Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozess beim Kika: Der Kinderkrimi
> Im Millionenbetrug beim Kinderkanal soll am Mittwoch schnell ein Urteil
> her. Die Großen versagen. Vielleicht müssten mal die kleinen
> Kika-Detektive ran?
Bild: Die Ermittler der Kinderkanal-Serie Krimi.de haben Erfahrung mit Dieben u…
Eigentlich wäre es an der Zeit, dass der Kinderkanal mal in eigener Sache
berichtet. So wie er in seiner Nachrichtensendung "Logo" mal aufklärt, was
denn beim Kika nun alles schiefgelaufen ist. Wo wie betrogen wurde und wer
die Verantwortung trägt.
Natürlich müsste auch gefragt werden, was dagegen unternommen wurde oder
wird und was mit denen passiert, die da über Jahre Millionen Euro
abgezweigt haben, die eigentlich dem Kika gehören. Und natürlich mit denen,
die eigentlich was hätten mitkriegen müssen.
Das Team der Kinderkrimi-Serie Krimi.de würde also mit seinen coolen
Fahrrädern am Erfurter Hauptquartier des Senders vorfahren, am Spielcasino
und am Landgericht. Beim Mitteldeutschen Rundfunk in Leipzig. Und bei der
Berliner Produktionsfirma Koppfilm.
Denn die Koppfilm war ganz schön wichtig bei der ganzen Betrugssause des
Kika-Herstellungsleiters Marco K. Der ist ja schon im vergangenen Sommer
vor Gericht gewesen und verurteilt worden, zu fünf Jahren und drei Monaten
Haft. Marco K. hat mit der Koppfilm zunächst ganz normal
zusammengearbeitet. Zum Beispiel bei der beliebten Kika-Weihnachtsserie
"Beutolomäus", an der die Koppfilm beteiligt war. Da hat sie auch richtig
für gearbeitet, Programmtrailer gemacht und so.
## Der Marco K. ist eigentlich ein Netter
Doch dann hat der Kika der Koppfilm Aufträge irgendwann weggenommen. Das
war natürlich schlimm. Und in diesem Fall sogar ganz besonders schlimm,
weil es der Firma wirtschaftlich gar nicht gut ging. Und weil der Marco K.
eigentlich ein Netter ist, hat er dann gesagt, Fabian B. von der Koppfilm
sollte bei der nächsten Rechnung einfach ein bisschen mehr draufschreiben.
Würde schon keiner merken, und bezahlen täte ja gar nicht der Kika. Sondern
der MDR in Leipzig, und das wär weit weg von Erfurt und die würden eh nur
gucken, ob auf dem Zettel irgendwer unterschrieben hätte und keine blöden
Fragen stellen. So hat das der Fabian B. schon beim Prozess gegen den Marco
K. ausgesagt, und so wird er das bestimmt auch am Mittwoch wieder erzählen.
Denn am Mittwoch muss der Fabian B. in Erfurt genau vor das gleiche
Gericht, vor dem auch der Marco K. schon gestanden hat. Die beiden haben
nämlich einfach weitergemacht, weil das mit den Rechnungen prima lief und
beim MDR in Leipzig tatsächlich keiner blöde Fragen gestellt hat. Am Ende
hat der Fabian B. für die Koppfilm über Jahre ganz viele Rechnungen an den
Marco K. geschickt, für Sachen, die Koppfilm angeblich für den Kika gemacht
hat. Nur hat sie die gar nicht gemacht!
## Weil der Marco K. wichtiger war, hat er mehr bekommen
Aber der Marco K. hat dem MDR in Leipzig gesagt, dass das alles richtig
wäre. Und der MDR hat keine blöden Fragen gestellt, sondern bezahlt. Knapp
7 Millionen Euro vom Kika-Geld sind so für nichts an die Koppfilm bezahlt
worden. Das Geld haben sich der Marco K. und der Fabian B. dann geteilt,
und weil der Marco K. wichtiger war, hat er mehr bekommen, so rund 60
Prozent.
