# taz.de -- In Großstädten droht Wohnungsknappheit: Pro Kopf fehlt Raum | |
> Die Mietpreise in deutschen Großstädten schießen in die Höhe. Weil in | |
> urbanen Ballungsgebieten Wohnungsknappheit droht, fordern Verbände | |
> staatliche Hilfe bei Neubauten. | |
Bild: In deutschen Metropolen wird es in Zukunft ziemlich eng. | |
BERLIN taz | Deutschlands Städten droht Wohnungsknappheit. Zu wenige neue | |
Häuser entstehen. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Untersuchungen | |
der Kampagne „Impulse für den Wohnungsbau“, die von mehreren Verbänden | |
getragen wird, darunter der Deutsche Mieterbund (DMB), die | |
Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU) und der Zentralverband | |
Deutsches Baugewerbe (ZDB). | |
Wenn der Neubau sich nicht auf 130.000 Einheiten pro Jahr verdoppele, | |
würden 2017 rund 400.000 Mietwohnungen fehlen: „Deutschland hat wieder eine | |
Wohnungsnot – nicht überall, aber in den meisten Großstädten“, sagt der | |
Bochumer Wohnungsexperte und Autor einer der Studien, Volker Eichener. | |
Zwar dürfte die Bevölkerung Deutschlands in den kommenden Jahrzehnten | |
schrumpfen, aber in den Städten werden mehr Menschen leben. Auch Zuwanderer | |
zieht es eher in die größeren Ballungsgebiete. Zudem nimmt die Zahl der | |
Single-Haushalte zu. Folge: Pro Kopf der Bevölkerung wird mehr Wohnraum | |
benötigt. | |
Aktuell fehlten in den zehn deutschen Großstädten, die den stärksten | |
Wohnungsmangel haben, mehr als 100.000 Mietwohnungen – rund 31.000 allein | |
in München und rund 17.500 in Frankfurt am Main. In Hamburg seien es rund | |
15.000 und in Stuttgart 8.000. Die Ursache des Mangels sehen die Vertreter | |
der Kampagne darin, dass sich Bund und Länder in den vergangenen Jahren | |
schrittweise aus der Wohnungsförderung zurückgezogen hätten. | |
## 11 Prozent mehr zahlen | |
Ein Anzeichen für eine drohende Wohnungsnot, so Eichener, seien unter | |
anderem steigende Mieten: So müssen Bewohner der kreisfreien Städte heute | |
durchschnittlich 11 Prozent mehr zahlen als noch vor vier Jahren. Außerdem | |
sei die Zahl der Wohnungslosen zwischen 2008 und 2010 um 9,3 Prozent auf | |
bundesweit 248.000 Menschen angestiegen. Dem Wissenschaftler zufolge werden | |
bis 2017 unterm Strich insgesamt 825.000 neu gebaute Mietwohnungen | |
benötigt. | |
„Die Wohnungsnot ist hausgemacht“, sagt Eichner. „Nur noch 178.000 | |
Wohnungen sind im Jahr 2011 fertiggestellt worden“, bemängelt der | |
Studienautor. Mitte der 1990er Jahre seien es jährlich noch 600.000 | |
gewesen, Anfang der 1970er Jahre sogar bis zu 810.000 pro Jahr. | |
Bund und Länder müssten jetzt gegensteuern, so die Beteiligten. Die | |
Verbände fordern von der Politik unter anderem steuerliche Erleichterungen | |
für den Mietwohnungsbau, etwa durch die Erhöhung der steuerlichen | |
Abschreibung von 2 auf 4 Prozent. Zudem sollte der Bund die jährliche | |
Wohnraumförderung für die Länder von 518 Millionen Euro verdoppeln, für | |
Neubauten reservieren und zweckgebunden vergeben. | |
Andere bezweifeln den Sinn solcher Maßnahmen: „Die degressive Abschreibung | |
ist sozialpolitisch ein absurdes Argument“, urteilt etwa Harald Simons vom | |
Forschungsinstitut Empirica. „Die Förderung hängt vom Einkommen ab.“ Je | |
höher dieses sei, desto mehr Baukosten könnten steuerlich abgesetzt werden. | |
„Ein höherer Abschreibungssatz führt dazu, dass sich das Wohnungsvermögen | |
bei den Besserverdienenden konzentriert“, argumentiert Simons. | |
## Vernünftiges Maß für Neubauanforderungen | |
Dass in den vergangenen Jahren tatsächlich zu wenig gebaut worden ist, | |
bestreitet der Forscher allerdings nicht. Im Gegensatz zu den | |
Studienmachern und Kampagnenvertretern hält er andere Maßnahmen für | |
wirksamer, um den Wohnungsbau anzukurbeln. | |
Seiner Ansicht nach sind die Anforderungen, die an Neubauten gestellt | |
werden, zu zahlreich und schwer zu erfüllen. Hier fordert er ein | |
vernünftiges Maß. „Wenn 2020 nur noch Null-Energie-Häuser gebaut werden | |
dürfen, baut bald keiner mehr“, sagt er. | |
1 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Mandy Kunstmann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vom Wohnungsbau zum Wohnungsklau: Entwertete Bauten | |
Beim Verkauf der Siedlung am Nüßlerkamp in Bramfeld unterließ es die Stadt | |
2009, die Häuser zu räumen. Seitdem kämpfen die Mieter für ihre Wohnform | |
Interview zur Mietenentwicklung: "Eine Frage der Bereitschaft" | |
Der Stadtsoziologe Andrej Holm fordert die Vergabe von Wohnungen nach | |
sozialen Kriterien. | |
Grünen-Sprecherin über Wohnungsnot: "Da rollt eine Problemlawine auf uns zu" | |
In Deutschland steigen die Mietpreise und die Wohnungsnot wächst. Die | |
Grünen-Sprecherin Daniela Schneckenburger über Kapitalfonds auf dem | |
Wohnungsmarkt. | |
Kommentar Wohnungsnot: Vernachlässigtes Betongold | |
Weniger Wohnungen zu bauen, war falsch und riskant. Die Politik hat aus der | |
alternden Bevölkerung die falschen Schlüsse gezogen. So kamen | |
Privatinvestoren zum Zug. | |
Kommentar Zersiedelung: Günstig im Grünen | |
Neubau ist nicht die einzige Antwort auf die Hamburger Wohnungsnot. | |
Wohnungsnot: Touristen verdrängen Mieter | |
Der Verein "Mieter helfen Mietern" will Wohnungseigentümer anzeigen, die | |
unter der Hand Wohnungen an Touristen vermieten. Er geht von 1.500 Fällen | |
aus. | |
Kommentar Wohnraumschutz: Eigentum verpflichtet | |
Wohnraumschutz darf nicht allein Thema der Mietervereine sein. Hier ist der | |
Senat gefordert. | |
Protest gegen Gentrifizierung: Rabatz beim Adventsshopping | |
Mit Aktionen in mehreren Stadtteilen demonstrierten Hunderte gegen | |
Wohnungsnot, Wuchermieten, Verdrängung und Privatisierung öffentlicher | |
Räume. |