# taz.de -- Merkel besucht China: Pokerface auf Handelsreise | |
> Die Kanzlerin ist in China, das Land ist Deutschlands zweitwichtigster | |
> Handelspartner. Deshalb steht die Wirtschaft im Mittelpunkt, | |
> Menschenrechte kaum. | |
Bild: Angela Merkels Pokerface. | |
PEKING taz | Nicht viele ausländische Gäste werden so freundlich empfangen | |
wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bei ihrem dreitägigen Besuch in China, | |
der am heutigen Donnerstag beginnt, wird Premierminister Wen Jiabao die | |
Kanzlerin nicht nur in der chinesischen Hauptstadt treffen. | |
Er begleitet sie sogar in die südliche Metropole Guangzhou, um mit | |
einheimischen und deutschen Unternehmern über Geschäfte in China und | |
Deutschland zu sprechen. Später trifft sie Staats- und Parteichef Hu Jintao | |
und Wu Bangguo, Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses, des | |
chinesischen Pseudoparlaments. | |
Das Aufgebot hat seine Gründe: Schon jetzt ist China Deutschlands | |
wichtigster Handelspartner in Asien, im vergangenen Jahr erreichte der Wert | |
der gehandelten Güter 145 Milliarden Euro. Nur noch die Franzosen | |
importieren mehr aus Deutschland als die Chinesen. 2012 dürfte die | |
Volksrepublik der zweitgrößte Absatzmarkt deutscher Güter werden, vor den | |
USA. | |
Entsprechend soll auf Merkels fünfter Chinareise als Regierungschefin die | |
Wirtschafts- und Finanzpolitik im Mittelpunkt stehen. Die Kanzlerin will | |
den Chinesen die jüngsten Brüsseler Beschlüsse erläutern, die Schuldenkrise | |
der EU zu bewältigen und den Euro zu retten. Zudem will sie chinesische | |
Investitionen nach Deutschland locken. | |
Auf ihrer Gesprächsliste stehen auch strittige Themen wie die angestrebten | |
Sanktionen gegen den Iran, die Teheran daran hindern sollen, Atomwaffen zu | |
bauen. China wendet sich offiziell gegen Sanktionen, da der Iran ein | |
wichtiger Öllieferant ist. | |
## Merkel als Garant für chinesische Devisenreserven | |
Merkel genießt in China Respekt. Vergessen scheint die Zeit, als sie unter | |
Chinas Funktionären schlecht angesehen war, weil sie im Sommer 2006 den | |
Dalai Lama im Bundeskanzleramt empfangen hatte. Damals hieß es, Merkel | |
verstehe China nicht. In den Medien wird die Kanzlerin nun als eine der | |
stärksten politischen Persönlichkeiten in Europa vorgestellt. | |
Ihr Ziel, den Euro und die internationalen Finanzmärkte zu stabilisieren, | |
ist dabei auch im chinesischen Interesse. Das Land hat einen Teil seiner | |
riesigen Devisenreserven mittlerweile in Euro angelegt. | |
Derweil haben private und staatliche chinesische Konzerne in jüngster Zeit | |
damit begonnen, sich verstärkt in europäische Firmen einzukaufen: Jüngstes | |
Beispiel ist die Firma Sany Heavy Industries, die den schwäbischen | |
Betonmaschinen-Hersteller Putzmeister erwarb. Volvo ist seit fast zwei | |
Jahren im Besitz des ostchinesischen Unternehmen Geely. Der Erbauer des | |
Drei-Schluchten-Dammes am Jangtse übernahm im vergangenen Jahr ein Fünftel | |
des portugiesischen Energiekonzerns EDP. | |
## Über Menschenrechte sprechen | |
Menschenrechtsorganisationen fordern von der Kanzlerin, sich für | |
Bürgerrechtler und ethnische Minderheiten einzusetzen. Ihr Besuch fällt in | |
eine Zeit, in der das politische Klima im Land spürbar schlechter wird. In | |
tibetisch besiedelten Regionen Südwestchinas haben sich in den vergangenen | |
Monaten 16 Tibeter angezündet, um gegen die scharfen Kontrollen und | |
Repressionen durch die Behörden zu protestieren. | |
In anderen Teilen Chinas sind in den vergangenen Wochen Dissidenten zu | |
Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt worden, weil sie kritische | |
Gedichte oder Artikel im Internet veröffentlicht hatten. Merkel | |
versicherte, bei ihren Besuchen spreche sie "immer auch über die Achtung | |
der unveräußerlichen Menschenrechte und Fragen der Rechtsstaatlichkeit". | |
1 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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