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# taz.de -- Bundeswehr räumt Lager in Afghanistan: Ab nach Kundus, so schnell …
> Nach Steinwürfen gibt die Bundeswehr vorzeitig ein Feldlager in Talokan
> auf. Die Regierung spielt den Vorfall herunter, die Afghanen sind
> verwundert.
Bild: Soldaten des deutschen ISAF-Kontingents fahren Streife in Talokan.
BERLIN taz | Es ist erst gut eine Woche her, dass es das ansonsten wenig
beachtete Bundeswehrlager in Talokan zuletzt in die Nachrichten schaffte.
Am 15. Februar holten die Soldaten die Fahne ein; Symbolik, die für den
Abzug der Bundeswehr aus der Provinz Tachar steht. Der Termin war freilich
nur das offizielle Ende des Engagements in Talokan. Seitdem wurde abgebaut.
(Grafik als [1][PDF]).
Ein Vorfall am Donnerstag hat die Lage jedoch verändert. An diesem Tag
zogen rund 300 aufgebrachte Afghanen durch die Stadt. Es waren Proteste
wegen der Verbrennungen von Koranexemplaren durch Nato-Truppen auf einem
Stützpunkt in der Provinz Baghlan.
Die Wut der Demonstranten richtete sich am Donnerstag auch gegen die
deutschen Soldaten in der Stadt. Mit Steinwürfen attackierten sie das
Bundeswehrlager. Nach Information des Verteidigungsministeriums wurde
niemand verletzt. Am Freitag nun bestätigte das Ministerium, dass die
deutschen Soldaten vorübergehend mit Autos in das westlich von Talokan
gelegene Kundus gebracht worden seien. Bis Ende März sollen die
Abbauarbeiten beendet sein. Ob sie wollen oder nicht, die Soldaten müssen
also noch einmal zurück nach Talokan und ihre angefangene Arbeit beenden.
Die Lage ist für die Bundeswehr höchst prekär; und zwar, weil jeder
Zwischenfall in der Region das Potenzial hat, in Deutschland eine Debatte
über die Probleme des Afghanistaneinsatzes auszulösen. Zwar ist im elften
Jahr der Abzug 2014 in greifbarer Nähe, und Experten bescheinigen eine
Verbesserung der Sicherheitslage in dem Land. Aber die Proteste von Talokan
zeigen: Die Stabilität ist fragil.
## Eiliger Abzug
Im Verteidigungsministerium gibt man sich deshalb alle Mühe, die Brisanz
des Vorfalls zu relativieren. "Die Sicherheitsverantwortung liegt bereits
in den Händen der Afghanen", sagt ein Sprecher, deshalb sei der eilige
Abzug nicht überzubewerten.
Auch die Opposition im Deutschen Bundestag hält sich zurück mit Attacken.
"Die Entscheidung, Talokan zu räumen, ist völlig richtig", sagt der
Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour, "man hätte das Lager schon
früher dichtmachen können."
Hinter den Kulissen der Bundesregierung klingt alles etwas weniger
entspannt. Man wolle den Attackierenden in der brenzligen Lage nach dem als
"unglaublich" und "hirnlos" eingestuften Verbrennen der Korane keine
Angriffsfläche bieten.
## Vergessen, Bescheid zu sagen
Am Freitagnachmittag meldete sich der Provinzgouverneur Abdul Dschabar
Takwa und protestierte gegen die Flucht der Deutschen aus Talokan: "Sie
gingen alle, ohne uns Bescheid zu sagen", sagte er gegenüber der
Nachrichtenagentur dpa. Offenbar hatte die Bundeswehr vergessen, zu
betonen, dass sie wiederkommt. Es läuft nicht rund in Afghanistan.
Tachar, die Provinz in der Talokan liegt, ist nicht ohne Weiteres
vergleichbar mit den anderen Einsatzorten der Bundeswehr. Wenn es dort zu
Zwischenfällen kam, dann lag dies häufig gar nicht an den Taliban. Denn
viele Konflikte in der Gegend entzündeten sich an oder innerhalb der
usbekischen Minderheit. "Keine Armee der Welt kann sich um die ethnischen
Konflikte der Afghanen kümmern", sagt der Grüne Nouripour. Die Bundeswehr
kann es jedenfalls ganz sicher nicht mehr. Der Einsatz in der Region ist
bald Geschichte.
24 Feb 2012
## LINKS
[1] /fileadmin/static/pdf/2012-02-24_grafik_afghanistan.pdf
## AUTOREN
Gordon Repinski
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