# taz.de -- Pro und Contra: Brauchen wir den Frauentag noch? | |
> Der Internationale Frauentag wird auf der ganzen Welt am 8. März | |
> gefeiert. Er entstand Anfang des 20. Jahrhunderts im Kampf um die | |
> Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Sollte man ihn heute | |
> noch begehen oder lieber abschaffen? | |
Bild: Sogar für manche Männer ein Grund zu feiern: Der hundertste Frauentag 2… | |
## Mit bestem Dank zurück | |
Wir begehen den Frauentag zwischen dem Tag der gesunden Ernährung und dem | |
der Rückengesundheit und das entspricht ziemlich genau seiner | |
Bedeutsamkeit. 2012 steht er unter dem Motto "Heute für morgen Zeichen | |
setzen", was so waberig ist, dass man es vergisst, bevor man zu Ende | |
gelesen hat und nicht einmal versucht, sich an das vom vorigen Jahr zu | |
erinnern. | |
Den Frauentag umgibt ein muffiger Geruch, er wartet mit einer Häufung von | |
Doppelnamen in seinem Umfeld auf, aber das allein erklärt nicht, warum so | |
viele Frauen - und vielleicht auch Männer - sich von ihm fernhalten. Warum | |
ist die Arbeit an der Frauen-taz milde formuliert kein umkämpftes Gut, | |
sondern ein Wanderpokal, den man, so man geübt im Nein-Sagen ist - eine | |
wesentliche Tugend auf dem Weg zur Emanzipation - tunlichst weiterreicht? | |
Weil den Frauentag ein eigentümlicher Geruch von Machtlosigkeit und | |
Opferstatus umgibt, ein Gefühl, als schwenke man Pappschilder in einer | |
Tiefgarage, weil es nun mal so Brauch ist. | |
Möglich, dass das einmal anders war. Vielleicht war der Frauentag Anfang | |
des 20. Jahrhunderts ein schlagkräftiges Instrument. Heute sorgt er für | |
Befremden, bestenfalls Mitleid. Seht her, sagen die Frauen am 8. März, wir | |
sind eine Spezies in Bedrängnis, aber in drei Wochen geht es um die | |
Meteorologie und bald würdigen wir den Fieberklee. | |
Was in keinster Weise bedeutet, dass es nicht genügend dringende Anliegen | |
in Sachen Gleichberechtigung gäbe. Gerade in Deutschland, dem europäischen | |
Land, wo die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen am weitesten | |
auseinanderklafft. Wo Familienarbeit vielfach noch immer als Frauendomäne | |
begriffen wird. Was, nebenbei, zu einer anderen Baustelle führt: Wieso wird | |
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer vor allem als Problem | |
von Frauen begriffen? Und warum wird die Debatte so unbegreiflich normativ | |
geführt? Zwischen naturgegebenem Hausfrauendasein und ebenso naturgegebenem | |
100-Prozent Karrierestreben gibt es keinen Raum und selbst wenn man sich | |
als Frau auf einer Seite des Extrems wiederfinden sollte, wird es eine | |
starke Fraktion geben, die eben diese Position verdammt. | |
Natürlich könnte man argumentieren, dass der Frauentag ebenso wenig schadet | |
wie der Welttag der Logopädie oder der der Hauswirtschaft. Lasst sie sich | |
treffen, die Frauen, könnte man sagen, und nachgrübeln, was "Heute für | |
morgen Zeichen setzen" bedeuten könnte und die Zeitungen werden ihre | |
Sonderausgaben schon füllen. Aber das hieße, Energie und Geld zu | |
verschwenden. Und, schlimmer noch, jedes Jahr aufs Neue das falsche Signal | |
zu setzen: Man mag zu der von EU-Kommissarin Viviane Reding angestrebten | |
Frauenquote im oberen Management stehen wie man will - ein Thema sollte sie | |
jenseits des 8. März sein. Wie gleiche Entlohnung, Gewalt gegen Frauen und | |
repressive Schönheitsideale. | |
