Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Protestbewegung in Russland: Putin-Kritiker wieder auf freiem Fuß
> Nach 15 Tagen Haft verlassen die Oppositionspolitiker Alexei Navalny und
> Ilja Jaschin das Gefängnis. Am 24. Dezember soll die nächste
> Großdemonstration stattfinden.
Bild: Nach 15 Tagen Haft wieder frei: der Oppositionspolitiker Alexei Navalny.
MOSKAU taz | "Wir haben 15 Tage in einem Land gesessen und werden jetzt in
ein anderes entlassen", meinte der russische Oppositionelle Alexei Nawalny
bei seiner Freilassung in der Nacht zu Mittwoch. Um 2.30 Moskauer Zeit
wurden der Blogger Nawalny und Ilja Jaschin, einer der Köpfe der
Oppositionsbewegung Solidarnost, auf freien Fuß gesetzt.
Trotz der ungewöhnlichen Stunde warteten Hunderte Anhänger auf die beiden.
Mit Blumen, Konfetti und Applaus empfingen Gleichgesinnte den
Antikorruptionskämpfer Nawalny. Blass sah er aus, gab sich aber wie immer
kämpferisch.
Zu den Dumawahlen hätte er dazu aufgerufen, gegen die Partei der Diebe und
Gauner zu stimmen. Damit war Wladimir Putins Staatspartei "Geeintes
Russland" gemeint. Zu den Präsidentschaftswahlen im März rief er dazu auf,
"gegen den größten Dieb und Gauner zu stimmen", sagte er. Die
Präsidentschaftswahlen seien keine Wahl, sondern "eine von Dieben und
Gaunern organisierte Manipulation".
Die beiden Oppositionellen waren nach einer Demonstration gegen
Wahlfälschungen am 5. Dezember festgenommen und von einem Schnellgericht
wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu 15 Tagen Arrest verurteilt
worden. Vor der Freilassung waren beide gegen ihren Willen in
unterschiedliche Polizeireviere verbracht worden, wo Mitarbeiter der
Staatsgewalt ein so genanntes "prophylaktisches Gespräch" mit ihnen
führten. Nawalny ist von Haus aus Jurist und kündigte an, Beschwerde gegen
die gewaltsame Verlegung einzureichen.
## Groß-Demo an Heiligabend
Die Festnahme der bekannten Oppositionspolitiker und einiger Dutzend
Mitstreiter war auch ein Auslöser der Großdemonstration in Moskau am 10.
Dezember, an der mehr als 50.000 Demonstranten teilnahmen. Eine
vergleichbare Protestveranstaltung hatte es in der Ära Putin noch nicht
gegeben.
Seither hat sich das politische Gefüge verschoben. Für den Heiligabend rief
die heterogene Opposition erneut zu einer Demonstration in Moskau auf, an
der vermutlich noch weit mehr Menschen teilnehmen werden.
Darauf spielte auch Nawalnys Äußerung von der Entlassung in ein anderes
Land an. Seit dem 10. Dezember kommt es regelmäßig landesweit zu neuen
Unmutsbekundungen gegen das Putin-Regime. Der neue Volkstribun, der an der
Veranstaltung nicht teilnehmen konnte, meinte jedoch: Er und seine
Mitstreiter im Gefängnis hätten das Gefühl gehabt, "von dieser
Geburtstagsfeier nicht ausgeschlossen gewesen zu sein". Das Idol der
virtuellen Gemeinde schloss auch nicht aus, sich an den
Präsidentschaftswahlen zu beteiligen. Doch erst unter neuen und gleichen
Bedingungen für alle Bewerber.
## "Es gibt nur eine Bedrohung"
"Um Putin zum Rücktritt zu bewegen, brauchen wir keine Geschäfte anzuzünden
und sie zu plündern", meinte er anschließend in einer Videobotschaft. Seine
virtuellen Parteigänger, die inzwischen Hunderttausende zählen, hatten ihn
im Gefängnis mit Care-Paketen überhäuft, die er den Mitgefangenen aus
Tadschikistan und Usbekistan überließ.
