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# taz.de -- Zehn Jahre zahlen mit dem Euro: Der Preis des Blumenkohls
> Der Euro ist eine stabile Währung, an den meisten Preiserhöhungen war er
> nicht schuld. Für Wirtschaftsforscher ist er trotz aller Probleme eine
> Erfolgsgeschichte.
Bild: Ist der Euro gut oder schlecht? Ihn im Geldbeutel zu haben, daran haben s…
BERLIN taz | An die Turbulenzen nach der Einführung des Eurobargeldes vor
zehn Jahren kann sich Marktforscher Hans-Christoph Behr sehr gut erinnern.
Anfang 2002 gab es eine regelrechte "Wutwelle", so Behr. Es kam vor, dass
ein Blumenkohl plötzlich drei Euro kostete. Sechs Mark! Riesige Aufregung
an den Marktständen.
Behr arbeitet bei der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) in Bonn.
Schon lange vor dem 1. Januar 2002, dem ersten Tag mit Eurobargeld, hat
Behr die Preisentwicklung professionell beobachtet. Deshalb weiß er: An
vielem, was man dem Euro vorwarf, war die neue Währung gar nicht schuld.
Auch nicht am Blumenkohlpreis. Der schoss in die Höhe, weil in Südeuropa
außergewöhnliche Kälte herrschte.
Ist der Euro gut oder schlecht, ein Erfolg oder Misserfolg? Diese Frage und
der Streit über die Antwort begleiten den Euro seit Beginn - nicht erst
seit Ausbruch der Staatsschuldenkrise, die die Gemeinschaftswährung aktuell
ins Wanken bringt. Der tatsächliche Grund der Blumenkohlinflation
interessierte viele Leute 2002 nicht. Sie trauerten der D-Mark nach und
unterstelltem dem Euro Übel.
## Begriff "Teuro" nicht ganz falsch
Wobei es tatsächlich zu teils erstaunlichen Preisaufschlägen kam, die es
angesichts des offiziellen Umrechnungskurses von 1,96 Mark zu 1 Euro nicht
hätte geben dürfen. Besonders zugelangt wurde im Dienstleistungssektor.
Kostete ein Wiener Schnitzel im Restaurant beispielsweise bis Ende 2001 11
Mark, standen dann nicht selten 7 Euro auf der Karte.
"In solchen Fällen war der Begriff des ,Teuro' nicht ganz falsch", sagt
Ökonom Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW). Insgesamt aber, gab das Statistische Bundesamt vor Kurzem bekannt,
hielt sich die Inflation des Euro seit 2002 in engen Grenzen.
Sie betrug im Durchschnitt der zehn Jahre gerade 1,6 Prozent. In der Dekade
davor war es mehr - 2,2 Prozent pro Jahr. Um diesen Wert verlor die D-Mark
regelmäßig an Kaufkraft.n Wie wirkt sich die Entwicklung für einzelne
Produkte aus? Manche Lebensmitteln sind seit 2002 eher billiger als teurer
geworden. Und Mobiltelefone bekommt man jetzt im Vergleich zu damals quasi
geschenkt - außer man möchte immer das neueste Smartphone haben.
## Inflation im Energiesektor
Kaum teurer geworden sind in den ersten Jahren nach der Euroeinführung die
Wohnungsmieten. Ein Grund: Die Preise waren in den Verträgen festgelegt. Da
mussten die Vermieter einfach umrechnen und konnten nicht tricksen.
Drastisch dagegen ist die Inflation im Energiesektor. Der Mineralölverband
gibt den Preis eines Liters Superbenzin für 2001 mit durchschnittlich 1,02
Euro an. 2010 waren es schon 1,41, heute bewegen sich die Kosten um 1,50
Euro.
Die steigende Nachfrage in den Schwellenländern wie China und Indien, aber
auch die gefürchtete Erdölknappheit sind die Ursachen. In diesen wie in den
meisten anderen Fällen sieht man: Die Preisentwicklungen haben ökonomische
Gründe und hätten ohne Euro ganz ähnlich stattgefunden.
Vielleicht sind deshalb nach wie vor die meisten Deutschen pro Euro
eingestellt. Nach aktuellen Daten des Brüsseler Zentrums für Europäische
Politikstudien (Ceps) sind es 65 Prozent der Bevölkerung - ein ähnlicher
Wert wie 1990 und 2002.
## Eurozone bricht nicht zusammen
Auch die meisten Wirtschaftsforscher halten die gemeinsame Währung noch
immer für eine Erfolgsgeschichte - unter der Voraussetzung, dass die
Eurozone nicht unter dem Druck der Schuldenkrise zusammenbricht. "Und
Deutschland steht auf der Gewinnerseite", sagt Michael Schröder vom Zentrum
für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
Die geringe Inflation habe sich Deutschland als stärkstes Land der Eurozone
durch Produktivitätszuwachs und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
erarbeitet, so Schröder. Aber auch vergleichsweise geringe Lohnsteigerungen
spielten eine Rolle. Die dadurch bedingten Kostenvorteile und
Exportüberschüsse gegenüber anderen Eurostaaten allerdings halten Ökonomen
wie Gustav Horn vom gewerkschafts-orientierten Institut für Makroökonomie
mittlerweile für eine Ursache der Schuldenkrise.
Und wie stabil bleibt die gemeinsame europäische Währung? Die Mehrheit der
Ökonomen erwartet trotz allem nur wenig steigende Inflationsraten - auch
Michael Schröder vom ZEW. Einerseits stelle die Zentralbank den
Privatinstituten zwar große Summen Geldes zur Verfügung, damit die
Kreditvergabe weiterlaufe.
Andererseits entziehe die EZB der Wirtschaft aber wieder Geld, damit die
Geldmenge nicht zu sehr wachse. Deshalb, so Schröder, entstehe einstweilen
kein Überangebot an Euro und so auch keine hohe Inflation.
30 Dec 2011
## AUTOREN
Hannes Koch
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