Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Intendantensuche beim MDR: Briefwechsel und Kandidatenkür
> Der aktuell nicht ganz ausgelastete MDR-Intendant Udo Reiter schreibt der
> "Welt" einen süffisanten, waidwunden Brief. Derweil läuft intern die
> Intendanten-Kandidatenkür.
Bild: Die drei potenziellen Kandidaten für den Posten des MDR-Intendanten (v.l…
Wenn sich hohe Herren offene Briefe schreiben, ist das zuweilen ganz
lustig, aber vor allem immer ein Hinweis darauf, dass von Wesentlicherem
abgelenkt werden soll. Schon vergangene Woche fand also der aktuell nicht
ganz ausgelastete Intendant des MDR, Udo Reiter, Zeit und Raum, der Welt
ein paar ironische Zeilen zu schreiben.
"Ich möchte nicht versäumen, Ihnen zur Berichterstattung Ihrer Zeitung vom
30. August 2011 über den MDR zu gratulieren. Wie Sie aus einem relativ
kargen Sachverhalt, der obendrein schon seit Wochen bekannt ist, eine
Seite-Eins-Aufmacher und noch eine weitere Seite im Blatt füllen, das ist
zumindest quantitativ eine journalistische Meisterleistung. Zumal die Welt
es verschmerzen muss, dass die Superillu bereits am 11. August 2011 den
vermeintlichen Scoop im Blatt hatte", schrieb Reiter nach der Sondersitzung
des MDR-Rundfunksrats am 31. August.
Und meint die von ihm noch eine halbe Woche lang zunächst dementierte
Enthüllung, dass der MDR-Intendant und sein Fernsehdirektor mindestens seit
2009 vom kreativen Finanzgebahren ihres Unterhaltungschefs Udo Foht wussten
(taz vom 19.08.). Und dann hat Reiter gezählt: Das, was bislang bekannt ist
im x-ten Skandal des MDR, vor allem das, was die Welt wusste "reicht
natürlich nicht für eine größere Geschichte, da muss nachgerüstet werden.
Das geht nach Lage der Dinge nur mit 4 x "vielleicht", 1 x
"möglicherweise", 4 x "könnte", 1 x "dürfte", 1 x "wohl", 4 x "angeblich" –
insgesamt 15 Mutmaßungen", lässt Reiter süfisant auflisten. Und schliesst
mit einem Satz, der zeigt, dass es dem ausgebufftesten Spieler der ARD
jetzt bei aller Chuzpe doch an die Nieren geht: "Ich bin sicher, Ihr Autor
hätte in dieser Situation von Anfang an alles ganz anders gemacht. Wir
warten mit großem Interesse auf seine nächsten ‘Enthüllungen’." Waidwund…
geht’s nicht.
Was macht ein kluger Chefredakteur mit einem solchen Brief, den Reiter mit
dem Hinweis, die Welt habe die "Verfehlungen" des MDR ja auch bundesweit
bekannt gemacht, munter verteilen lies? Er genießt und schweigt.
## Ironie darf nur taz-Genosse
Doch hier geht es um Springers Welt, also meldet sich jetzt ihr
Chefredakteur Jan-Eric Peters genauso öffentlich zu Wort: "Vielen Dank für
Ihre Gratulation zu unserer Berichterstattung, auch wenn sie vielleicht
nicht aus tiefstem Herzen kommt. Unsere beiden Reporter tragen in der Tat
seit Wochen mit immer neuen Enthüllungen maßgeblich zur Aufklärung der
dubiosen Vorgänge in Ihrem Haus bei. Ein gutes Beispiel für investigativen
Journalismus." Darf Ironie bei Springer wirklich nur, wer auch offensiv
taz-Genosse ist? Vieles spricht dafür. Peters beschwert sich dann noch,
dass Reiter, der seit Wochen keine Anfragen beantwortet, auch die der Welt
seit dem 26. August nicht beantwortet hat, ergeht sich in länglichem
Eigenlob und fragt nochmal knallhart: "Wie erklären Sie die erstaunliche
Verzögerung gerade in einem Punkt, der Ihre persönliche Verantwortung als
Intendant betrifft?"