Der 8. März verstellt den Blick darauf, dass die Gleichberechtigung von | |
Frauen einen anderen Status hat als die Rückengesundheit, das Töpfern oder | |
die Reinheit deutschen Bieres. Viviane Reding hat ihn als Feigenblatt | |
bezeichnet - und ihn damit in seiner Fatalität nahezu unterschätzt. | |
Es ist erstaunlich, sich mal wieder auf eine Linie mit Alice Schwarzer zu | |
finden, aber da hat sie einfach recht: Er ist gönnerhaft, dieser 8. März | |
und das muss man sich als Frau nicht antun, nicht jedes Jahr aufs Neue. | |
Friederike Gräff | |
## Endlich das Symbol aufwerten | |
Heute ist Frauentag, und dass sich recht unaufgeregt über seine Abschaffung | |
diskutieren lässt, zeigt nur, wie dringend notwendig er noch ist: | |
Christenkampftage wie Weihnachten oder Pfingsten genießen Bestandsschutz, | |
ebenso unantastbar ist der 1. Mai. Die zur Disposition zu stellen - das | |
würde Proteststürme auslösen. | |
Wegen der Inhalte? Quatsch. Nur, während man sich am Tag der Arbeit die | |
Eier kraulen kann, muss er am 8. März arbeiten - und frau sowieso. Von | |
daher lässt sich feststellen: Der 8. März hat formal nur den Rang des | |
Origami-Welttags. Und sicher betont das den gönnerhaften Charakter der | |
Veranstaltung. Den hat sie sich, um Alice Schwarzers Argument ein wenig | |
ausführlicher zu zitieren, zugelegt, weil der Tag in größerem Umfang früher | |
nur in der DDR und ihren sozialistischen Bruderstaaten gefeiert wurde, als | |
so was wie der igittigitt-Muttertag, nur auch noch in ost, pfui! Und | |
deshalb gehört das abgeschafft. | |
Dass die DDR einen sinnvollen Festtag in der ihr eigenen Spießigkeit | |
begangen hat, soll das ein Argument sein dafür, ihn hier, mehr als 20 Jahre | |
nach dem Untergang des Unrechtsstaates, abzuschaffen? Das ist doch ein | |
bisschen - irrational, oder? Wenn sich das durchsetzen sollte, müsste es | |
auch finster aussehen für die Freunde des 1.Mai, den die Nazis zum Feiertag | |
gemacht haben. Und abgeschafft gehört dann erst recht das Verbot, | |
karfreitags zu tanzen, weil die Christen da in Ruhe ihren Antisemitismus | |
genießen wollen. | |
Klar, wie jeder Gedenktag ist auch der 8. März nicht die erwartete | |
Wiederkunft Jesu Christi, also die Verwirklichung der Idee, sondern er ist | |
ein Symbol. Er verweist auf den Kampf um Gleichberechtigung, der andauert. | |
Er erinnert aber auch an die Opfer, also die Toten, die Verletzten, die | |
Misshandelten und die Verunglimpften, die der gefordert hat, und an die | |
Erfolge: Das ist wichtig, denn wer vorwärts gehen will, darf nicht | |
vergessen. | |
Zweifellos ist zu beklagen, dass sein Status dieser Bedeutung in keinster | |
Weise entspricht. Dieses Missverhältnis lässt sich aber nicht durch | |
Abschaffen, sondern nur durchs Aufwerten des Symbols beseitigen - also, | |
indem man ihn zum beweglichen Feiertag macht. Das fordert die bedeutende | |
hannoversche Feministin Luise Pusch seit Jahren. Auch aus ihrem Wissen | |
heraus, dass der Kampf der Emanzipation einer um die Herrschaft im Reich | |
der Zeichen ist. Auf ein Symbol zu verzichten, heißt da - zu resignieren. | |
Dazu besteht kein Grund. Benno Schirrmeister | |
7 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Feministischer Kampftag | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
Muttertag | |
Alice Schwarzer | |
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