# taz.de -- Datenschutz-Bedenken: Polizei stoppt Facebook-Fahndung | |
> Die Polizeidirektion Hannover hat über Facebook nach Verdächtigen gesucht | |
> - mit großer Resonanz. Der Landesdatenschutzbeauftragte protestiert. Die | |
> Suche ist ausgesetzt. | |
Bild: Es regierte das Schneeballprinzip: Auf Facebook konnte die Polizei Hannov… | |
HAMBURG taz | Die Pressestelle der Polizeidirektion Hannover war stolz auf | |
ihr Facebook-Pilotprojekt: Sie waren Vorreiter, Vorzeigebehörde und | |
Reichweiten-Könige mit ihrem Auftritt in dem sozialen Netzwerk. Acht Fälle | |
hätten mit Tipps von Facebook-Nutzern gelöst werden können, berichteten die | |
Öffentlichkeitsarbeiter gern. Denn seit März 2011 verbreiten die Beamten | |
dort vor allem Fahndungsaufrufe. Doch damit ist seit Freitag erstmal | |
Schluss. Sie veröffentlichen nun keine "personenbezogenen Fahndungen" mehr | |
bei Facebook. | |
Die Facebook-Gruppe der Polizeidirektion Hannover ist mächtig. Über 96.000 | |
Nutzer des Netzwerks sind sogenannte "Fans". Die meisten sehen die | |
aktuellen Mitteilungen der Polizei auf ihrer Startseite bei Facebook und | |
verbreiten sie weiter. Dann sehen diese Meldungen auch ihre Freunde, die | |
keine Anhänger der Ermittler sind. Das Schneeballsystem beginnt. Den | |
Fahndungsaufruf zu einem Mordfall an einer Studentin haben über 57.000 | |
Nutzer an ihre eigenen Freunde weiter verbreitet. | |
Der Grund für den Stopp dieser Fahndung: Der Landesdatenschutzbeauftragte | |
Joachim Wahlbrink hatte von Anfang an Bedenken gegen das Projekt geäußert - | |
und sie in einem Gespräch im niedersächsischen Innenministerium vergangene | |
Woche vorgetragen. Seine Auffasung ist klar: Die Polizei dürfe bei Facebook | |
mit seinen Rechnern in den USA keine personenbezogenen Daten einstellen, | |
weil dafür die gesetzliche Grundlage fehle. Denn: "Für die | |
Datenübermittlung einer Behörde in ein Nicht-EU-Land braucht es eine | |
ausdrückliche klare Erlaubnis im Gesetz", sagt Michael Knaps, | |
Pressesprecher beim Landesbeauftragten für den Datenschutz. Die Polizei | |
argumentierte hier bisher mit dem Paragraphen aus der Strafprozessordnung, | |
der allgemein die Öffentlichkeitsfahndung erlaubt. Allerdings ist auch | |
diese unter Juristen umstritten - es geht oft nur um Verdächtige und kann | |
stigmatisierend für den Betroffenen sein. | |
Doch diese allgemeine Erlaubnis zur Öffentlichkeitsfahndung reiche nicht | |
aus, um sie auch auf Facebook zu betreiben, sagt Knaps. Er macht auf | |
praktische Probleme aufmerksam: "Wie können Bürger dafür sorgen, dass ihre | |
Daten wieder aus dem Netz verschwinden, wenn sie glauben, dass zu Unrecht | |
nach ihnen gesucht wird?" Die Vernichtung der Daten durchzusetzen, sei gar | |
nicht so einfach. "Daran zu glauben, dass Facebook löscht, ist naiv." Daten | |
würden verborgen und nicht gelöscht. | |
Das Innenministerium will das nun noch mal prüfen und hat Polizei-Juristen | |
an die Bewertung gesetzt. Die Pressestelle spricht von "unterschiedlichen | |
Rechtsauffassungen". Ende Januar oder Anfang Februar wisse man mehr. Es | |
gebe sehr verschiedene juristische Kommentare und Gerichtsurteile zur | |
Öffentlichkeitsfahndung. | |
Der Landesdatenschutzbeauftragte ist sich seiner Sache sehr sicher. Man | |
habe ausgiebig geprüft, verkündet sein Sprecher. "Meine Phantasie reicht | |
nicht aus, dass das Innenministerium zu einer anderen Einschätzung kommt | |
als wir", sagt Knaps. Doch so richtig stark drohen kann der | |
Datenschutzbeauftragte den Behörden in Niedersachsen wiederum auch nicht: | |
Ihm fehlen die Sanktionsmöglichkeiten. Die schärfste Waffe, die er | |
gegenüber Behörden hat, ist eine förmliche Beanstandung. | |
23 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
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