# taz.de -- Fünf Renter entführen Finanzberater: Opa schlägt zurück | |
> Ein Finanzberater prellt Senioren um ihr Vermögen. Die verwirklichen den | |
> heimlichen Traum ruinierter Kleinanleger: Sie entführen den Mann. Eine | |
> Story voller Schurken. | |
Bild: Für die Renter ging es um viel Geld: rund 1,7 Millionen Euro wollten sie… | |
Vor der Wohnungstür des Anlageberaters James A. warten im Frühsommer 2009 | |
zwei ältere Herren, Roland K., 74, und Willi D., 60. Die beiden Rentner | |
sind wütend. Sie wollen ihr Geld zurück. Rund 2,4 Millionen Dollar. Sie | |
knebeln und fesseln den Mann. Fünfmal wickeln sie Klebeband um seinen Kopf, | |
sodass er nur noch durch ein Nasenloch atmen kann. Zur Sicherheit schlägt | |
ihm K. mit der Handkante kräftig gegen den Nacken. Dann stecken sie ihn in | |
die Kiste, Luft kommt durch ein Fliegengitter. Mit einer Sackkarre | |
transportieren sie ihr Paket durch die Altstadt von Speyer zu K.s Auto und | |
wuchten es in den Kofferraum. | |
Um vier Uhr früh hält der Wagen auf dem Anwesen der K.s in Traunstein. Sie | |
schleppen A. in ein Kellerverlies. Das Geld muss irgendwo in der Schweiz | |
sein, er soll es ihnen beschaffen. So lange muss er im Keller bleiben. | |
Vier Tage dauert die Entführung. Dann rammt ein Sondereinsatzkommando die | |
Tür ein. Die zwei Senioren und ihre drei Komplizen müssen in den Knast. | |
Seit sieben Monaten warten sie dort jetzt auf ihren Prozess, der am Montag | |
vor dem Traunsteiner Landgericht beginnt. Es drohen ihnen Haftstrafen bis | |
zu 15 Jahren. | |
In der Region stößt die Tat trotzdem auf Sympathie. Ein Mechaniker aus dem | |
Kreis Traunstein ließ K. über dessen Anwalt einen schönen Gruß ausrichten. | |
"Sagen Sie ihm, ich hätts genauso gemacht." | |
Diese fünf Rentner scheinen genau das getan zu haben, was sich viele | |
wünschen, sich aber keiner traut. Mitten im Jahr der Finanzkrise, im Jahr | |
der Kleinsparer-Insolvenzen, haben sie versucht, sich ihr Geld einfach | |
zurückzuholen - von dem Mann, dem sie es gutgläubig gegeben hatten. Viele | |
empfinden Genugtuung darüber, dass diese Alten sich nichts mehr gefallen | |
lassen von smarten Bankern und aalglatten Finanzberatern. Selbstjustiz, das | |
ist zwar nicht in Ordnung, aber eigentlich geschieht es ihm schon recht, | |
dem US-amerikanischen Weißkragen-Täter. So ist der Tenor. | |
Er passt nur nicht ganz zu dieser Geschichte. Denn am Anfang stehen ein | |
Immobiliengeschäft und die Aussicht auf 12 Prozent Rendite, die James A. | |
seinen Anlegern versprochen hatte. Ähnlich ging es wohl vielen, die | |
spätestens dann finanziell ruiniert waren, als die Finanzblase geplatzt | |
ist. Auf Anraten A.s gründeten die Senioren Firmen, unterschrieben ihre | |
Korrespondenz mit "President". Sie besaßen Villen im Rentnerparadies | |
Florida. Eine Methode, große Geldsummen am deutschen Fiskus vorbei | |
anzulegen. Über eine Million Dollar hatten K. und seine Frau seit 2000 | |
investiert. Wahrscheinlich trieb sie dasselbe Motiv wie ihren | |
Anlageberater: Gier. Dass der Weg zu den hohen Gewinnerträgen reichlich | |
dubios wirkte, störte sie zunächst nicht. Sie waren reich und wollten noch | |
reicher werden. Wie die prominenten Kunden des Finanzbetrügers Bernard | |
Madoffs. | |
Anfangs überweist der Finanzberater die garantierte Zinszahlung auch | |
regelmäßig. Als 2007 das Schneeballsystem zusammenbricht und nichts mehr | |
kommt, geht K. zum Anwalt in den USA. Es gelingt ihnen nachzuweisen, dass | |
die Investitionen nicht wie versprochen in Immobiliengeschäfte angelegt | |
wurden, sondern auf Schweizer Bankkonten verschwunden sind. | |
Ein Prozess wird angestrengt, doch A. setzt sich nach Deutschland ab, | |
heiratet eine Deutsche, es ist seine siebte Ehe. Die Ehepaare K. und F., | |
die sich mittlerweile zusammengetan haben, lassen nicht locker. Immer | |
wieder schickt K. Briefe an den Berater. Er droht ihm mit ein paar Russen, | |
die er kenne und die für wenig Geld jemanden verschwinden lassen könnten. | |
Doch die Drohgebärden beeindrucken den Amerikaner wenig. | |
Kein Wunder, dass die Wut der Rentner wächst, als sie sich von strahlenden | |
Villenbesitzern zu einfachen Betrugsopfern degradiert sehen. Immer wieder | |
weicht der US-Geschäftsmann ihren Kontaktversuchen aus. Sie fühlen sich | |
ohnmächtig, wollen sich das nicht gefallen lassen. Anders als andere Opfer | |
beschließen sie, sich zu wehren - und zwar mit Gewalt. Besonders K. ist | |
entschlossen. In seinem 74 Jahre langen Leben ist er immer wieder | |
ausgerastet. Zuletzt hat er im Flugzeug einem anderen Passagier vor Wut das | |
Hemd zerrissen, weil der ihn mit seinem zurückgelehnten Sitz beim Essen | |
störte. | |
K. ist kein harmloser Rentner. Er ist ein Choleriker, der auch schon wegen | |
Diebstahls verurteilt wurde. Immer wieder droht er dem gekidnappten A., er | |
werde sterben, wenn er das Geld nicht zahle. In seiner Garage liegt eine | |
durchgeladene Walther PPK. | |
A.s Rettung kommt ausgerechnet über die Schweiz. Dorthin schickt er Faxe | |
mit Zahlungsanweisung an seinen Bankvertreter. Auf eines schreibt er "SELL | |
CALL POL.ICE" - ein Code, den sein Mann in Zürich nach einem Rückruf | |
versteht. Er informiert die Polizei in Deutschland. Das SEK rückt an. | |
Nun beginnt der Prozess. Im Chiemgau wird mancher die Rentner wohl weiter | |
bewundern. Aber ihren Lebensabend werden mindestens zwei der fünf Senioren | |
hinter Gittern statt unter Palmen verbringen. | |
6 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Sunny Riedel | |
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