# taz.de -- Erdölförderung im Kongo: Bohrtürme zum Klettern | |
> Der französische Ölmulti Total darf im Virunga-Nationalpark Erkundungen | |
> aufnehmen und sich selbst beaufsichtigen. Dort leben fast ausgestorbene | |
> Berggorillas. | |
Bild: Lebendes Weltnaturerbe: Bergorillanachwuchs im kongolesischen Virunga-Nat… | |
BRÜSSEL taz | Der älteste Nationalpark Afrikas ist erneut von Ölförderung | |
bedroht. Der französische Ölmulti Total hat von der Regierung der | |
Demokratischen Republik Kongo den Zuschlag für Ölsuche in einem Gebiet im | |
Osten des Landes bekommen, das zum Teil im Virunga-Nationalpark liegt - | |
einem der letzten Refugien der vom Aussterben bedrohten Berggorillas. | |
Kongos Präsident Joseph Kabila unterzeichnete die entsprechende Ordonnanz | |
am 27. Dezember, als einen seiner ersten Amtsakte nach seiner umstrittenen | |
Wiederwahl. Total plant seismische Exploration und mindestens zwei | |
Bohrlöcher. | |
Das fragliche Gebiet ist Teil des sogenannten Blocks 3, eines von fünf | |
Ölsuchgebieten im Osten des Kongo. Die Blocks 3, 4 und 5 decken insgesamt | |
85 Prozent der 7.802 Quadratkilometer des Virunga-Nationalparks ab; Block 1 | |
und 2 liegen weiter nördlich, am Albertsee an der Grenze zu Uganda. | |
Im Juni 2010 war Block 5 an ein von der britischen Soco Oil geführtes | |
Konsortium gegangen, das daraufhin Planungen zur Ölprospektion im Park | |
aufnahm. Massive Proteste bis auf UN-Ebene, die den Status des | |
Virunga-Nationalparks als Unesco-Weltkulturerbe anmahnten, hatten dann | |
Kongos Umweltminister José Endundu dazu bewogen, im März 2011 ein | |
Moratorium für die Ölsuche auszusprechen. Kurz vor Ablauf des Moratoriums | |
ist jetzt die Präsidentenentscheidung erfolgt. | |
## Bisher ist Total gesprächsbereit | |
Die Gefahr ist jetzt größer als vor einem Jahr, weil mit Total eine viel | |
finanzstärkere Firma eingestiegen ist. Total schloss im Sommer 2011 eine | |
Partnerschaft mit der südafrikanischen SacOil, die bis dahin den Block 3 | |
betrieben hatte. Jetzt hat der französische Multi die Anteile SacOils und | |
die einer anderen südafrikanischen Ölfirma namens Divine Inspiration | |
gekauft und ist damit alleiniger Besitzer. | |
Bisher zeigt Total sich konziliant. Die Franzosen versprachen bei einem | |
Treffen mit der Umweltschutzorganisation WWF, ihre Erkundungen auf den | |
außerhalb des Virunga-Nationalparks gelegenen nördlichen Teil von Block 3 | |
zu begrenzen. Doch in Totals Protokoll des Gespräches mit dem WWF, das der | |
taz vorliegt, steht, dass die Firma im Falle von positiven Ergebnissen im | |
Nordteil über eine Ausdehnung nach Süden "mit Aufmerksamkeit nachdenken" | |
wird. | |
Den WWF beunruhigt auch, dass die "strategische | |
Umweltverträglichkeitsprüfung", die Kongos Ex-Umweltminister Endundu im | |
März 2011 bei der Suspendierung der Ölprospektion angekündigt hatte, | |
bislang nicht durchgeführt wurde. Total hat stattdessen eine eigene | |
Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben. | |
## Sind die Ölbohrtürme unvermeidlich? | |
Derweil sucht Kongos Regierung noch immer einen Partner für Block 4, der | |
ebenfalls im Park liegt und bisher nicht vergeben wurde. Die italienische | |
ENI interessiert sich dafür und setzt auf Unterstützung aus dem Vatikan. | |
ENI hat im Kongo eine Partnerschaft mit der Firma Ibos (International | |
Business Oil) geschlossen, die vereinbart haben soll, ihre Profite einer | |
vom Vatikan finanzierten Hilfsorganisation zur Verfügung zu stellen: | |
"Objectif Congo" von Bischof Aimé Mandio Akouma, einem ehemaligen | |
Caritas-Mitarbeiter, der damit Schulen und Gesundheitsstationen bauen will. | |
Ist es also unvermeidlich, dass Ölbohrtürme im Virunga-Nationalpark | |
entstehen? Vieles hängt von den Kräfteverhältnissen innerhalb von Kongos | |
Regierung ab. Lokale Politiker im Ostkongo hoffen, mit den Ölfirmen Geld zu | |
verdienen. Bereits 2010 schrieben 41 Parlamentsabgeordnete aus der | |
ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu im Zusammenhang mit dem Streit um Block | |
5 an Umweltminister Endundu und erklärten, der Status des Weltnaturerbes | |
für den Virunga-Nationalpark sei unvereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht | |
der Völker. Der WWF fürchtet, dass die Ölfirmen jetzt eine | |
Ausnahmegenehmigung für den Virunga-Nationalpark erwirken. | |
EU-Experten, die an der einst geplanten strategischen | |
Umweltverträglichkeits-prüfung mitarbeiten sollten, wollen nun Kongos | |
Regierung vorschlagen, sich von Ecuadors Yasuni-Projekt inspirieren zu | |
lassen und gegen Geld auf die Ölförderung zu verzichten. Die Idee: Ein vom | |
UN-Entwicklungsprogramm UNDP geleiteter Fonds, in den Geberländer zehn | |
Jahre lang einzahlen, könnte Kongos Regierung die Hälfte der Summen | |
auszahlen, die die Ölförderung im Virunga-Nationalpark bringen würde. | |
16 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
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Kongo | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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