Vor Gericht geht es jetzt allerdings nur um 4,6 Millionen Euro, die Marco
K. und Fabian B. den Kindern und dem Kika geklaut haben. Denn der Richter
darf nur die komischen Rechnungen ab 2005 nehmen, der Rest der Fälle ist
bereits verjährt. Der Marco K. hat gesagt, er habe das Geld verspielt, weil
er nämlich spielsüchtig war und fast jeden Abend im Erfurter Casino. Und
wenn er mal woanders war, in Berlin zum Beispiel oder in Las Vegas, dann
ist er eben da ins Casino gegangen und hat dann da furchtbar viel Geld
verspielt, das eigentlich dem Kika gehörte.
Der Fabian B. hat nun schon letztes Jahr im Sommer im Prozess gegen den
Marco K. gesagt, er hätte seinen Teil von dem ganzen Geld gebraucht, weil
es der Koppfilm doch so schlecht ging. "Ich wollte die Firma retten, mit
allen Mitteln." Die Idee für den Betrug hätte aber der Marco K. gehabt.
"Ich wäre gar nicht in der Position gewesen, einen solchen Vorschlag zu
machen", hat Fabian B. damals gesagt, weil er beim Kika nicht so mächtig
war wie der Marco K. und beim MDR schon gar nichts zu sagen hatte. Der
Marco K. hätte dann immer angerufen oder eine SMS geschickt und danach noch
ein Fax. Da stand dann drauf, welche Dinge die Koppfilm auf ihre
Scheinrechnung schreiben sollte.
## Die wollen da wohl gar nichts Neues aufklären
Vielleicht würden sich die jungen Kika-Ermittler dann noch wundern, dass
der Prozess gegen den Marco K. ganz schön lange gedauert hat, beim Fabian
B. aber gleich wieder Schluss sein soll. Jedenfalls haben die das beim
Erfurter Landgericht so geplant: Ein einziger Prozesstag ist nur angesetzt.
Die wollen da wohl also gar nichts Neues aufklären, oder mal genauer
schauen, ob da nicht etwas grundsätzlich schiefgelaufen ist bei einem
öffentlich-rechtlichen Sender. Sondern nur das wiederholen, was eh schon
bekannt ist.
Dass der Fabian B. nämlich Ende 2010 plötzlich kalte Füße bekommen hat. Und
dem Marco K. anstelle einer letzten komischen Rechnung geschrieben hat,
dass das so nicht weitergehen kann. Und dann ist der Fabian B. selber zum
Staatsanwalt gegangen und hat sich angezeigt. Dafür bekommt er bestimmt
eine viel niedrigere Strafe. Denn dass sich der Fabian B. selber angezeigt
hat, war richtig wichtig. Sonst wär die Geschichte vielleicht nie
herausgekommen.
Obwohl der Chef vom Kika, also der Chef vom Marco K., der vorher nix
gemerkt hatte, im Prozess ja gesagt hat, dass sie plötzlich doch was
gemerkt hatten und dass bestimmt auch ohne die Anzeige vom Fabian B. alles
rausgekommen wäre. Aber dafür hat sich das Gericht im letzten Sommer nicht
weiter interessiert.
Das Gericht hat sich auch nicht so besonders dafür interessiert, warum die
anderen beim Kika und beim MDR in Leipzig nichts gemerkt haben. Dafür
wollte es das mit der Spielsucht von dem Marco K. ganz genau wissen. Sie
haben im ersten Prozess also ganz viele Mitarbeiter vom Erfurter Kasino als
Zeugen vernommen - und gar keinen vom MDR.
Das war schon komisch. Weil es jetzt auch Leute gibt, die sagen, dass der
Marco K. bestimmt ganz oft im Kasino war, aber so viel Geld da gar nicht
verspielen konnte, weil das Kasino ja nur abends aufhat und der Marco K.
nebenbei ja bis zum Schluss viel gearbeitet hat und zwischendurch ja auch
mal weg war und es nicht überall so ein Kasino gibt, wo man ganz viel Geld
verlieren kann.
## Man merkt doch, wenn es einem nicht gut geht
Vielleicht interessieren sich die Kika.de-Detektive auch dafür, warum die
Koppfilm vom Fabian B. so pleite war, dass sie ganz viel Geld aus dem
Kika-Betrug brauchte, und dass keiner das mit der Pleite gemerkt hat. Ist
doch auch komisch: So groß war die Firma ja gar nicht, und wenn es um
Kinderfilm-Firmen geht, kennen sich die Macher untereinander ziemlich doll
und feiern zusammen Geburtstag und so. Da merkt man doch, wenn es einem
nicht gut geht und wundert sich vielleicht, woher der dann plötzlich Geld
hat.