Gar nicht, geht auch nicht. Reiter ist ohnehin weg vom Fenster. Womit wir
beim Wesentlicheren wären, von dem abgelenkt wird: Seit heute vormittag
sitzt der siebenköpfige MDR-Verwaltungsrat im ehemaligen Leipziger
Schlachthof, der heute passenderweise die MDR-Zentrale beherbergt, und
steitet sich um Reiters Nachfolge. Im Rennen sind – wohl mittlerweile
chancenlos – der Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Bernd Hilder,
der als zu CDU-nah provinzielles Licht gilt. Dann folgt Helfried Spirta,
ein ehemaliger MDR-Mann, der seit 2001 beim WDR Kariere macht, und der
durchaus nach Höherem strebt – vor ein paar Jahren interessierte er sich
bereits für die TV-Programmdirektion beim NDR. Doch für Spitra spreche nur,
dass er in den jüngeren MDR- Skandaljahren schlicht nicht mehr beim Sender
war – und das sei doch ein bisschen wenig, heisst es auf den MDR-Fluren.
Die Inhouse-Kandidatin ist – von Außnahmen abgesehen – klar MDR-Justiziarin
Karola Wille. Sie treibt die Aufklärung in Sachen Foht massiv voran und
organisierte dessen Suspendierung Ende Juli. Doch sie gehört seit Jahren
zur Führungsspitze des Senders und ist sogar stellvertretende Intendantin.
Intern heißt es, die Männerclique um Reiter habe sie von vielen
entscheidenden Prozessen ausgeschlossen. Wenn sie das plausibel belegen
kann, ist sie hier schon mal durch. Eine Entscheidung soll bis heute Abend
fallen. Der MDR-Rundfunkrat wird über die Entscheidung des Verwaltungsrats
dann am 25. September befinden – zum Erfolg braucht es auch hier eine
Zwei-Drittel-Mehrheit. Hier könnte es für Wille nochmal eng werden.
5 Sep 2011
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Korruptionsskandal beim MDR: Ein bisschen Reue zum Abschied
Der scheidende MDR-Gründungsintendant Udo Reiter hat Rundfunkgeschichte
geschrieben - im Negativen wie im Positiven. Ein großer Spieler war er
auch.
ARD pocht auf Unabhängigkeit des MDR: Aufklärung Fehlanzeige
Trotz aller Skandale hat die ARD ihren MDR-Intendanten Udo Reiter noch
lieb. Seinen Nachfolger soll der Rundfunkrat einfach so lange wählen, bis
das Ergebnis der Politik passt.
Wahl des MDR-Intendanten: Das Gesicht des Schwarzfunks
Mit Bernd Hilder würde der Lieblingskandidat der sächsischen Staatskanzlei
an die Spitze des MDR rücken. Ein Mann, der weiß, was er will.
Wahl des MDR-Intendanten: Der qualifizierte Herr Hilder
Der Chefredakteur der "LVZ", Bernd Hilder, soll neuer MDR-Chef werden. Den
neuesten Dreh im Skandal um Unterhaltungschef Foht muss aber noch der alte
Intendant aussitzen.
Kommentar Wahl des MDR-Intendanten: Doppelskandal hält besser
Beim MDR sollen die Zeiten konserviert werden, als die Dresdner
Staatskanzlei über die Köpfe ihrer Untertanen verfügte. Das muss der
MDR-Rundfunkrat endlich stoppen.
Nachfolge des MDR-Intendanten: CDU-Favorit Hilder schafft erste Hürde
LVZ-Chefredakteur Bernd Hilder soll den skandalumwölkten MDR-Intendanten
Udo Reiter beerben. Das freut die sächsische Staatskanzlei, aber kaum einen
beim Sender.
Nach Rundfunkrat-Sondersitzung: Die Bomben eines heißen Sommers
Bei der Aufklärung der Geldgeschäfte des MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht
bleibt ein Verdacht: Der Fall Foht könnte sich auf die ganze ARD ausweiten.
Betrugsskandal beim MDR: Aufklärung in dünnen Scheiben
Intendant Reiter weiß schon seit September 2009 um die Geschäfte des
suspendierten Unterhaltungschefs. Er lässt die Wahrheit nun Scheibchen für
Scheibchen heraus.
Betrugsskandal beim MDR: Herzlein, du muss nicht traurig sein...
Der MDR soll schon seit zwei Jahren über die kreativen
Geldbeschaffungsstrategien des suspendierten Unterhaltungschefs Udo Foht
informiert gewesen sein.
Öffentlich-rechtliches Fernsehen: Immer Ärger mit dem Schunkelsender
Nach dem Kika-Skandal plagt den MDR ein neuer Betrugsverdacht. Was bei
einer Anhörung herauskam, bleibt unter Verschluss – und so kursieren
Spekulationen.
Kolumne Die Kriegsreporterin: Öffentlich-rechtlich ist nicht Tutti-Frutti
Der MDR lässt die Fernsehpuppen Ballett tanzen – und ist der einzige
Sender, der die Ossis versteht und sie so nimmt, wie sie sind. Mittelmäßig,
Dämlich, Rudimentär.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.