# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Öffentlich-rechtlich ist nicht Tutti… | |
> Der MDR lässt die Fernsehpuppen Ballett tanzen – und ist der einzige | |
> Sender, der die Ossis versteht und sie so nimmt, wie sie sind. | |
> Mittelmäßig, Dämlich, Rudimentär. | |
Hallo taz-medienredaktion! Wasser. Nichts als Wasser rund um meinen Posten. | |
Von oben nach unten. Stundenlang. Grau ist mein Ausspähort, grau ist mein | |
Gemüt. So traurig ist es hier. So traurig stimmen die Gestalten, die um die | |
Sendegebäude des MDR schleichen. Und in ihnen herum. Lauter armselige | |
Tölpel, für die die Sonne nicht scheint. | |
Der eine spielsüchtig und recht clever das Geld des Steuerzahlers für sein | |
Vergnügen verwendend, der andere so verzweifelt in seinem Bestreben, gutes | |
Fernsehen zu machen, dass er Freunde und Bekannte anpumpt, ein paar Kröten | |
rauszurücken, damit er, der Unterhaltungschef, die Fernsehpuppen nicht nur | |
tanzen lassen kann, sondern damit die auch mehr anhaben als nur ein | |
Höschen. Ist ja immer hübsch, so ein Fernsehballett. Und bei so viel | |
Wackelei mit den Beinen muss da auch ein bisschen Stoff dran sein. Ist ja | |
öffentlich-rechtlich und nicht Tutti-Frutti. Ist ja MDR. Der einzige | |
Sender, der die Ossis versteht und sie so nimmt, wie sie sind. Mittelmäßig, | |
Dämlich, Rudimentär. | |
Deswegen ist es ja auch so schwer, einen Menschen zu finden, der den | |
Intendanten Udo Reiter ersetzt. Schließlich ist der MDR der erfolgreichste | |
Sender der dritten Programme. So viele Arbeitslose! So viel Zeit, | |
Flachfernsehen zu schauen! Aber auch woanders fällt Regen. Ich will mich | |
gar nicht so lang bei den traurigen Herren aufhalten und auch mal zu denen | |
gucken, die im Kleinen unermüdlich werkeln: Die tapferen Redakteure von | |
Springer. Für das Grundverständnis ihres Schaffens hat Kai Diekmann, | |
Chefredakteur der Bild, laut Spiegel online folgende Worte: "Wir bieten | |
über bild.de Online-Fernsehen an. Da orientieren wir uns, was die Wahrheit | |
betrifft, ganz an unserem Printbereich." Gut zu wissen. Nicht, dass man in | |
die Gefahr kommt, anzunehmen, das hätte was mit Qualität zu tun. | |
Zum Wiehern sind auch die Pläne des Klambt Verlages. Der nämlich will ein | |
"Social Petwork" einrichten, ein soziales Netzwerk für Tiere. Bzw. deren | |
Halter, denn selber tippen können Hamster, Katz und Goldfisch ja nicht. Die | |
Viecher, mit denen man hier im Schützengraben zu tun hat, sind eher Läuse, | |
Zecken, Sackratten. Und Asseln. Keine Ahnung, ob man mit denen im Angebot | |
viele Freunde findet, sicher aber werden die Handyfotos toll werden. | |
Zum Schluss möchte ich noch eines loswerden. Ich war mal fresssüchtig. Und | |
tablettenabhängig. Und kleptomanisch. Und ja, ich wollte mich umbringen. | |
Mehrmals. Mein Hamster hat mir das Leben gerettet. Seine Kulleraugen, das | |
leise Kitzeln seiner Barthaare an meiner Wange hat mich vor dem Sprung aus | |
dem dritten Stock bewahrt. Außerdem habe ich im Park die Reste aus leeren | |
Flaschen geschlürft und mir vorgestellt, ich rutsche eine Rutsche mit | |
Granitbelag herunter. Immer wieder. Das war ein Zwang. Dabei habe ich mich | |
geritzt. Mit einer Plastikgabel von Air Berlin. | |
Obendrein habe ich Zahnpasta geschnüffelt und Aufmerksamkeit gebraucht. | |
Heute bin ich geheilt. Deshalb kreische ich nicht mehr nach Aufmerksamkeit, | |
sondern schreibe ein Buch und nenne mich Charlotte Roche. Pünktlich zum | |
Erscheinen gebe ich – dem Spiegel natürlich – aber doch ein Interview, in | |
dem ich mal so eben alles, was mich interessant machen könnte, erzähle. | |
Also von meinen Süchten. Und dass ich mich umbringen wollte, neulich. "Die | |
Selbstoffenbarung als Fetisch der modernen Kommunikation" hat irgendein | |
Schlaufuchs so ein Verhalten genannt. Charlotte nennt es wahrscheinlich ein | |
Angebot zum Gespräch. Sie möchte mit euch reden. Nur mal mit euch reden. Im | |
Rückwärtsgang zurück nach Berlin! | |
9 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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