# taz.de -- Havarie "Costa Concordia": Vermisstenzahl nach oben korrigiert | |
> Nach der Katastrophe auf dem Kreuzfahrtschiff werden noch 28 Menschen | |
> vermisst. Ein weiteres Todesopfer soll geortet, aber noch nicht geborgen | |
> worden sein. Und es droht eine Umweltkatastrophe. | |
Bild: Noch ist aus dem havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" kein Trei… | |
ROM dpa/afp | Im Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" | |
ist ein weiteres Todesopfer geortet worden. Die Leiche habe aber noch nicht | |
geborgen werden können, berichtete die italienische Zeitung La Stampa am | |
Dienstagmorgen auf ihrer Internetseite. Die Zahl der Toten stieg damit auf | |
sieben. Als vermisst gelten nun noch 28 Menschen, darunter auch zahlreiche | |
Deutsche. | |
Die italienischen Behörden hatten am Montagabend die Zahl der Vermissten | |
nach der Schiffskatastrophe im Mittelmeer nach oben korrigiert. Nach | |
Angaben des Chefs der italienischen Küstenwache, Admiral Marco Brusco, | |
fehlte zu diesem Zeitpunkt von 25 Passagieren und 4 Besatzungsmitgliedern | |
des Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" jede Spur. Sollte das siebte | |
Todesopfer geborgen werden, würden dann noch 28 Menschen als vermisst | |
gelten. 10 oder 12 dieser Passagiere stammen nach unterschiedlichen Angaben | |
aus Deutschland. Zuletzt war die Zahl von 14 Vermissten genannt worden. | |
Bisher wurden 6 Tote geborgen. | |
Die lokalen Behörden gehen davon aus, dass das Wetter bis Mittwoch gut | |
bleibt. Die Rettungsarbeiten könnten auf jeden Fall bis dahin fortgesetzt | |
werden. Der italienische Umweltminister Corrado Clini sagte am Abend, | |
bislang gebe es keine Anzeichen dafür, dass Treibstoff ins Meer geflossen | |
sei. Jedoch sieht er ein sehr hohes Risiko für eine Umweltkatastrophe, | |
deshalb müssten die Tanks des Schiffes schnell leergepumpt werden. | |
Der Kapitän habe die Route eigenmächtig geändert, sagte der Geschäftsführer | |
des Unternehmens Costa Kreuzfahrten, Heiko Jensen, in Hamburg. Falsche | |
Seekarten seien nicht Schuld an dem Unglück gewesen. | |
Der toskanische Staatsanwalt Francesco Verusio bestätigte, dass der von dem | |
Unglücksschiff gerammt Felsen eindeutig auf Karten vermerkt sei, berichtete | |
die Nachrichtenagentur Ansa. Der Kommandant der "Costa Concordia", | |
Francesco Schettino, hatte behauptet, die Felsen seien nicht eingezeichnet. | |
Er war festgenommen worden und soll am Dienstag vernommen werden. | |
## "Schiff manuell gesteuert" | |
Schettino soll das Schiff mit mehr als 4.200 Menschen an Bord zu dicht an | |
die Insel Giglio gelenkt und schon während der Evakuierung verlassen haben. | |
Das Schiff war gegen einen Felsen gelaufen, leckgeschlagen und dann auf die | |
Seite gekippt. Jensen erklärte: "Der Kapitän war zum Zeitpunkt des Unfalls | |
auf der Brücke und hat das Schiff manuell gesteuert." | |
Unter den zwölf deutschen Vermissten sind fünf Passagiere aus Hessen, je | |
zwei aus Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie eine Frau | |
aus Bayern. Dies Zahl kommt von deutschen Polizeidienststellen. Admiral | |
Brusco geht von zehn vermissten Deutschen aus. | |
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) versicherte: "Wir arbeiten mit | |
Hochdruck daran, dass die Schicksale der noch vermissten deutschen | |
