# taz.de -- Kommentar Ungarn: Der Sieger heißt Orbán | |
> Ein Ende der Ära Orbán wurde schon mehrfach prognostiziert. Aber die | |
> Kritik aus Europa bewirkt in Ungarn vor allem eins: Einen | |
> Schulterschluss-Effekt. | |
Die Pro-Orbán-Demonstration vom letzten Samstag mag viele Schönheitsfehler | |
gehabt haben: organisierte Transporte aus der Provinz und den | |
Nachbarländern. Selbst von "Aufwandsentschädigungen" für Teilnehmer war die | |
Rede. Trotzdem ist sie ein machtvoller Beweis dafür, dass der umstrittene | |
Premier keineswegs am Ende ist. | |
Viel wurde schon darüber spekuliert, dass die Wirtschaftskrise Orbán das | |
Genick brechen, dass der Gesichtsverlust durch den Canossa-Gang nach | |
Straßburg den Anfang vom Ende der Ära Orbán einläuten werde. Schließlich | |
musste der machtbewusste Rechtsnationalist eingestehen, dass seine Gesetze | |
reparaturbedürftig sind, und gelobte rasche Erledigung. | |
Doch die Kritik aus Europa, die als Einmischung dargestellt und von vielen | |
Ungarn auch so empfunden wird, bewirkte den Schulterschluss-Effekt, den | |
Orbán sich gewünscht hat. Er hat erfolgreich die in Ungarn weit verbreitete | |
Opfermentalität gefördert. Die Erinnerung an den Friedensvertrag von | |
Trianon, durch den Ungarn 1920 zwei Drittel seines Territoriums verlor, | |
wird durch neue Gedenktafeln wachgehalten. Der Rüffel aus Brüssel passt | |
perfekt in das Bild vom ewig verfolgten und missverstandenen Volk. | |
Die Großdemonstration war also ein Fest für Orbán, dessen Stellung | |
innerhalb des Machtapparats jetzt wieder gefestigt ist. Sollten sich | |
einzelne Parteifreunde Hoffnungen gemacht haben, einen gedemütigten Premier | |
vom Ross holen zu können, um selber die Staatsführung zu übernehmen, so | |
müssen diese jetzt auf bessere Zeiten warten. Wahrscheinlicher ist, dass | |
Leute, die mit dem autoritären Kurs Orbáns nicht einverstanden sind, eine | |
neue, liberalere Partei gründen. Das wäre in der sehr beweglichen | |
Parteienlandschaft Ungarns kein Novum. | |
22 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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