Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Generalstaatsanwalt über Funkzellenabfrage: "Wir suchten die Nadel…
> Sachsens Generalstaatsanwalt Fleischmann über Konflikte beim Dresdner
> Naziaufmarsch und die Frage, ob in Sachsen Linke stärker verfolgt werden
> als Rechte.
Bild: Keine "bösartigen Straftäter", nur "Überzeugungstäter".
taz: Herr Fleischmann, das Bündnis "Dresden nazifrei" ruft bei den
Demonstrationen gegen die Naziaufmärsche am 18. Februar zu einer
"Funkzellenparty" auf. Jeder soll so viele Handys wie möglich mitbringen.
Läuft damit nicht das Instrument der Funkzellenabfrage ins Leere?
Klaus Fleischmann: Das Mittel der Funkzellenabfrage (FZA) bei
Großveranstaltungen hat sich erschöpft - insbesondere dann, wenn der
Teilnehmerkreis intelligent genug ist, Gegenstrategien zu entwickeln. In
den letzten Monaten ist diese Polizeistrategie, Straftätern auf die Spur zu
kommen, so offen geworden, dass jeder weiß, wie er eine Funkzellenabfrage
ins Leere laufen lassen kann. So, wie seinerzeit die Vermummung aufkam, um
einer Fotografie zu entgehen. Eine andere Frage ist die der Auswertbarkeit
der Massendaten. Wir wollten die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen suchen,
mussten aber im Nachhinein feststellen, dass wir sozusagen in einer ganzen
Scheune suchen.
Räumen Sie damit ein, dass der Einsatz der FZA 2011 in Dresden
unverhältnismäßig war?
Nein. Ein Versuch war sicherlich in Ordnung. Auch mit dem jetzigen
Kenntnisstand wäre der Einsatz verhältnismäßig. Fraglich ist allerdings, ob
er Erfolg versprechend wäre. Grundsätzlich hat sich die Funkzellenabfrage
als strafprozessuales Mittel sicher nicht überlebt. Es gibt genug
Ermittlungserfolge, zum Beispiel bei Baumaschinendiebstählen. Bei
Massenveranstaltungen sieht das anders aus, wenn sich potenzielle Täter
darauf einstellen.
Erwarten Sie erneut Gewalt am 18. Februar, oder ändert die neue
Konstellation einer Großdemo in Hör- und Sichtweite des Naziaufmarsches
etwas?
Das kann ich ganz schlecht beurteilen. Ich hoffe sehr, dass das
Demonstrationsrecht von den Behörden auf stationäre Kundgebungen reduziert
werden kann, um schwer zu schützende Aufzüge zu vermeiden.
Es gibt bereits Aufrufe zu Blockaden.
Blockaden sind eine eindeutige Straftat. Ich darf, unabhängig von der
politischen Gesinnung, genehmigte Demonstrationen nicht grob stören.
Jena hätte das berüchtigte braune "Fest der Völker" nicht ohne Blockaden
aus der Stadt vertrieben. Heiligt der gute Zweck nicht die Mittel?
Ich weiß nicht, ob das ein guter Zweck ist. Das kommt immer durcheinander.
Das Demonstrationsrecht einem Bürger zu nehmen, ist kein guter Zweck. Gegen
braune Lehren anzugehen, ist ein guter Zweck, aber bitte mit legitimen
Mitteln.
Es entsteht der Eindruck einer gewissen Kulanz: Der Staat verfolgt
Blockierer aus Prinzip, bietet aber gegen relativ geringe Geldbußen eine
Einstellung des Verfahrens an.
Nein, die Blockierer oder Störer von Versammlungen sind ja keine bösartigen
Straftäter, sondern letztlich Überzeugungstäter, die der Meinung sind, die
Bekämpfung der braunen Gefahr würde dieses Mittel rechtfertigen. Aber das
ist eine Fehleinschätzung, die, obwohl sie konträr zur Rechtsordnung steht,
nicht mit harten Sanktionen verfolgt werden muss. Ganz anders als bei
Steinewerfern, für die ich überhaupt kein Verständnis habe.
Können Sie sich erklären, wie auch außerhalb Sachsens der Eindruck
entstehen konnte, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft linke
Gegendemonstranten ganz besonders emsig verfolgt?
Es wurde kein einziger Demonstrant verfolgt! In Teilen der veröffentlichten
Meinung war von Demonstranten die Rede, aber in Wirklichkeit wurden
Straftäter verfolgt. Ich zeige Ihnen hier einen Pflasterstein, wie er zu
hunderten auf Polizisten geworfen wurde.
Sie haben Zweifel am NPD-Verbot geäußert. Ist dies in der gegenwärtigen
Aufregung nur ein politisches Placebo?
Placebo wäre zu hart formuliert. Das NPD-Verbot ist für mich eine
Möglichkeit - aber nur dann eine gute, wenn man sicher sein kann, dass es
funktioniert. Noch einmal zu scheitern, wäre katastrophal. Ich weiß nicht
sicher, ob die V-Männer bei den Spitzenleuten in der NPD wirklich
abgeschaltet sind, wie in Thüringen behauptet wird. Ich traue dieser
V-Leute-Problematik überhaupt nicht.
30 Dec 2011
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Überwachung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Polizei fragte 13 Funkzellen ab: Handydaten sollten Zündler überfüh…
Die Berliner Polizei hat offenbar tausende Handydaten abgefragt, um einen
Brandanschlag aufzuklären. Grüne und Piraten reagieren empört.
Handyüberwachung in Deutschland: Wie man Handys Geheimnisse entlockt
Wenn die Sicherheitsbehörden Mobiltelefone überwachen wollen, verfügen sie
über viele Möglichkeitenr. Hier sind sechs Methoden des Zugriffs.
Sammelwut der Dresdner Polizei: Handynutzer werden weiter erfasst
Dresdner Ermittler nutzen immer noch Handydaten von Gegnern des
Naziaufmarsches im Februar. Der Datenschutzbeauftragte ist wütend.
Datenaffäre in Dresden: Handy-Ausspähung war illegal
Sachsens Datenschutzbeauftragter rügt in seinem Bericht: Staatsanwaltschaft
und Polizei sind bei der Erfassung von Telefondaten weit übers Ziel
hinausgeschossen.
Datensammelwut der Dresdner Polizei: Noch eine Million Daten
Bereits 2009 hat die Dresdner Polizei mehr als eine Million Handydaten
abgefischt – ohne Ermittlungserfolg. Datenschützer fordern jetzt eine
Gesetzesänderung.
Dredener Datenskandal: "Nichts getan, nichts zu verbergen"
Darf die Polizei bei Demos Handydaten sammeln und Gespräche abhören, so wie
das im Februar in Dresden geschehen ist? Die Dresdner sind sich da nicht
einig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.