# taz.de -- Koran-Verbrennungen in Afghanistan: Die Proteste gehen weiter | |
> Bei gewalttätigen Demonstrationen gegen Verbrennungen von Koran-Ausgaben | |
> durch US-Soldaten sterben erneut mehrere Menschen. Obama entschuldigt | |
> sich. | |
Bild: Wütende Afghanen in Kabul. | |
KABUL taz | Afghanistan kommt auch am dritten Tag nicht zur Ruhe, nachdem | |
das Verbrennen von Koran-Ausgaben durch US-Soldaten bekannt bekannt | |
geworden war. In mehreren Städten wurde am Donnerstag wieder gewaltsam | |
demonstriert. Dabei starben sechs weitere Menschen in sieben Provinzen. Am | |
Vortag waren bei Protesten bereits bis zu neun Menschen getötet worden. | |
Nach dem die Taliban zur Tötung ausländischer Soldaten aufgerufen hatten, | |
wurden am Donnerstag in der östlichen Provinz Nangharhar zwei Isaf-Soldaten | |
ungenannter Nationalität vor einer Stützpunkt erschossen. Der Angreifer | |
trug eine afghanische Uniform und versteckte sich danach unter | |
Demonstranten. Isaf-Sprecher Carsten Jacobson sagte der taz, es sei zu früh | |
zu sagen, ob dies mit den Protesten zu tun habe. Ausschließen wolle Isaf | |
dies aber nicht. | |
"Kurz vor den morgigen Freitagsgebeten nehmen wir die Drohung der Taliban | |
natürlich sehr ernst," sagte Jacobson. Die Taliban hatten die Bevölkerung | |
aufgerufen, sie solle, "die militärischen Stützpunkte der Invasoren, ihre | |
Militärkonvois" angreifen, "sie töten, gefangen nehmen, schlagen und ihnen | |
eine Lektion erteilen, dass sie es niemals wieder wagen, den heiligen Koran | |
zu beleidigen." | |
Afghanische Arbeiter hatten auf einem Müllplatz des | |
US-Luftwaffenstützpunkts Bagram brennende Ausgaben des Koran gefunden, die | |
zuvor Gefangenen weggenommen worden sein sollen, die sich darin mutmaßlich | |
Botschaften übermittelt hatten. Auch in der nördlichen Provinz Baghlan, die | |
im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr liegt, kam es am Donnerstag zu | |
Ausschreitungen. Als Demonstranten versuchten das dortige | |
Polizeihauptquartier zu stürmen, gab es einen Toten. | |
## Forderungen nach Bestrafung | |
Obwohl sich am Donnerstag selbst US-Präsident Barack Obama offiziell beim | |
afghanischen Präsidenten Hamid Karsai entschuldigte und zuvor schon der | |
Isaf-Oberkommandeur John Allen eine Untersuchung des Vorfalls angeordnet | |
hatte, beruhigte dies die Lage nicht. In Kabul protestierten erneut 1000 | |
Menschen gegen die USA, die US-Truppen im Land und auch gegen die | |
afghanische Regierung. | |
Sie forderten eine harte Bestrafung der Soldaten sowie den sofortigen Abzug | |
der fremden Truppen. Als der Protestzug versuchten ins Stadtzentrum zu | |
gelangen, schoss die Polizei in die Luft, um den Einzug der wütenden Menge | |
zu verhindern. | |
Präsident Karsai mahnte seine Landsleute, friedlich zu bleiben. Doch längst | |
hat er in der Bevölkerung an Anerkennung verloren. Wie viele Afghanen denkt | |
auch der junge Kabir, Mitarbeiter eines Kabuler Reisebüros, dass der | |
Präsident nichts gegen die "Koran verbrennenden Soldaten unternimmt, weil | |
er nur mit deren Unterstützung an der Macht bleibt." | |
Er sei entsetzt über die Gewalt, sagt Rostam, ein Konditor. Proteste armer | |
Leute würde nichts bringen, meint er, "Wenn dieser Staat tatsächlich ein | |
islamischer Staat wäre, müsste die Regierung protestieren. Die Menschen | |
protestieren, das Parlament hat protestiert, aber die Regierung schweigt." | |
Der prominente Kabuler Journalist Fahim Dashti weist auf die große | |
Unzufriedenheit der Bevölkerung hin. Viele Menschen seien frustriert, nicht | |
nur über die fremden Truppen, sondern auch über die Leistung der eigenen | |
Regierung: "Diese Menschen finden nun eine Gelegenheit, ihrem Frust freien | |
Lauf zu lassen." Bald werde wieder Ruhe einkehren, glaubt er, "aber | |
langfristig werden diese Ereignisse die Verankerung der Ideen der Taliban | |
in der Bevölkerung stärken." | |
23 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Cem Sey | |
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