Das ist natürlich viel verlangt von jungen Ermittlern. Wie bei Enid Blyton
könnten die Kika.de-Spürnasen bei ihrem "Rätsel um … die verschwundenen
Kika-Millionen" aber auf einen guten Freund bei den Erwachsenen
zurückgreifen. Der heißt Ingmar Weitemeier, war früher mal Chef des
Landeskriminalamts in Mecklenburg-Vorpommern, und soll beim MDR gucken, was
da alles schiefgelaufen ist und dafür sorgen, dass so etwas nicht noch mal
passiert.
Zusammen könnten sie noch mal fragen, warum eigentlich andere
Produktionsfirmen teilweise die Verteidigung von Marco K. beim Prozess
letztes Jahr bezahlt haben. Und gucken, ob das Kika-Geld wirklich ganz weg
ist – oder ob es, wie der Ingmar Weitemeier schon mal angedeutet hat,
vielleicht doch nur ganz wo anders versteckt ist!
## Thomas Gottschalk als Verstärkung?
Toll wär natürlich, wenn sie am Ende wie bei Enid Blyton das Geld wirklich
finden würden. Denn dann hätte es der Kika endlich wieder. Und dann müsste
nicht das arme Bernd, das Brot die ganze Kika-Nacht bestreiten. Sondern sie
könnten noch jemanden als Verstärkung holen, Thomas Gottschalk zum
Beispiel. Da, wo er im Moment im Fernsehen ist, macht es ihm nicht so dolle
Spaß.
Doch bis die Kika.de-Detektive das Versteck finden, muss der Kinderkanal
mit einer ganzen Million Euro pro Jahr weniger auskommen. Das ist ungefähr
so viel wie das, was Marco K. und Fabian B. jährlich mit den komischen
Rechnungen in ihre Taschen umgeleitet haben.
Und weil der Kika und die beim MDR das Geld ja nicht vermisst und nichts
gemerkt haben, soll der Kika jetzt ohne die eine Million auskommen, haben
gerade die Chefs der ARD noch mal beschlossen. Denen gehört nämlich der
Kika. Das ist voll gemein – und echt nicht kindgerecht.
15 Feb 2012
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
ARD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jahresbilanz der MDR-Intendantin: Keine für Klüngel
Seit einem Jahr ist Karola Wille die Frau an der Spitze des von Skandalen
erschütterten MDR. Dicke Bretter zu bohren macht ihr sichtlich Spaß.
Kika-Prozess in Erfurt: Zwei Jahre Haft auf Bewährung
Er hat sich selbst angezeigt und kommt deshalb um eine Gefängnisstrafe
herum. Im Kika-Prozess ist das Urteil gefallen: Der Ex-Geschäftsführer
bekommt eine Bewährungsstrafe.
Die Medienlandschaft 2011: Wann darf "Wetten, dass ..?" sterben?
Warum musste die Super-Nanny gehen? Wo sind die Millionen des Kika? Das
vergangene Jahr ließ viele Fragen der Medienwelt offen. Eine Bitte um
Antwort.
Chef von ARD-Tochter Degeto muss gehen: Komplexe Schmonzette
Die ARD-Produktionstochter Degeto feuert ihren Chef: Hans-Wolfgang Jurgan
gab zu viel Geld aus. Das Rennen um seine Nachfolge ist eröffnet.
Neuer MDR-Chef: Bernd Hilder wird doch nicht Intendant
Bei der Wahl zum Chef des Mitteldeutschen Rundfunks ist Bernd Hilder
gescheitert. Grund könnte auch seine angebliche GEZ-Gebührenanmeldung sein.
Nach Rundfunkrat-Sondersitzung: Die Bomben eines heißen Sommers
Bei der Aufklärung der Geldgeschäfte des MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht
bleibt ein Verdacht: Der Fall Foht könnte sich auf die ganze ARD ausweiten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.