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# taz.de -- Bundeswehr startet Werbeoffensive: Militär sucht dringend Nachwuchs
> Zehntausende Heranwachsende bekommen Werbebroschüren von der Bundeswehr.
> Denn die darf auch nach dem Ende der Wehrpflicht aufs Melderegister
> zugreifen.
Bild: Als die Rekrutierung noch einfach war: feierliches Gelöbnis zu Zeiten de…
BREMEN taz | Die blonde Soldatin lacht sehr freundlich. Zwar steckt sie in
einer Kampfmontur, davon abgesehen könnte sie jedoch ebenso gut Werbung für
eine Krankenkasse oder Urlaub im Weserbergland machen. Die Bundeswehr hat
ihr Foto auf zehntausende Briefe gedruckt, die in den letzten Wochen an
17-jährige Heranwachsende verschickt wurden.
"Planen Sie zur Zeit Ihren beruflichen Lebensweg?" wollen die Absender
wissen. Dann ist die Rede von "persönlichen Interessen", "Vielfalt der
Chancen", "guten Sozialleistungen" und einer "attraktiven Vergütung".
Unterschrieben war das ganze mit "Ihr Karriereberater". Von Verwundung,
Töten oder Krieg steht in dem Schreiben kein Wort.
Einer der Empfänger war der Zwölftklässler Jonas B. aus Bremen. In einem
Vierteljahr macht er Abitur, was er dann machen will "das weiß ich
tatsächlich noch nicht", sagt er. Weggeworfen hat er den Brief trotzdem.
"Die haben versucht, das alles schönzureden, bei der Bundeswehr studieren
und dabei schön Geld verdienen." Doch das wollte B. nicht.
## Anspruch auf Adressdaten bleibt erhalten
Seine Adresse hat das Bundesamt für Wehrverwaltung von der Meldebehörde des
Stadtamtes Bremen bekommen. "Wir sind verpflichtet, der Bundeswehr alle
Adressen deutscher Staatsangehöriger zu übermitteln, die nächstes Jahr
volljährig werden", sagt Sprecher Rainer Gausepohl.
Die entsprechende Vorschrift aus dem Wehrpflichtgesetz diente einst dazu,
die Wehrpflichtigen zur Musterung einzubestellen. Doch die Wehrpflicht gibt
es nicht mehr. Anfang 2011 traten die letzten Wehrpflichtigen ihren Dienst
an. Der gesetzliche Anspruch auf die Adressdaten Jugendlicher blieb der
Bundeswehr aber erhalten. "In der Gesetzesbegründung ist festgehalten, dass
dies der Werbung Freiwilliger dient", sagt Gausepohl. Das bestätigt auch
das für Nachwuchswerbung zuständige Bundesamt für Wehrverwaltung in Bonn.
Der ehemalige Verwaltungsbeamte Gerhard Reth widerspricht dem. Der
schleswig-holsteinische Friedensaktivist verweist auf die noch gültige
Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur zur
Übersendung von Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften
verwendet werden".
Versandt worden sei jedoch "reine Werbung", findet Reth. Die Risiken von
Auslandseinsätzen etwa "werden komplett ausgeblendet". Dabei kämen viele
Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung von
Auslandseinsätzen zurück. Davon stehe in den Schreiben aber nichts.
"Information muss ausgewogen sein, Werbung nicht."
## Gesetzestext "einfach umgewidmet"
Die Übermittlung der Adressdaten an die Bundeswehr zu verhindern ist zwar
mittels eines Widerspruchs möglich - dürfte aber kaum stattfinden. Das
Bremer Stadtamt hat auf seiner Homepage zwar das nötige Formular
eingestellt und dies auch amtlich bekannt gegeben. "Aber welcher 17-Jährige
liest denn bitte amtliche Bekanntmachungen?", sagt Reth.
"Wir sind sehr verwundert, dass die Übermittlungspflicht für die
Adressdaten Jugendlicher nach Ende der Wehrpflicht noch weiter besteht",
sagt Christian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. Man habe den
Gesetzestext "einfach umgewidmet".
Nach der Aussetzung der Wehrpflicht im letzten Jahr tut sich die Bundeswehr
schwer mit der Nachwuchsrekrutierung. Doch von den rund 3.500 Freiwilligen,
die im Juli 2011 angetreten waren, hat fast ein Drittel den Wehrdienst
wieder abgebrochen. "Die Zahlen sind hoch", sagte kürzlich
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière. Umso wichtiger ist es für
das Militär, Jugendliche möglichst flächendeckend ansprechen zu können.
Denn längerfristig will die Bundesregierung bis zu 15.000 freiwillige
Bundeswehrsoldaten gewinnen.
3 Jan 2012
## AUTOREN
Christian Jakob
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