# taz.de -- Kein Bock auf Bundeswehr: Armee ist Schülern zu tödlich | |
> Verfehlte Imagekampagne: Trotz des Einsatzes von Jugendoffizieren an | |
> Schulen ist der Soldatenberuf weiter unbeliebt, und das hat gute Gründe. | |
Bild: Schnupperstunde: ein Schüler mit Geländefahrzeug der Bundewehr. | |
BERLIN taz | Die freiwillige Ausbildung bei der Bundeswehr kommt bei | |
Jugendlichen nicht an. Obwohl die 94 Jugendoffiziere der Truppe im | |
vergangenen Jahr über 5.000 Mal an allgemeinbildenden und beruflichen | |
Schulen zu Gast waren, um die neue Freiwilligenarmee anzupreisen, ist die | |
Haltung der Schülerinnen und Schüler gegenüber den Streitkräften gleich | |
geblieben: "Bundeswehr ja - aber ohne mich!" Das geht aus dem bislang | |
unveröffentlichten Jahresbericht der Jugendoffiziere hervor. | |
Vor allem das hohe Risiko der Auslandseinsätze lasse die Jugendlichen | |
zweifeln: "Durch die in der Öffentlichkeit als hoch bewertete Zahl an | |
gefallenen Soldaten im Einsatz kam es zu einer Änderung in der Einstellung | |
zum Soldatenberuf", schreiben die Offiziere. "Der Soldatenberuf wird mit | |
Auslandseinsätzen und Gefahr für Leib und Leben assoziiert." Generell | |
interessieren sich Jugendliche wenig für die Bundeswehr. "Die Interessen | |
der meisten Jugendlichen sind nicht im Bereich der Sicherheitspolitik zu | |
suchen", heißt es im Bericht. | |
Seit mehr als 50 Jahren gehen Soldaten in Lehreinrichtungen und informieren | |
zu sicherheitspolitischen Fragen und zur Armee im Allgemeinen. Mit der | |
Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee ist ihr Einsatz | |
ungleich relevanter für die Streitkräfte geworden. Im vergangenen Jahr | |
trafen die Jugendoffiziere bei Vorträgen, Seminaren oder | |
Podiumsdiskussionen auf fast 130.000 Schüler. | |
## Kriegswirklichkeit ausgeblendet | |
Aber der Einsatz der Jugendoffiziere in Schulen ist umstritten. "Sie | |
vermitteln ein falsches Bild vom Soldatentum, weil die Kriegswirklichkeit | |
der Auslandseinsätze ausgeblendet wird", kritisiert Klaus Pfisterer von der | |
Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen | |
(DFG-VK). Das Töten von Menschen und die Zerstörung von Lebensgrundlagen | |
bleibe in den Vorträgen der Soldaten außen vor. Oft sei nur die Rede von | |
humanitären Einsätzen, so Pfisterer. | |
Die Grünen fordern klare Verhaltensregeln für den Umgang von | |
Jugendoffizieren mit Schülern. "Soldat ist kein Beruf wie jeder andere, | |
daher kann die Bundeswehr auch nicht einfach Imagepflege betreiben wie jede | |
andere Organisation", sagt Agnieszka Malczak, Mitglied im | |
Verteidigungsausschuss des Bundestages. | |
Der Schulleiter des Peutinger Gymnasiums in Ellwangen (Baden-Württemberg), | |
Hermann Rieger, sieht im Einsatz von Jugendoffizieren klare Vorteile. "Sie | |
kommen als Spezialisten ins Haus und geben Antworten auf Fragen, die die | |
Lehrkräfte so nicht beantworten können", sagt Rieger. Seit mehreren | |
Jahrzehnten nutzt seine Schule das Angebot. Wenn es thematisch zum | |
Unterricht passt, laden die Fachlehrer die Soldaten ein. "Sie reden mit | |
volljährigen Schülern, die wählen gehen und Auto fahren dürfen. Wenn man | |
diesen durch das Gespräch mit einem Soldaten einseitige Indoktrination | |
unterstellt, spricht man ihnen die Mündigkeit ab", so Rieger. | |
## "Privilegierter Zugang zu den Köpfen" | |
Der Bundesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Ulrich Thöne, lehnt | |
einseitige Informationen ab. "Die Schulen sind schließlich keine | |
Werbetrommeln", so Thöne. Wenn nur eine Position vertreten werde, sei die | |
Möglichkeit der Schüler zur Eigenreflexion eingeschränkt. Der | |
GEW-Vorsitzende fordert daher die Einbindung von Friedensbewegungen. Doch | |
diesen fehle es laut Pfisterer an Kapazitäten, um mit der Bundeswehr | |
Schritt halten zu können. Gemeinsam mit 15 anderen | |
Anti-Militarisierungs-Organisationen fordert die DFG-VK Baden-Württemberg | |
daher den grundsätzlichen Abzug der uniformierten Ersatzlehrer. Auch die | |
Einbeziehung der Jugendoffiziere in die Referendarausbildung müsse umgehend | |
gestoppt werden. "Dies verschafft der Bundeswehr einen privilegierten | |
Zugang zu den Köpfen von jungen Pädagogen und Jugendlichen", befürchtet | |
Pfisterer. | |
29 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Alexander Budweg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grundschule kooperiert mit Bundeswehr: Schutzengel für die Front gebastelt | |
Erst bastelten die Grundschüler Engel für deutsche Soldaten, dann | |
organisierte ihre Lehrerin eine Kooperation mit der Bundeswehr. | |
Bildungsexperten sind entsetzt. | |
Freiwillige bei der Bundeswehr: Null Bock auf Bund | |
Kaum ist ein Monat vorbei, haben mehr als zehn Prozent der Freiwilligen | |
beim Bund den Dienst schon wieder quittiert. Kein Grund zur Besorgnis, sagt | |
der Verband. | |
Rückzahlungsregelung verfassungswidrig: Teilerlass für Bafög-Empfänger | |
Die bisherige Vorschrift für die Bafög-Rückzahlung benachteiligt | |
Studierende in den neuen Bundesländern. Nach einer erfolgreichen | |
Verfassungsbeschwerde, muss nun eine Neuregelung her. | |
Bundeswehr finanziert Schülerseminare: Werbung in Tarnhosen | |
Schülervertreter aus dem ganzen Bundesland kritisieren die heimlichen | |
Köderversuche der Bundeswehr in Seminaren. Sie fordern mehr Transparenz. | |
Freiwillige Wehrpflichtige im Norden: Schwund beim Bund | |
In Nordfriesland quittieren die ersten schon wieder den Dienst, auch | |
andernorts überlegen es sich Rekruten anders: Beim Umbau in eine | |
Freiwilligen-Armee sieht die Bundeswehr sich vor ganz neuen Problemen. | |
Kommentar Gelöbnis-Protest: Phantom der Proteste | |
Für die Kritik am Gelöbnis brauchte es im vergangenen Jahr nicht einmal den | |
Protest vor Ort: Die angespannte Situation, die Rechtfertigungen für die | |
Sperrungen, all das war Hinweis genug. | |
Medienseminare für Schülerzeitungen: Bundeswehr schießt Geld zu | |
Die Bundeswehr versucht offenbar über die Hintertür Einfluss auf | |
Nachwuchsjournalisten zu nehmen - durch gesponsorte Seminare. Die Grünen | |
sind alarmiert. |