# taz.de -- Enquetekommission uneins: Wie weit wollen wir noch wachsen? | |
> In der Enquetekommission des Bundestags zum Wachstum gibt es Differenzen. | |
> Für die einen ist "Wachstum immer auch qualitativ", andere warnen vor | |
> Fetischismus. | |
Bild: Baut auf, baut auf - Wachtum kennt keine Grenzen! | |
BERLIN taz | Braucht Deutschland wirtschaftliches Wachstum, oder zerstört | |
dieses Wachstum die natürlichen Lebensgrundlagen? Und wenn Wachstum nötig | |
sein sollte, wie müsste es dann beschaffen sein? | |
Diese und andere Fragen stellt sich derzeit eine Enquetekommission des | |
Bundestages. Und sie ist dabei an einem Punkt angekommen, "wo es spannend | |
wird", wie die Kommissionsvorsitzende Daniela Kolbe (SPD) am Montag bei | |
einer Sitzung der Kommission in Berlin sagte. Schließlich haben diverse | |
Arbeitsgruppen der Kommission ihre Zwischenberichte mittlerweile vorgelegt. | |
Dabei traten wesentliche Differenzen zwischen den in der Kommission | |
arbeitenden Politikern und Wissenschaftlern zu Tage. Zentraler Streitpunkt | |
war am Montag, ob die Begriffe Wachstum und Entwicklung etwas Ähnliches | |
beschreiben oder etwas Unterschiedliches sind. | |
Der Volkswirt Karl-Heinz Paqué (FDP), der sich in dieser Frage als | |
"stockkonservativ" bezeichnete, hob hervor, dass man den Wachstumsbegriff | |
nicht verengen dürfe. Wachstum sei immer quantitativ und qualitativ. | |
"Wachstum ist Entwicklung, Entwicklung ist Wachstum; alles andere ist | |
irreführend." Man dürfe das Wachstum nicht verteufeln. | |
Demgegenüber betonte Michael Müller (SPD), dass "wir mit dem alten Begriff | |
des Wachstums nicht mehr hinkommen". Entwicklung sei mehr als Wachstum, sie | |
beinhalte die soziale und ökologische Verträglichkeit ebenso wie | |
demokratische Prozesse und die technologische Innovationskraft. | |
## Vorsicht vor dem Rebound-Effekt | |
Auch Ulla Lötzer (Linke) forderte eine Abkehr vom "Fetisch Wachstum". Die | |
Frage sei, ob Wachstum ein Ziel an sich ist oder ein Mittel zum Zweck. | |
"Zentrales Ziel sollte die gesellschaftliche, soziale und ökologische | |
Entwicklung sein." | |
Schließlich sei ein Großteil der gesellschaftlichen Entwicklung, etwa | |
ehrenamtliche Arbeit oder die Betreuung von Angehörigen, nicht | |
geldvermittelt, aber dennoch wichtig für den Wohlstand der Gesellschaft. | |
Hermann E. Ott (Grüne) wandte sich dagegen, Wachstum als Fetisch zu | |
behandeln - auch nicht in der Kritik der Wachstumsorientierung. | |
Judith Skudelny (FDP) betonte hingegen, dass sich die Situation der Umwelt | |
in Deutschland in den letzten 20 Jahren enorm verbessert habe. | |
Problematisch sei jedoch der sogenannte Rebound-Effekt. | |
Damit ist gemeint, dass Effizienzsteigerungen häufig dazu führen, dass | |
letztlich mehr Ressourcen verbraucht werden, weil mehr konsumiert wird. Ein | |
Beispiel: Immer leistungsfähigere Rechner verleiten dazu, häufiger im | |
Internet zu surfen und mehr Daten zu speichern, was letztlich den | |
Energieverbrauch doch steigert. | |
17 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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