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# taz.de -- Interview über Rauswürfe beim "Freitag": "Nur noch ein Störfakto…
> Daniela Dahn musste als eine von vier HerausgeberInnen der Wochenzeitung
> "Freitag" gehen. Ein Gespräch über Jakob Augstein, Beliebigkeit und dem
> Kampf gegen den Mainstream.
Bild: Hält Herausgeber für überflüssig: "Freitag"-Verleger Jakob Augstein.
taz: Frau Dahn, der Verleger des Freitag, Jakob Augstein, hat die vier
Herausgeber, neben Ihnen Friedrich Schorlemmer, György Dalos und Frithjof
Schmidt, faktisch vor die Tür gesetzt. Mit welcher Begründung?
Daniela Dahn: Im November fand ein Verleger-Herausgeber-Treffen statt, bei
dem wir darüber sprachen, welche Rolle den Herausgebern inzwischen
zugebilligt wird. Dabei ging es teilweise recht kontrovers zu, Friedrich
Schorlemmer fragte, ob wir überhaupt noch gebraucht würden, und ich fand,
dass eine weitere Zusammenarbeit nur Sinn macht, wenn wir wieder stärker
als Scharnier zwischen Verleger und Redaktion wirksam sein können, wenn wir
mehr in die Kommunikation inhaltlicher und redaktioneller Fragen einbezogen
werden.
Zehn Tage später bekamen alle Herausgeber von Jakob Augstein einen Brief,
in dem er uns für unsere hilfreiche Begleitung in der Zeit des Überganges
dankt. Diese Phase sei nun abgeschlossen, der Freitag habe den Charakter
eines "Projekts" gegen den einer "normalen Zeitung" eingetauscht, woraus
folge, "dass das Institut der Herausgeber sich für den Freitag überlebt
hat".
Hat Augsteins Schritt politische Hintergründe?
Da bin ich nicht auf Vermutungen angewiesen. Es gibt seit zwei Jahren eine
relativ umfangreiche Mail-Korrespondenz zwischen Jakob Augstein und mir, in
der ich immer wieder angemahnt habe, bei der zweifellos notwendigen
Verjüngung und Modernisierung das tradierte Freitag-Profil nicht einer sich
einschleichenden Beliebigkeit zu opfern.
Was bedeutet Beliebigkeit?
Ich wollte den Anspruch, Gegeninformationen zu liefern, nicht aufgeben und
die analytische und intellektuelle Substanz bewahren. Auch wollte ich den
neuen Alltagsteil nicht auf Zerstreuung, Lifestyle, Prominente der
Kulturindustrie oder gar Boulevard-Stories beschränkt sehen. Die sollten
zum Beispiel durch mehr Geschichten aus der akademischen und produzierenden
Arbeitswelt ergänzt werden, Geschichten vom Überleben, die erzählen, wie
die Wirtschaft in den Alltag ganz normaler Leute funkt. Ich hielt es für
verfrüht, dass der Freitag den Brückenbau zwischen West und Ost(-Europa)
aufgegeben hat. Kurzum, im Laufe der Zeit haben sich unsere Vorstellungen
von der Identität der Zeitung zu meinem Bedauern entfernt.
Augstein finanziert den Freitag - ist es da nicht verständlich, dass er das
Sagen haben will?
Ja klar, das ist nur konsequent. Er ist ja auch wirklich mit großem Elan
und persönlichem finanziellen Risiko eingestiegen, das habe ich immer
bewundert.
Dass die Herausgeber nicht mehr nötig sind, weil der Freitag nun eine
normale Zeitung ist - überzeugt Sie das?
Herr Augstein ist Verleger, Geschäftsführer, Autor und agiert nicht selten
wie ein Chefredakteur - in diesem Sinne ist der Freitag in der Tat eine
normale, hierarchisch geführte Zeitung geworden. Da sind Herausgeber, die
meinen, ihren Senf auch noch dazugeben zu müssen, ein Störfaktor. Die Frage
ist nur, ob es auf die Dauer hilfreich ist, sich des kritischen Korrektivs
zu entledigen.
Also sehen Sie die Schuld nur auf Augsteins Seite - und gar nicht aufseiten
der früheren Herausgeber?
Meinungsverschiedenheiten sind ja keine Schuldfrage, im Gegenteil, gut,
wenn man dazu steht. Wären die Herausgeber aktiver gewesen, wäre es
vielleicht schon eher zum Bruch gekommen, hätten sie stillgehalten,
vielleicht nie.
Die Auflage des Freitag ist noch immer weit davon entfernt, die Zeitung zu
finanzieren …
In seinem Abschiedsbrief an uns hat der Verleger noch einmal betont, dass
der nun linksliberale Freitag den Platz besetzen soll, "den Zeit und
Spiegel vor langer Zeit freigemacht haben", dass er "zum Konzert der
Meinungsstimmen im Lande gehören möchte". Der einstige
Spiegel-Chefredakteur Günter Gaus war als Herausgeber zum Freitag gegangen,
weil er sich nicht mehr an die von ihm mit Missfallen beobachtete Regel
halten wollte, wonach es im Journalismus üblich ist, bei der Mehrheit der
Gruppe zu bleiben.
Auch ich neige dazu, Zeitungen, Autoren, und Bücher interessant zu finden,
die den Mut haben, sich von der Truppe zu entfernen. Ob sich so etwas aber
bei den Abhängigkeitsverhältnissen und PR-Strukturen hierzulande verkaufen
lässt, ist eine andere, durchaus ernste Frage.
5 Jan 2012
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Stefan Reinecke
## TAGS
Jürgen Todenhöfer
Jakob Augstein
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