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# taz.de -- Bürgerbeteiligung bei Großprojekten: Reden schadet nicht
> Die Bürger sollen früher als bislang an der Planung von großen
> Infrastrukturprojekten beteiligt werden. Das soll Gerichtsverfahren
> überflüssig machen.
Bild: Auch so ein Infrastrukturprojekt: Das 2008 eingeweihte Teilstück Suhl-Li…
Autobahnen, Landebahnen, Bahnhöfe – immer wieder sorgen große
Infrastrukturprojekte für Ärger. Der Vorwurf: Die Bürger werden erst dann
gefragt, wenn ein Großteil der Planungen erfolgt ist. Den Projektgegnern
bleiben nur die Wege durch die Gerichte, um ihre Interessen zu vertreten.
Das dauert.
Nun will das CSU-geführte Innenministerium Abhilfe schaffen und die
Öffentlichkeit früher einbinden. Im Zentrum steht dabei ein Gesetz, das
nach dem Motto "Je interessanter der Inhalt, desto schrecklicher der Name"
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVFG) heißt. Es regelt die Verfahren, nach
denen Großprojekte geplant werden müssen.
Bislang ist vorgesehen, dass die Behörden betroffenen Bürgern oder
bestimmten Verbänden vier Wochen lang die Möglichkeit zur Akteneinsicht
geben müssen. Danach haben diese zwei Wochen lang Zeit, schriftlich
Stellung zu beziehen. Bei einem anschließenden Erörterungstermin können sie
ihre Bedenken noch einmal darlegen.
Das Innenministerium will diesem Verfahren nun einen "Bürgerdialog"
vorschalten. Unternehmen oder Behörden mit Projektvorhaben sollen dazu
verpflichtet werden, rechtzeitig die Öffentlichkeit zu informieren. So
sollen die Antragsteller von vielen Einwänden schon erfahren, bevor sie in
die konkrete Planung einsteigen. Vorgeschrieben ist der Dialog aber nicht.
## Vereinfachen und beschleunigen
Zudem sollen einige Vereinfachungen, die Infrastrukturprojekte
beschleunigen sollten, in das VwVFG aufgenommen werden. Dies bedeute keinen
Einschnitt in die bisherigen Beteiligungsrechte, heißt es aus dem
Ministerium. Ohne Kenntnis des Gesetzestextes lasse sich das kaum
beurteilen, meinen Experten.
Auch die Sozialdemokraten haben kürzlich ein Konzept für ein moderneres
Planungsrecht erarbeitet, das über die Pläne des Innenministeriums
hinausgeht. Demnach sollen die Genehmigungsbehörden und öffentliche
Planungsträger einen Bürgeranwalt einsetzen, der die Bürgerinnen und Bürger
in allen Fragen der Beteiligung berät und auf die Einhaltung der
Beteiligungsrechte achtet. Außerdem sollen verbindliche Qualitätsstandards
für die Bürgerbeteiligung erarbeitet werden.
Mehr Transparenz im frühen Planungsstadium sei ein Schritt in die richtige
Richtung, sagt Jürgen Quentin, Projektmanager Recht bei der Deutschen
Umwelthilfe. Allerdings stecke der Teufel im Detail: "Es hat den Anschein,
als solle das eigentliche Planfeststellungsverfahren verschlankt werden",
sagt Quentin. Den Diskurs auszulagern und die echten Beteiligungsrechte
einzuschränken habe aber keinen Sinn.
Petra Enders (Die Linke) kämpft als Bürgermeisterin des thüringischen
Städtchens Großbreitenbach seit Jahren mit Bürgerinitiativen gegen eine
Starkstromtrasse des Netzbetreibers 50 Hertz. Ein modernes Gesetz müsse
nicht nur Unternehmen und Behörden zu absoluter Offenheit zwingen, sagt
sie, es müsse auch für Waffengleichheit sorgen: So müssten die
Antragsteller für die Kosten der Öffentlichkeit etwa für Gutachter
aufkommen, damit betroffene Bürger auf Augenhöhe argumentieren könnten.
Und: Ein Verfahren müsse ergebnisoffen geführt werden, das heißt: "Ein
Projekt wird eben auch mal nicht umgesetzt", so Enders.
11 Jan 2012
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Schwerpunkt Stuttgart 21
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