Damit trat er Befürchtungen eines Teils der Opposition entgegen, der ihm
Kokettieren mit nationalistischen Extremisten vorwirft und ihn als eine
Bedrohung von rechts wahrnimmt. "Es gibt keine nationalistische, sondern
nur eine Bedrohung: Die Usurpation der Macht in Russland durch Diebe und
Gauner", so Nawalny.
21 Dec 2011
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte Proteste in Russland: Vor dem Bürgerkrieg
Protest ist das "must to have" der Saison in Moskau. Doch die Provinz
schmäht den neuen Bürgersinn. Und im Kaukasus träumt man vom Kalifat. Das
passt in die russischen Paradoxien.
Repressionen gegen russische Opposition: Umweltaktivist erneut unter Arrest
Der Oppositionelle Sergej Udalzow, der durch einen Hungerstreik geschwächt
ist, wird erneut zu zehn Tagen Arrest verurteilt. Er soll
Polizei-Anweisungen nicht befolgt haben.
Opposition in Russland: Blogger will Partei gründen
Der russische oppositionelle Blogger Alexej Nawalny will offenbar eine
eigene Partei gründen. Auch eine Kandidatur für das Präsidentenamt könne er
sich vorstellen.
Proteste in Russland: "Wir sind die Macht!""
Erneut demonstrieren in Moskau Menschen gegen die gefälschten Wahlen -
diesmal sind es sogar bis zu 100.000. Immer mehr fordern auch den Rücktritt
Putins.
20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion: Die Trauer um die Supermacht
Die Nostalgie nach vergangener Größe ist verbreitet. Dabei hat Russland
enorme Potenziale. Doch die Wirtschaftskraft beruht auf Ausbeutung der
natürlichen Reichtümer.
20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion: Die russische Krankheit
Staat und Gesellschaft führen ein Eigenleben und der ideologische Überbau
verherrlicht ein überkommenes Weltbild. Russland steckt die Sowjetunion
tief im Mark.
Russlands Präsident zur Lage der Nation: Plädoyer für Reformen zum Abschied
Dmitri Medwedjew stellt die Liberalisierung des politischen Systems in
Aussicht. Dazu gehören die Direktwahl der Gouverneure und ein
öffentlich-rechtlicher TV-Sender.
Ansprache des Kremlchef: Medwedew sagt Gouverneurswahlen zu
Resultat der Proteste nach der Duma-Wahl: Kremlchef Medwedew verspricht in
seiner Rede zur Lage der Nation mehr Möglichkeiten der politischen
Mitbestimmung.
Russische Anti-Putin-Aktivisten im Netz: Im Kampf gegen die Kremlbots
Seit den Wahlen in Russland protestieren sie. Auch im Netz. Eine Studentin,
ein einst Apolitischer und ein Umweltaktivist erzählen, warum.
Fragestunde mit Russlands Regierungschef: Zar Putin ganz im alten Stil
Beim jährlichen Zwiegespräch mit seinem Volk vor handverlesenem Publikum
erfindet sich Wladimir Putin nicht neu. Im Gegenteil: Er hantiert mit
Verschwörungstheorien.
Demonstrationen in Russland: Wladimir Putins letztes Aufgebot
Die Gegenoffensive des Kreml in Form einer Jubelkundgebung für die
Regierung in Moskau geht in die Hose. Denn viele junge Leute hatten keine
Wahl. Sie mussten teilnehmen.
Blogger Alexei Nawalny: Die neue Kultfigur der Opposition
Er ist der unerschrockene Herausforderer des Kremls. Alexei Nawalny
prangert im Netz die Korruption in Putins Reich an. Auch wenn er dafür ins
Gefängnis muss.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.