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# taz.de -- Syrische Journalistin über Engagement: "Wir haben ein Projekt: Rev…
> Maissum Melhem über die syrische Revolution, eine neu gegründete
> Journalisten-Gewerkschaft und ihren bewussten Verzicht auf neutrale
> Berichterstattung.
Bild: Viele syrische Journalisten sind nicht mehr als ein Mikrofonhalter für P…
taz: Frau Melhem, Sie haben vor einer Woche die Gründungserklärung der
Vereinigung der Syrischen Journalisten veröffentlicht. Was wollen Sie
erreichen?
Maissun Melhem: Das Projekt ist älter. Ich habe mich der Vereinigung
bereits vor einem Monat angeschlossen. Wir wollen einerseits selbst
unabhängig berichten. Andererseits besteht unser Ziel darin, Journalisten
zu unterstützen, die in Syrien verfolgt oder gefoltert werden. Wenn ein
Journalist inhaftiert wird, hört man davon nichts. Man weiß nicht, in
welchem Gefängnis er sitzt und ob er überhaupt noch am Leben ist.
Was macht die offizielle Gewerkschaft?
Die Union der Syrischen Journalisten sagt zu solchen Fällen kein Wort,
obwohl es ihre Aufgabe wäre, nach dem Schicksal von Journalisten zu fragen.
Aber wie jede andere Institution in Syrien wird die Union vom Regime
kontrolliert. Es gibt Mitglieder, die andere Journalisten ausspionieren.
Wir wollen dem etwas entgegensetzen. Unsere Vereinigung soll sich zu einer
Gewerkschaft entwickeln, die später die Aufgaben übernimmt, die schon jetzt
die Union übernehmen müsste.
Später? Sie denken an die Zeit nach Baschar al-Assad?
Ich glaube, alle Syrer, die sich der Revolution angeschlossen haben, denken
an die Zeit nach dem Sturz des Regimes. Auch die Ärzte, die Ingenieure und
die Schriftsteller haben schon Vereinigungen gegründet. Wir wollen
Strukturen schaffen.
Wer sind Ihre Mitglieder?
Wir haben sowohl in Syrien als auch im Ausland Mitglieder. Bis jetzt sind
gut 130 Journalisten der Vereinigung beigetreten. Einige bekannte
Oppositionelle, die in renommierten Zeitschriften schreiben, sind dabei –
Fayiz Sara oder Yassin al-Haj Saleh zum Beispiel. Beide sind schon mehrfach
verhaftet worden. Auch in Frankreich haben wir Leute. Wir sind überall
verteilt, eine Diaspora von Journalisten.
Wie kommunizieren Sie?
Wir kommunizieren über eine Plattform im Internet. Es gibt keinen direkten
Kontakt. Selbst wenn wir alle in Syrien wären, könnten wir nicht
zusammenkommen. Journalisten in Homs beispielsweise sind von der Außenwelt
abgeschnitten.
Wie sind die syrischen Journalisten hierzulande organisiert?
Ich weiß von sechs bis sieben Journalisten aus Deutschland, die unserer
Vereinigung beigetreten sind. Einige arbeiten wie ich bei der Deutschen
Welle. Wir haben lange Zeit in Angst gelebt. Bis man jemanden näher
kennenlernt, muss man davon ausgehen, dass er ein Spion für den
Geheimdienst ist. Das hat es auch hier im Ausland sehr schwer gemacht, sich
zu organisieren. Jetzt hat sich das geändert. Wir haben ein großes Projekt:
die Revolution. Wir wollen das Regime stürzen und eine Demokratie aufbauen.
Sie beziehen explizit Stellung?
Journalisten sollten zwar politisch neutral bleiben. Aber in dieser Zeit
heißt das nicht, dass wir zum Regime dieselbe Distanz bewahren wie zu der
Opposition. Wenn Menschen in Homs abgeschlachtet werden, können wir nicht
neutral bleiben. Sobald die Ära Assad überwunden ist, werden wir uns
ausschließlich für unabhängige, ausgewogene und neutrale Berichterstattung
einsetzen.
In Ihrer Erklärung erwähnen Sie ausdrücklich, dass auch Berichterstattung
in anderen Sprachen als Arabisch ermöglicht werden soll. Was stellen Sie
sich vor?
In Syrien leben viele verschiedene Ethnien. Es gibt Kurden, Aramäer,
Assyrer und auch türkisch- und armenischsprachige Menschen. Aber diese
Vielfalt wird unterdrückt. Kurden zum Beispiel werden in kultureller
Hinsicht benachteiligt. Obwohl viele Kurden in Syrien leben und viele Syrer
zweisprachig aufwachsen, ist die kurdische Sprache nicht anerkannt. Medien
in kurdischer Sprache gibt es nicht. Das ist eines der Menschenrechte, die
wir nicht haben.
Befürchten Sie, dass Ihr politisches Engagement negative Konsequenzen haben
wird?
Seit Beginn der Revolution bin ich nicht mehr in Syrien gewesen. Allerdings
wurde ich bereits ausspioniert, von Freunden sogar. Meine E-Mail- und
Facebookaccounts wurden gehackt. Der Geheimdienst hat bei meiner Familie in
Syrien angerufen. Würde ich jetzt in meine Heimatstadt Latakia fahren,
würde ich vielleicht gleich am Flughafen verhaftet werden. Natürlich habe
ich Angst, aber es ist zum Glück noch nicht so weit, dass ich Angst um
meine Familie in Syrien haben muss.
28 Feb 2012
## AUTOREN
Jannis Hagmann
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