# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Zwei Journalisten wieder in Sicherheit | |
> Die beiden französischen Journalisten Edith Bouvier und William Daniels | |
> konnten von Homs in den Libanon fliehen. Die syrische Armee stürmte das | |
> Stadtviertel Baba Amr. | |
Bild: Edith Bouvier wird jetzt in Beirut behandelt. | |
PARIS/DAMASKUS afp/dpa | Die beiden tagelang in der syrischen | |
Rebellenhochburg Homs eingeschlossenen französischen Journalisten Edith | |
Bouvier und William Daniels sind außer Landes und in Sicherheit. In Homs | |
hat die Armee am Donnerstag nach Angaben von Regimegegnern das seit Wochen | |
belagerte Viertel Baba Amro erstürmt. Die Oppositionskräfte zogen sich | |
zurück, weil ihnen Waffen und Munition fehlten, meldete der Sender | |
Al-Arabija. | |
Der französische Außenminister Alain Juppé erklärte am Donnerstagabend in | |
Paris, Bouvier und Daniels befänden sich in der Obhut der französischen | |
Botschaft in Beirut. Nach Angaben der Zeitung Le Figaro wurde Bouvier von | |
der Freien Syrischen Armee in den Libanon gebracht. | |
Bouvier hatte am Mittwoch vergangener Woche beim Beschuss eines als | |
Pressezentrum der Rebellen genutzten Gebäudes in Homs eine schwere | |
Beinverletzung erlitten. Seither harrten die Figaro-Reporterin und der | |
Fotograf Daniels in der von der syrischen Armee umzingelten Stadt aus. Bei | |
dem Angriff auf das Gebäude waren die US-Kriegsreporterin Marie Colvin und | |
der französische Fotograf Rémi Ochlik getötet worden. | |
Präsident Nicolas Sarkozy sagte in Brüssel, Bouvier habe „viel gelitten, | |
aber sie weiß, dass sie frei ist und dass sie bald behandelt wird“. Ihre | |
Verletzung habe die Evakuierungsaktion sehr kompliziert gemacht. Wenn die | |
Ärzte einverstanden seien, könnten die beiden Journalisten noch in der | |
Nacht nach Frankreich ausgeflogen werden. | |
Der Chefredakteur des Figaro, Etienne Mougeotte, sagte dem Sender LCI, es | |
habe zwei Möglichkeiten gegeben, Bouvier in Sicherheit zu bringen: mit | |
Hilfe des Roten Kreuzes oder mit Hilfe der aus Deserteuren gebildeten | |
Freien Syrischen Armee (FSA). Schließlich seien es die Soldaten der FSA | |
gewesen, die Bouvier über die Grenze gebracht hätten. Zwei weitere | |
Journalisten, die in Homs nach dem Angriff vom 22. Februar eingeschlossen | |
waren, der Brite Paul Conroy und der Spanier Javier Espinosa, waren in den | |
vergangenen Tagen in den Libanon geflohen. | |
## Rote Kreuz darf nach Baba Amr | |
Die syrischen Truppen, die Homs seit Wochen unter Beschuss genommen hatten, | |
erklärten am Donnerstag, sie hätten das umkämpfte Viertel Baba Amr | |
vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Am Mittwoch hatten sie dort eine | |
Bodenoffensive gestartet. | |
Baba Amr stand seit fast einem Monat unter Dauerbeschuss. Das Viertel | |
zählte zu den wichtigsten Zentren des Widerstands. Syrische Aktivisten | |
berichteten am Donnerstag von verlustreichen Gefechten zwischen den | |
angreifenden Truppen und Deserteuren der Freien Syrischen Armee. | |
Das syrische Staatsfernsehen berichtete, 90 Prozent des Rebellenviertels | |
seien in der Hand der Streitkräfte. Die Armee durchsuche das Viertel nach | |
Kämpfern, die noch Widerstand leisten könnten. Dem Internationalen Komitee | |
vom Roten Kreuz (IKRK) erlaubte das Regime in Damaskus, in Baba Amr Hilfe | |
zu leisten, sobald das Viertel unter völliger Kontrolle der Streitkräfte | |
sei. | |
„Das IKRK und der Syrische Rote Halbmond haben grünes Licht, am Freitag | |
nach Baba Amro zu gehen und Lebensmittel- und medizinische Hilfe zu leisten | |
sowie Personen herauszuholen“, sagte IKRK-Sprecher Salih Dabbikeh der dpa | |
in Damaskus. | |
## Rebellen wollen Waffen | |
Die Gegner von Präsident Baschar al-Assad forderten unterdessen befreundete | |
Staaten zu Waffenlieferungen auf. Ein neugegründeter Militärrat solle die | |
Verteilung organisieren. Nach der UN-Vollversammlung verurteilte auch der | |
Menschenrechtsrat in Genf das Assad-Regime wegen der fortdauernden Gewalt | |
gegen das eigene Volk. | |
Der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates (SNC), Burhan Ghaliun, sagte | |
vor der Presse in Paris, der SNC habe einen Militärrat gegründet. Sein Ziel | |
sei es jedoch nicht, einen Bürgerkrieg zu führen. Vielmehr wolle man Chaos | |
verhindern. | |
Ghaliun erklärte: „Es gibt Staaten, die gesagt haben, sie wollten Waffen an | |
die Opposition liefern. Damit dies nicht direkt und ohne Kontrolle | |
geschieht, soll alles über diesen Rat laufen.“ Vor allem Vertreter der | |
arabischen Öl-Monarchien hatten in den vergangenen Tagen laut über die | |
Bewaffnung von Deserteuren in Syrien nachgedacht. | |
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, betonte, die Liga | |
habe die Bewaffnung der Opposition nicht gebilligt. Vielmehr arbeite die | |
Liga an einer politischen Lösung und versuche gleichzeitig, die Regierung | |
zu einer Waffenruhe zu bewegen, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen. | |
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete unter Berufung auf | |
einen Vertreter im Außenministerium in Damaskus, die Verantwortlichen vor | |
Ort hätten in Baba Amr die Leichname von Colvin und Ochlik entdeckt. Diese | |
würden in ein Krankenhaus nach Damaskus gebracht und dort von einem | |
Rechtsmediziner untersucht. | |
2 Mar 2012 | |
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