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# taz.de -- Netanjahu in Washington: Das Nein zum Krieg ist leise
> Rund 100 FriedensaktivistInnen stehen vor der Tür und protestieren gegen
> einen Irankrieg, als Israels Premier vor 13.000 Gästen der
> Israel-Lobbygruppe AIPAC spricht.
Bild: Auch eine kleine Gruppe orthodoxer Juden demonstrierte vor dem Weißen Ha…
WASHINGTON taz | Rund einhundert Menschen trotzen dem neuen Wintereinbruch
an diesem eiskalten Montagabend in Washington. An ihrem großen bunten
Transparent „Kein Krieg gegen den Iran“ müssen all jene vorbei, die zu dem
Gala-Abend des American Israel Public Affairs Committee American (AIPAC)
streben. Dazu hören sie die Slogans: „Die Besatzung ist ein Verbrechen“ und
„Keine US-Dollars für Israel“. Sie können auch zwei Demonstranten sehen,
die sich Pappmaché-Köpfe von Netanjahu und Obama übergestülpt haben.
Die beiden realen Politiker, die sich nicht mögen, hatten wenige Stunden
vorher ein neues angespanntes Treffen im Weißen Haus, bei dem der
US-Präsident versucht hat, den israelischen Premierminister von einem
militärischen Alleingang gegen den Iran abzuhalten. Aber als
Pappmaché-Karikaturen auf dieser Demonstration sind die beiden Politiker in
Kriegsverbrechen vereint.
„Ihr seid von uns gewählt“, sagt eine Demonstrantin zu PolitikerInnen, die
zu dem Gala-Abend gehen, „ihr vertretet US-Bürger. Keine ausländische
Regierung.“
Rund die Hälfte der Abgeordneten des Kongresses – sowohl RepublikanerInnen
als auch DemokratInnen – nimmt an dem Jahrestreffen teil. Die AIPAC ist
eine der stärksten Lobby-Organisationen in Washington. Sie bearbeitet
Abgeordnete beider US-Parteien.
In diesem Jahr, da Israels Regierung vor einer angeblich unmittelbar
bevorstehenden atomaren Bewaffnung des Iran warnt und Washington zu
militärischer Rückendeckung drängt, ist die Teilnehmerzahl an dem
AIPAC-Treffen noch größer als sonst. Mehr als 13.000 Menschen haben sich
eingetragen.
## Protest auch gegen Obama
„Es ist nicht einfach, Israel in den USA zu kritisieren“, sagt Elane Marie
Kintch draußen in der Kälte: „man wird schnell als Antisemitin abgetan.“
Die pensionierte Lehrerin und Friedensaktivistin hat für die
nicaraguanischen Sandinisten und für die Revolution in El Salvador
demonstriert. Und war mehrfach in Palästina: Sie hat Oliven geerntet und
gegen illegale Siedlungen und die Mauer protestiert.
Dieses Mal ist sie aus dem Bundesstaat Wisconsin in die US-Hauptstadt
gekommen, um ihren Präsidenten zu „klareren Worten“ gegenüber dem
israelischen Premierminister zu ermuntern. Sie hat Obama gewählt. Doch mit
der fortgesetzten milliardenschweren Militärhilfe der USA an Israel ist sie
nicht einverstanden.
Die DemonstrantInnen machen sich wenig Illusionen. „Im Februar 2003
demonstrierten wir zu Hunderttausenden“, sagt eine 73-Jährige: „drei Wochen
später marschierten die USA im Irak ein.“
## Krieg verhindern
Medea Benjamin von der Friedensgruppe Code Pink hofft dennoch, dass die
Bewegung wächst. „Wir brauchen jetzt alle unsere alten Verbündeten. Und die
vielen neuen Veteranen, um einen Krieg zu verhindern.“
Im Inneren des Kongresszentrums tritt Netanjahu ans Mikrofon. In den Tagen
vor seinem Besuch in Washington hat US-Präsident Obama in Interviews und
bei einer Rede, die er selbst am Vortag bei der AIPAC-Versammlung hielt,
immer wieder erklärt, dass ein israelischer Alleingang falsch und
gefährlich wäre.
Und zugleich hat er versichert, dass die USA „sämtliche Optionen gegen den
Iran offenhalten“ – inklusive eines Militärschlags. Vorerst seien
Diplomatie und Sanktionen die angemesseneren Mittel.
## Auf Angriff vorbereiten
Doch Netanjahu trotzt den Aufforderungen zu Zurückhaltung. Seine Rede vor
der AIPAC, die immer wieder von langem Applaus unterbrochen wird, hört sich
an wie die Einstimmung auf einen unmittelbar bevorstehenden israelischen
Angriff gegen den Iran.
Netanjahu schildert die Gefahr einer nuklearen Proliferation in der Region
(freilich ohne die israelischen Atomsprengköpfe auch nur zu erwähnen) und
nennt seine eigene Verpflichtung, Israel gegen Gefahren zu verteidigen.
Dann hält er Briefe aus dem Jahr 1944 hoch. In dem einen habe der Jewish
Congress die damalige US- Regierung gebeten, das Konzentrationslager
Auschwitz zu bombardieren. In dem anderen habe die US-Regierung abgelehnt.
In der Demonstration stehen auch mehrere Männer, die lange Bärte, schwarze
Anzüge und Palästinensertücher tragen. Einer ist Yisroel Dovid Weiss aus
New York. Der 55-jährige orthodoxe Rabbi ist gerade von einer längeren
Reise nach Teheran zurückgekommen, bei der er unter anderem Präsident
Ahmadinejad getroffen und festgestellt hat, „dass die Iraner nicht
antisemitisch sind“.
6 Mar 2012
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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