Staatsangehörigen aufgeklärt werden." Zahlen nannte der Außenminister | |
nicht. "Ich kann aber leider zur Stunde nicht ausschließen, dass wir uns | |
auf andere, traurigere Nachrichten einstellen müssen." Costa Kreuzfahrten | |
erklärte, 566 Menschen aus ganz Deutschland seien an Bord gewesen. Die | |
meisten sind wieder in Deutschland. | |
Jensen sagte, die Einschätzung des Kapitäns bei dem Unglück habe nicht "den | |
von Costa vorgegebenen Standards" in einem solchen Notfall entsprochen. Die | |
Crew dagegen habe sehr umsichtig gehandelt. Viele Passagiere allerdings | |
sprachen von einem großen Durcheinander und klagten über unzureichende | |
Sicherheitsausrüstung. Das bestreitet Costa. "Die Schiffsführung hat total | |
versagt", sagte Passagier Herbert Rohwedder aus Schleswig-Holstein der | |
Nachrichtenagentur dpa. "Es herrschte nur Chaos." | |
Kurz nachdem die Feuerwehr den sechsten Toten entdeckt hatte, musste die | |
Suche am Montag für einige Stunden unterbrochen werden. Offensichtlich | |
hatten die Wellen den havarierten Riesen in Bewegung versetzt. Die Taucher | |
hätten das Wrack vorübergehend verlassen, nachdem es sich um neun | |
Zentimeter bewegt habe, erklärte der Sprecher der Rettungsmannschaften, | |
Luca Cari. Auch für die Nacht wurde die Suche aus Sicherheitsgründen wieder | |
eingestellt. | |
## "Menschlicher Fehler" nicht zu bestreiten | |
Ein "menschlicher Fehler" ist bei der Havarie des Kreuzfahrtschiffes nach | |
Auffassung des Chefs von Costa Crociere, Pierluigi Foschi, nicht zu | |
bestreiten. Zwar werde die Kreuzfahrtgesellschaft dem Kapitän nach der | |
Havarie juristische Unterstützung geben, sagte Foschi in Genua, wie die | |
Nachrichtenagentur Ansa berichtete. "Das Unternehmen hat jedoch auch die | |
Pflicht, seine 24.000 Beschäftigten zu schützen", fügte er an. Zuvor waren | |
die Eigner des Kreuzfahrtschiffes auf Distanz zu ihrem Kapitän gegangen. | |
"Es scheint, dass der Kommandant Beurteilungsfehler gemacht hat, die | |
schwerste Folgen gehabt haben", hieß es in einer Erklärung der | |
Kreuzfahrtgesellschaft am Sonntagabend. "Die Route des Schiffs führte | |
offenbar zu nahe an der Küste vorbei (...)." Der Kapitän sei 2002 als | |
Sicherheitsoffizier zu Costa gekommen und 2006 zum Kapitän ernannt worden. | |
"Wie alle Costa-Schiffsführer absolvierte er regelmäßige Trainings." | |
Der Kapitän soll Medienberichten zufolge mehrfach von der Küstenwache | |
aufgefordert worden sein, wieder an Bord zu gehen, um die Evakuierung des | |
Schiffs zu koordinieren. Dies habe er jedoch nicht getan. Auch einen | |
"SOS"-Ruf soll es zunächst nicht gegeben haben. Hunderte von Zeugenaussagen | |
- Passagiere, Crewmitglieder und Retter - seien zum Hergang bereits | |
aufgenommen worden, sagte Staatsanwalt Verusio. Mehr Details zum Hergang | |
des Unglücks erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffs, | |
die ähnlich wie in Flugzeugen die Kommunikation auf der Brücke und | |
Steuerbefehle aufzeichnet. | |
Costa-Kreuzfahrten sicherte den Opfern der Schiffshavarie Entschädigung zu. | |
"Wir nehmen mit jedem einzelnen Gast Kontakt auf", sagte Jensen. Die | |
Bergung des Wracks wird nach Einschätzung von Hans Hopman, Professor für | |
Schiffsbau an der Technischen Universität Delft, möglicherweise Monate | |
dauern. | |
17 Jan 2012 | |
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