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# taz.de -- EU-Richtlinie für Finanzprodukte: Banken dürfen Anleger weiter re…
> Eigentlich wollte die EU Banken zwingen, ihre Kunden besser über Risiken
> ihrer Finanzprodukte aufzuklären. Daraus wird wohl nichts dank
> erfolgreicher Banklobbyisten.
Bild: Leere Taschen bei vielen Anlegern: Sie wurden von ihren Banken schlecht b…
BRÜSSEL taz | Die Europäische Union verpasst die Chance, die europäischen
Anleger in Zukunft besser zu schützen. In der sogenannten "Richtlinie über
Märkte für Finanzinstrumente" (Mifid), die zurzeit im EU-Parlament in
Brüssel diskutiert wird, sind die Auflagen für die Banken viel niedriger
als von Verbraucherschützern und Abgeordneten gefordert.
"Die Bankenlobby hat im Vorfeld enormen Druck auf die Europäische
Kommission ausgeübt. Sie hat es verpasst, einen umfassenden Anlegerschutz
in der Richtlinie zu verankern", sagt Sven Giegold, finanzpolitischer
Sprecher der grünen Fraktion im EU-Parlament.
Die Richtlinie sollte dafür sorgen, dass Banken ihren Kunden nur noch
Produkte verkaufen, die tatsächlich an die Bedürfnisse der Anleger
angepasst sind und sich nicht daran orientieren, wie die Bank den
größtmöglichen Gewinn machen kann. "Wir müssen die Bezahlung der
Bankberater so ändern, dass das Interesse der Kunden im Vordergrund steht.
Produktbezogene Provisionen müssen abgeschafft werden", sagt Monique Goyens
vom europäischen Verbraucherschutzverband Beuc.
Ursprünglich war in der Richtlinie genau das vorgesehen. Aber unter dem
Druck der Lobbyisten hat die EU-Kommission nur die Provision für
unabhängige Finanzberater gestrichen. Banken dürfen demnach ihre
Mitarbeiter weiterhin dafür entlohnen, dass sie ihren Kunden zum Beispiel
besonders risikoreiche Anlagen vermitteln. "Das ist nach wie vor ein großes
Problem. Wir haben allein in unserer Kanzlei über 200 geschädigte Anleger.
Bundesweit gehe ich von über 10.000 Betroffenen aus", sagt der Wuppertaler
Rechtsanwalt Marcus Benn, der sich auf Anlegerrecht spezialisiert hat.
## Von den Bankberatern betrogen
Besonders nach der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers
hatten zahlreiche deutsche Anleger gegen ihre Banken geklagt, weil sie
Zertifikate der Bank erworben hatten und sich nicht ausreichend über die
Risiken aufgeklärt fühlten. Die Hamburger Sparkasse (Haspa) erklärte sich
im Februar 2009 bereit, etwa eintausend Anlegern eine Entschädigung von 9,5
Millionen Euro zu zahlen, nachdem die Dresdner Bank vom Landgericht Hamburg
zum Schadensersatz verurteilt worden war. Bei der Haspa hatten etwa 3.700
Anleger Lehmann-Zertifikate im Wert von rund 54 Millionen Euro erworben.
Auch die Klienten von Marcus Benn fühlen sich von den Bankberatern
betrogen, wie etwa Ulrich Krane. Der Rentner hatte vor einigen Jahren bei
der Commerzbank nach einer Anlage zur Sicherung seiner Altersvorsorge
gefragt. Verkauft wurde ihm ein windiger Immobilienfonds in Indien. Sein
Berater hatte ihn als sichere Anlage angepriesen, aber schon wenige Monate
später musste der Fonds abgewickelt werden.
Über 20.000 Euro hat Ulrich Krane verloren. "Für meine Frau und mich ist
das bitter. Wir konnten unseren Lebensstandard nicht mehr halten. Zum
Beispiel können wir unserem Enkel nicht so viel Gutes tun, wie wir es gerne
möchten", sagt der Rentner. Er war von seinem Bankberater nicht darüber
informiert worden, wie viel Provision dieser für den Verkauf des Fonds
erhalten hat, was bereits in der bisher gültigen Mifid-Richtlinie
vorgeschrieben ist.
Die Grünen im EU-Parlament fordern, dass zumindest mehr Transparenz
hermuss. "Wenn die Provisionen nicht verboten werden, muss der Kunde
zumindest wissen, wie viel Provision sein Berater für einen Immobilienfonds
bekommt. Gleichzeitig muss man ihm sagen, wie wenig es gewesen wäre, wenn
er einen Bundesschatzbrief gekauft hätte", sagt Giegold.
So könne der Kunde zumindest vergleichen und dann selbst entscheiden, ob er
sich auf den risikoreicheren Deal einlassen will. Außerdem sollten Banken
nur noch Produkte anbieten dürfen, die sie nicht selbst auf den Markt
gebracht haben, die Berater sollen verpflichtet werden, den Kunden nach
seinen Sicherheits- und Renditewünschen genau zu befragen, fordert Giegold.
Für den Rechtsanwalt Marcus Benn wäre eine neue Rechtsgrundlage notwendig.
Bisher könne er sich in seinen Prozessen kaum auf Gesetze beziehen. Deshalb
sei es schwierig, für seine Klienten Schadenersatz zu erstreiten.
30 Jan 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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