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# taz.de -- Nach Rundfunkrat-Sondersitzung: Die Bomben eines heißen Sommers
> Bei der Aufklärung der Geldgeschäfte des MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht
> bleibt ein Verdacht: Der Fall Foht könnte sich auf die ganze ARD
> ausweiten.
Bild: Geschunkelt wird beim MDR wohl gerade weniger als hier mit Florian Silber…
Vielleicht hätten sie das Ganze wenigstens wie bei "Heißer Sommer"
aufziehen sollen, diesem bis heute tageslichttauglichen DDR-Musical von
1968, in dem Chris Doerk ihren Frank Schöbel anschmachtet, man sich
trotzdem streitet wie die Kesselflicker, viel singt und öffentlich durchs
buntsozialistische Leipzig tanzt. Wenn der Film heute noch mal gedreht
würde, dann jedenfalls vom MDR. Und zuständig wäre natürlich
MDR-Unterhaltungschef Udo Foht.
Doch getanzt wurde nicht wie im Film vor dem Leipziger Gewandhaus, sondern
im Sitzungssaal des MDR-Zentrums in der Südvorstadt, und von Öffentlichkeit
konnte keine Rede sei. Die Sondersitzung des MDR-Rundfunkrats zum nächsten
in der langen Reihe von MDR-Skandalen fand hinter verschlossenen Türen
statt.
Im Mittelpunkt - zumindest nach offizieller Tagesordnung: Die seltsamen
Machenschaften von Foht, der sich in der gut vernetzten
Unterhaltungsbranche über Jahre munter Geld in fünf- bis sechsstelliger
Höhe lieh und erklärte, er wäre im Auftrag seines Senders unterwegs - und
dummerweise mal vergaß, die Leihgaben zurückzuzahlen. Deshalb soll ihm nun
fristlos gekündigt werden.
Immerhin: Wie im Film kann die ARD nun singen, "Sieh nur wie das Barometer
steigt", denn der Fall Foht weitet sich aus. Zumindest der SWR hängt schon
mit drin. Als am Mittwoch in Leipzig die MDR-Gremien ihren Intendanten
grillten, schrieb SWR-Chef Peter Boudgoust in Stuttgart an seine Gremien,
kündigte absolute Transparenz an und konnte noch eine Merkwürdigkeit zur
absurden Geschichte hinzufügen. Denn der beim MDR festangestellte Foht
(Jahresgehalt rund 140.000 Euro) beriet nicht nur nebenberuflich die vom
SWR verantwortete ARD-Schunkelsendung "Immer wieder sonntags".
## "Ich brauche keine Publicity"
Foht tat das praktischerweise auch gleich noch doppelt: Der
MDR-Unterhaltungschef, unbestritten eine Kapazität auf dem Gebiet des
angeblich volkstümlichen Schlagers, half einmal der zuständigen
SWR-Redaktion. Und Foht hatte dann noch einen separaten Beratervertrag mit
der Produktionsfirma von Werner Kimmig, die die Sendung für den SWR
produzierte. Werner Kimmig war nach einem Bericht der Welt auch
eingesprungen, als sich im September 2009 ein ums Geld geprellt fühlender
Musikmanager an MDR-Intendant Reiter persönlich wandte. Reiter delegierte
die Angelegenheit an seinen Fernsehdirektor Wolfgang Vietze, der ließ Foht
kommen und wies ihn an, die Sache aus der Welt zu schaffen - und dann
zahlte Kimmig.
Warum, weiß der umtriebige Event-TV-Mann aus Oberkirch im Schwarzwald
allein. Doch der behälts für sich: Kimmig ist aktuell für niemanden zu
sprechen. Der taz sagte er schon vor Jahren: "Meine Kunden sind die zwanzig
Unterhaltungschefs der deutschen TV-Sender. Ich brauche keine Publicity."
Wie wahr.
Wie sehr sich der Fall Foht noch ausweiten und unter Umständen der gesamten
ARD noch mehr Kopfzerbrechen als ohnehin bereiten könnte, weiß derzeit vor
allem ein Mann: Ingmar Weitemeier. Der ehemalige LKA-Chef leitet eine
interne Untersuchungskommission im MDR-Auftrag. Und sieht sich selbst, so
berichten es MDR-Rundfunkräte, noch ganz am Anfang. Es ginge derzeit um "20
Komplexe", in denen ermittelt werde - und "nicht nur um Foht", habe
Weitemeier eher nebulös gesagt.
Im Zusammenhang mit dem Unterhaltungschef seien bisherigen Erkenntnissen
zufolge acht bis zehn Firmen beteiligt. Ein weiterer ominöser Vertrag sei
aufgetaucht mit einer Jahresdotierung von 40.000 Euro, wofür, sei unklar.
Dass es wie beim Skandal um den Erfurter Kinderkanal Scheinrechnungen
geben, auch Korruption oder Geldwäsche nicht ausgeschlossen werden könnten,
habe Weitemeier betont. Schon das eine neue, gar nicht kleine Bombe.
## Grobmotoriker als Strippenzieher
Und dann war da noch das Gefühl, selbst Weitemeier halte etwas zurück. Denn
der Ermittler hatte Bilder herumgereicht, die zeigten, dass Foht
Dienstvorgänge in seinem Büro auch schon mal "sehr lose sortiert in
Plastiktüten ablegte", erinnert sich ein Rundfunkrat. Diese Bilder waren
Teil einer ursprünglich für die Rundfunkräte vorbereiteten Präsentation -
die aber gar nicht präsentiert wurde.
