die Lage mit der an der Elfenbeinküste, als es nach gefälschten
Wahlergebnissen zum Bürgerkrieg kam.
## Noch ein Staatschef
Er fürchtet, dass Teile der Armee entweder zur Opposition überlaufen oder
zumindest ihre Waffen an diese verkaufen. „Dann würden sich zwei bewaffnete
Gruppen gegenüberstehen“, seufzt er. Am Sonntag hatte Oppositionsführer
Etienne Tshisekedi die Armee aufgerufen, sich den Befehlen von Kabila zu
widersetzen.
Der 79-jährige Tshisekedi führt sich ebenfalls auf wie ein quasi-legitimer
Staatschef. Laut der vom Obersten Gericht anerkannten Ergebnisse gewann
Kabila mit rund 49 Prozent, Tshisekedi holte 33 Prozent. Die Opposition
bezichtigt die Kabila nahestehende Wahlkommission der Wahlfälschung.
Bereits kurz nach Verkündigung der vorläufigen Wahlergebnisse hatte
Tshisekedi betont, er sei der eigentliche Sieger.
Er ernannte sich schlichtweg selbst zum Präsidenten. Dies macht er nun
scheinbar wahr: Vor der Nationalflagge an seinem Schreibtisch sitzend
verkündete er: „Ich werde nächsten Freitag vor dem kongolesischen Volk im
Märtyrer Stadion meinen Amtseid ablegen“.
Im selben Atemzug forderte er die Kongolesen auf, Kabila zu schnappen. Er
bot sogar Kopfgeld an.
20 Dec 2011
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Kongo
Recherchefonds Ausland
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