# taz.de -- Freiwillige Wehrpflichtige im Norden: Schwund beim Bund | |
> In Nordfriesland quittieren die ersten schon wieder den Dienst, auch | |
> andernorts überlegen es sich Rekruten anders: Beim Umbau in eine | |
> Freiwilligen-Armee sieht die Bundeswehr sich vor ganz neuen Problemen. | |
Bild: So, die neue Uniform passt. Ob aber auch der Rekrut durchhält? | |
HAMBURG taz | Auf ihr neues Leben haben sie sich gefreut. Schon Monate vor | |
ihrem ersten echten Aufeinandertreffen haben sie sich in Internetforen | |
ausgetauscht über die geschickteste Anreise zu ihrer ersten Einsatzkaserne | |
im tiefsten Nordfriesland: Seit Anfang Juli sind die freiwilligen | |
Wehrdienstleistenden in Seeth bei Friedrichsstadt im Dienst - aber die | |
ersten haben schon nach wieder den Dienst quittiert. | |
Die 71 Männer und Frauen sind die Nachwuchshoffnung der Bundeswehr, sie | |
sollen die Wehrpflichtigen ersetzen. Doch schon nach zwei Wochen sind neun | |
von ihnen nicht mehr dabei: Einer hörte aus gesundheitlichen Gründen auf, | |
vier entschieden sich für einen anderen Arbeitsplatz. Die anderen vier | |
hätten der Kaserne den Rücken gekehrt, sagt Bundeswehr-Sprecher Jürgen | |
Bredtmann, "weil sie sich den Dienst bei der Bundeswehr anders vorgestellt | |
haben". | |
Es deutet Einiges drauf hin, dass Seeth beispielhaft sein könnte. So | |
vermeldet etwa die 1. Panzerdivision aus Hannover in ihrem | |
Verantwortungsbereich eine Abbrecherquote von 14 Prozent bei den | |
freiwilligen Wehrdienstleistenden. Wie viele das in absoluten Zahlen sind, | |
will die Sprecherin nicht sagen. Der Hessische Rundfunk berichtete von | |
einer hesssischen Kaserne, in der bis Mitte Juli 20 von 70 Rekruten | |
gekündigt hätten, der NDR hat von Abbruchquoten von bis zu 25 Prozent an | |
einzelnen Standorten erfahren. | |
Offizielle Zahlen für die Entwicklung gibt es noch nicht, die meisten | |
Sprecher auch von regionalen Einheiten verweisen auf das | |
Verteidigungsministerium. Das will sich zum Thema frühestens Ende September | |
äußern will, lässt die neue Dienstform aber immerhin wissenschaftlich | |
begleiten. | |
Die Freiwilligen haben sich zwischen 7 und 23 Monaten verpflichtet, es gibt | |
allerdings eine sechsmonatige Probezeit. So hat die Bundeswehr nun mit | |
Abbruch-Gründen zu tun, die sie nicht kannte, als sie noch auf die | |
Wehrpflicht setzte. Das berichten jedenfalls verschiedene Sprecher im | |
Norden: Man konkurriert mit den Hochschulen und anderen Arbeitgeber um die | |
jungen Leute - und ist manchmal nur die zweite, sicherere Wahl: Treffen die | |
Zusagen für den begehrten Studien- oder Ausbildungsplatz doch noch ein, | |
ziehen manche Rekruten den der Armee vor. | |
Andere stellen fest, dass ihnen das Soldatenleben nicht passt, ihnen das | |
Militärische nicht liegt - oder die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes zu | |
hoch ist. Die Bundeswehrsprecher berichten zum Teil amüsiert auch von | |
einzelnen Abbruch-Anekdoten: Die Zigarettenpausen erschienen manchen | |
Rekruten zu kurz, die Dienstzeiten zu lang, die Entfernungen zum Heimatort | |
zu weit. | |
Viel zu früh aber sei es für eine Zwischenbilanz, die Konkurrenz-Lage ganz | |
normal - und man habe die sechs Monate Probezeit genau dafür eingerichtet, | |
damit sich beide Seite angucken können und gegebenenfalls einfach kündigen | |
können. | |
Doch schon beim Start des Freiwilligendienstes in der Bundeswehr zeigten | |
sich Rekrutierungsprobleme: Ursprünglich war mit bis zu 15.000 Freiwilligen | |
pro Jahr geplant worden, angetreten sind im Juli 3.375 Männer und 44 | |
Frauen. Im Oktober kommt der nächste Schwung. | |
Beim Bundeswehrverband, in dem aktive und ehemalige Soldaten organisiert | |
sind, bewertet man die Entwicklung gelassen: "Grundsätzlich ist es eine | |
gute Sache, wenn diejenigen, die merkten, dass die Bundeswehr nicht das | |
Richtige für sie ist, rechtzeitig die Bundeswehr verlassen" , sagt Sprecher | |
Jan Meyer. Das gleiche gelte auch umgekehrt: Es sei gut, wenn sich die | |
Bundeswehr zeitig von denen trenne, die sie nicht für die Richtigen halte. | |
Mit der Ausgestaltung des freiwilligen Wehrdienstes sei der Verband | |
zufrieden, sagt Meyer. Nur bei der Anwerbung, da müsse die Bundeswehr eben | |
noch besser werden. | |
20 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
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