Zumindest der Grund dafür liegt auf der Hand: Auch wenn Aufklärung im MDR
mehr als Not tut, verkämpfen sich der Sender und seine Gremien lieber auf
dem politischen Kriegsschauplatz. Es ist Wahlkampf - um das höchste Amt im
MDR. Am Montag will der Verwaltungsrat ungeachtet aller offenen Fragen
mögliche KandidatInnen sichten und dann dem Rundfunkrat einen Namen zur
Wahl vorschlagen.
Schon am 25. September könnte der die Personalie dann mit der
vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit abnicken. Auf diesen Zeitplan pocht
auch Udo Reiter, der sich so halbwegs intakt in den vorgezogenen Ruhestand
verabschieden könnte. Reiter hatte schon während des Kika-Skandals im Mai
überraschend angekündigt, vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen
abzutreten, sobald ein Nachfolger gefunden sei.
Bei so viel politischer Intrige stören zu viele Details nur. Zumal in
Sachen Intendantenkür Grobmotoriker wie Sachsens Staatskanzleichef Johannes
Beermann (CDU) die Strippen ziehen. Und der hat vor allem ein Ziel: die
intern als Favoritin gesetzte Justitiarin Karola Wille zu verhindern.
Für Beermann geht es dabei um eine ganze Menge: Seit ein paar Monaten
koordiniert er die Medienpolitik der unionsregierten Bundesländer. Seinen
Kandidaten Bernd Hilder durchzudrücken sollte sein Gesellenstück werden.
Doch der heutige Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung gilt selbst für
an Schlimmes gewöhnte MDR-Journalisten als zu CDU-nah, provinziell und
Statthalter der Dresdner Regierung. Und nicht nur die politischen Gegner
widersetzen sich dem sächsischen Durchmarsch. Weil Beermann zu ungeschickt
in den landsmannschaftlichen Gefühlswelten der Dreiländeranstalt MDR
agiert, verweigern sich nun auch seine Parteifreunde aus Sachsen-Anhalt und
Thüringen - und lassen Sympathien für Karola Wille erkennen.
Beermann gilt denn auch als Drahtzieher hinter den "Enthüllungen" über
Willes DDR-Vergangenheit. Vor zwei Wochen zitierte der Spiegel aus Willes
Doktorarbeit von 1985 ("Der Rechtsverkehr in Strafsachen zwischen der DDR
und anderen sozialistischen Staaten unter besonderer Berücksichtigung der
Übernahme der Strafverfolgung") angeblich Ungeheuerliches: Dort werde "dem
Sozialismus gehuldigt", so das Magazin. Dass zwischen den zwei als Beleg
angeführten Halbsätzen über die "historische Mission der Arbeiterklasse"
und die "Vorzüge des Sozialismus" 113 Seiten liegen und sich sonst kaum
"belastbares" Material in der Dissertation, die der taz vorliegt, findet,
schreibt es nicht.
## Allein im Sperrfeuer
In der Sitzung am Mittwoch versuchte sich die Sachsen-Union im Rundfunkrat
dann noch mal am ganz großen Coup. Nach gut anderthalb Stunden unterbrach
sich der Rundfunkrat, berichten Teilnehmer. Die Sitzungspause indes war gar
keine, vielmehr wurden nur die Vertreter der Rechtsaufsicht, die
Protokollanten und die übrigen MDR-Direktoren vor die Tür geschickt.
Drinnen, wo nur noch Reiter, Wille und Ermittler Weitemeier den
Gremienvertretern gegenübersaßen, ging es dann rund - fast zweieinhalb
Stunden lang. Mehrfach sei Reiter dann von CDU-Politikern im Rundfunkrat
zum Rücktritt gedrängt worden, heißt es.
Das Motiv, so die Pro-Wille-Fraktion: Die Justitiarin ist Reiters
Stellvertreterin und hätte bei einem Rücktritt Reiters bis zum 25.
September allein im Sperrfeuer gestanden. Aber Reiter blieb Reiter -
mehrfach wies der Intendant darauf hin, dass ihn der Rundfunkrat jederzeit
mit Zweidrittelmehrheit abberufen könne. Doch für einen solchen Antrag fand
sich, als die Sitzung offiziell weiterging und wieder Protokoll geführt
wurde, keiner, der ihn stellte.
So bleibt am Ende: Ein immer noch nicht wirklich aufgearbeiteter
MDR-Skandal beim Erfurter Kinderkanal, der durch den nächsten Skandal um
Unterhaltungschef Udo Foht ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Eine
zutiefst frustrierte Mitarbeiterschaft, die auf einer Personalversammlung
am späten Mittwochnachmittag noch mal ihrem Unmut freien Lauf ließ, alles
aus der Zeitung zu erfahren und selbst angewiesen zu sein, "die Füße
stillzuhalten".
Eine Favoritin für das höchste Amt beim MDR, die eine entscheidende Frage
noch nicht beantwortet hat: was sie als stellvertretende Intendantin und
juristische Direktorin des MDR gewusst, geahnt - und getan hat. Und der
Verdacht, dass vermutlich alles noch viel dicker kommt - für den MDR wie
für den gesamten Unterhaltungsbereich der ARD. Heißer Sommer, in diesem
Jahr.
1 Sep 2011
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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