Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Urheberrechtsabkommen in Polen: ACTA ad acta?
> Polens Netznutzer protestierten mit Angriffen auf Regierungs-Websites und
> schwarzen Seiten, hoffen aber aufs EU-Parlament. Es soll das
> Urheberrechtsabkommen kippen.
Bild: So sehen sie zwischenzeitlich aus, die Webseiten der polnischen Regierung.
WARSCHAU taz | Cyber-Kriege kannte Polen bislang nicht. Doch seit Tagen
bricht eine Regierungs-Website Poles nach der anderen unter
Hacker-Angriffen zusammen. Der Grund: Polens Regierung will ACTA
unterzeichnen, das internationale Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums
im Internet.
Viele polnische Internet-Nutzer fürchten nicht nur, dass Acta ein
Zensurgesetz nach sich ziehen werde, sondern auch, dass sie selbst – allein
durch ihre Aktivität im Internet – einer strafrechtlichen Verfolgung
ausgesetzt sein könnten. Denn die Kommunikation im Internet besteht im
gegenseitigen Austausch von Texten, Filmen, Songs, Cartoons und Fotos.
Polnische Hacker-Organisationen wie "Anonymous" oder "Polish Underground"
simulieren daher seit dem Wochenende den gleichzeitigen Zugriff
zehntausender Nutzer auf die Websites der [1][Regierung], des Parlaments,
des [2][Außenministers] und des Präsidenten, hinterlassen auch schon mal
ein witziges Filmchen, einen [3][fettgedruckten Protest] oder schlicht
einen schwarzen Zensur-Balken. So wollen sie verhindern, dass Polens
Regierung das Abkommen unterzeichnet.
"Wir lassen uns nicht erpressen", sagt Premier Donald Tusk von der
liberalkonservativen Bürgerplattform. Das Abkommen werde wie geplant am
Donnerstag in Tokio unterschrieben. Bogdan Zdrojewski, Polens
Kulturminister, versicherte, dass Acta lediglich den Schutz des geistigen
Eigentums in den wichtigsten Industriestaaten harmonisieren solle.
Neben dem Schutz des Urheberrechts betreffe es insbesondere
Markenpiraterie, Arzneimittelfälschungen und Raubkopien von Filmen,
Musik-CDs, und Computerprogrammen, die man demnächst international
effektiver bekämpfen wolle.
## Zu spät, sagt der Minister
"Alle europäischen Staaten haben unterschrieben. Es ist ein bisschen zu
spät, nicht zu unterschreiben", sagte Michal Boni, der für
Internetangelegenheiten zuständige Minister, in einem Radio-Interview.
Polen habe sich seit 2008 an den Beratungen über das Internetgesetz
beteiligt und könne nun nicht einfach aussteigen. Da das Abkommen noch vom
Parlament ratifiziert werden müsse, um es rechtsgültig werden zu lassen,
würden die Konsultationen mit den Internet-Nutzern in den nächsten Monaten
geführt.
Kritiker wenden ein, dass die Reihenfolge falsch sei und die Betroffenen
zuerst gehört werden müssten, bevor ein internationaler Vertrag
unterzeichnet werde, der ihre Rechte stark einschränke.
Tatsächlich ist seltsam, dass das Abkommen ab 2006 von den USA und Japan
sowie ab 2008 auch von der EU und Staaten wie Kanada, der Schweiz,
Südkorea, Singapur, Australien, Neuseeland, Mexiko und Marokko unter
Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurden. Als Berater scheinen in
erster Linie die entsprechenden Industrie-Lobbys fungiert zu haben.
## Angst vor einer Internet-Polizei
Acht Staaten haben das Abkommen bereits unterzeichnet, am 16. Dezember 2011
auch der Europäische Rat – allerdings wiederum seltsamerweise – in einer
nichtöffentlichen Sitzung des Agrar- und Fischereirates.
Das wenig transparente Verfahren weckt nun bei Internet-Nutzern in immer
mehr Staaten den Verdacht, dass durch die Hintertür eines internationales
Vertrages ein neues Strafrecht etabliert werden soll, das am Ende die
Meinungsfreiheit massiv einschränken werde. Eine eigene Internet-Polizei
werde womöglich soziale Netzwerke wie Facebook überwachen und dann nicht
mehr erlaubte Verlinkungen von Filmen, Fotos oder Songs zur Anzeige
bringen. Es drohe die Kriminalisierung weiter Bereiche des Internets.
Die Stiftung Panoptykon, die sich unter anderem für besseren Datenschutz
einsetzt, hofft auf Straßburg. "Wenn das Europäische Parlament in Straßburg
dem Abkommen nicht zustimmt, kippt der ganze Vertrag", ist die
Panoptykon-Vorsitzende Katarzyna Szymielewicz überzeugt. "Das wäre die
Rettung."
25 Jan 2012
## LINKS
[1] http://www.premier.gov.pl/
[2] http://www.radeksikorski.pl/
[3] http://www.tvn24.pl/12690,1732375,0,1,polski-internet-szykuje-sie-na-dobrow…
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## ARTIKEL ZUM THEMA
ACTA-Ratifizierung ausgesetzt: Polen erinnert sich an die Bürgerrechte
Nach heftigen Protesten hat die polnische Regierung die Ratifizierung des
umstrittenen Antipirateriepaktes ACTA ausgesetzt. Der Grund: Netznutzer
seien bisher nicht zu Wort gekommen.
Justizministerin über Handelsabkommen: "ACTA ändert nichts"
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat Kritik am
Handelsabkommen ACTA zurückgewiesen. Es führe zu keiner veränderten
Rechtslage. Kritiker rufen zur Demonstration auf.
Nach Angriffen auf polnische Regierunsseiten: Hacker festgenommen
Ein polnischer Hacker ist festgenommen worden. Er wird beschuldigt, die
Seite des Präsidenten als Protest gegen das ACTA-Abkommen gehackt zu haben.
Strittiges Handelsabkommen unterzeichnet: EU unterschreibt ACTA
Die EU und 22 Mitgliedsländer haben das umstrittene Abkommen ACTA
unterschrieben. In Zukunft könnten Netz-Anbieter für
Urheberrechtsverletzungen von Kunden haftbar gemacht werden.
Kreativer Protest gegen SOPA: Wie Katzen grillen
Der Protest gegen das umstrittene US-Zensurgesetz SOPA kennt viele Formen -
nicht nur schwarze Seiten. Die wiederum führten bei etlichen Schülern zur
Verzweiflung.
Netzpolitik in Europa: Pflicht zur Überwachung
Die EU billigt ein Abkommen zum Schutz des "geistigen Eigentums".
Internet-Aktivisten und Wirtschaft warnen: Es bestehe Gefahr für
Meinungsfreiheit und Datenschutz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.