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# taz.de -- Sanktionspolitik der EU: Ein Maulkorb für Ungarn?
> Die Abgeordneten des Europaparlaments erwägen, dem Land das Stimmrecht zu
> entziehen. Denn Budapest gefährde demokratische Grundwerte.
Bild: Könnte bald noch mehr Druck aus Brüssel bekommen: Ungarns Regierungsche…
BRÜSSEL taz | Das Europäische Parlament will die Mitgliedsstaaten der Union
dazu auffordern, Ungarn die Stimmrechte in den EU-Gremien zu entziehen,
sollte die Orbán-Regierung nicht ihre umstrittenen Gesetzesänderungen
zurücknehmen. Diese gefährden, so die Abgeordneten, das demokratische
Grundverständnis in der EU.
In einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution erklärten die
Abgeordneten, sie seien "zutiefst besorgt über die Lage in Ungarn in Bezug
auf die Praxis der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Achtung und des
Schutzes der Menschenrechte". Die Parlamentarier wollen deshalb in den
kommenden Monaten prüfen lassen, ob sie einen Sanktionsmechanismus auslösen
können, der in Artikel 7 des Vertrags von Lissabon vorgesehen ist.
Darin heißt es, dass einem Land bestimmte Rechte - zum Beispiel die
Stimmrechte im Europäischen Rat - entzogen werden können, falls es die
gemeinsamen Werte der Union verletzt. "Wir hätten das gerne schon jetzt
direkt angestoßen, aber wir befürchten, dass wir im Rat nicht die notwendig
Mehrheit bekommen werden. Deshalb haben wir eine zusätzliche Prüfung
dazwischen geschoben", sagt die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel. Dieses
Verfahren soll bis zum Sommer abgeschlossen werden.
Das Parlament ist vorsichtig, denn sein Handlungsspielraum ist
eingeschränkt. Es kann zwar den Rat auffordern, über Artikel 7 zu
entscheiden. Die Sanktionen treten aber nur dann in Kraft, wenn zwei
Drittel der Mitgliedsstaaten dafür stimmen. "Dass dies zurzeit nicht der
Fall ist, wertet Orbán garantiert als Bestätigung seiner Politik", sagt
Birgit Sippel.
Die Abgeordneten gehen in ihrer Resolution weit über die von der
Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren hinaus
und prangern zum Beispiel auch die Einschränkung der Pressefreiheit an.
"Die Kommission hat ihre Kritik auf wenige Probleme beschränkt und das
gesamte Ausmaß des Abbaus demokratischer Rechte in Ungarn ignoriert", sagt
die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Rebecca
Harms.
Dieses Vakuum wollen die Parlamentarier nun ausfüllen. Bisher ist der
Artikel 7 noch niemals angewendet worden. Als die rechtspopulistische FPÖ
von Jörg Haider im Jahr 2000 an der Regierung in Österreich beteiligt
wurde, erwogen die Mitgliedsstaaten, die Alpenrepublik mit Sanktionen zu
belegen. Sie taten das dann allerdings bilateral außerhalb der Europäischen
Verträge.
16 Feb 2012
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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