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# taz.de -- Christian Kracht auf der Buchmesse: Der Autor und sein Verleger
> Erst hieß es, Christian Kracht lasse die Lesung ausfallen, dann las er
> doch. Differenziert konnte auf der Messe über sein umstrittenes Buch
> nicht gesprochen werden.
Bild: Etwas fahrig liest Christian Kracht auf der Leipziger Buchmesse.
„Und, wie war’s?“ Das wird man hier in Leipzig sofort gefragt, wenn man
erzählt, dass man bei der Lesung von Christian Kracht gewesen ist. Alle
fragen das, Verlagsmitarbeiter, und zwar quer durch die Bank der
Verlagslandschaft, Journalisten, Kollegen, Autoren.
Nun ist Christian Kracht ja eh ein Literaturstar. Aber man wird halt gerade
nicht „Und, wie ist er denn gerade so?“ gefragt, sondern „Wie war’s?“.
Natürlich schwingt vor allem die Frage mit, ob er etwas zu den Vorwürfen
gesagt hat, der Türsteher rechtsradikalen Gedankenguts zu sein.
Das hat Georg Diez also geschafft. Inhaltlich ist er mit seinem Artikel im
Spiegel ganz und gar nicht durchgekommen. Aber er hat das Reden über
Christian Kracht formatiert, vereinheitlicht. Eher fraglich, ob man auf so
etwas stolz sein kann.
## Er liest, er liest nicht, er liest
Dabei hat diese Krach-Geschichte hier in Leipzig auch ihre fast schon
lustigen Aspekte. Plötzlich ging die Parole um: Kracht lässt die Lesung
ausfallen, er verweigert sich der Messe. Große Aufregung, Nachfrage bei der
Pressesprecherin, die sich das auch nicht erklären kann, jedenfalls: Das
sei eine Ente, er liest.
Allmählich schälte sich heraus, dass eine Lokalzeitung etwas nicht richtig
verstanden hatte und dpa und Spiegel Online das dann weiterverbreitet
hatten – und man konnte wunderbar lernen, wie schwierig solche
Falschmeldungen wieder einzufangen sind. Noch Stunden nach der Lesung gab
es auch Erstaunen: „Ach, er hat wirklich gelesen? Ich hatte gehört, er hat
das abgesagt!“ Und dann gleich wieder die Frage: „Wie war’s?“
Auch sonst hat einen Kracht auch schon vor der Lesung beschäftigt. Helge
Malchow, Verleger von Kiepenheuer & Witsch und damit von Christian Kracht,
hat sich nämlich entschieden, die Sache offensiv anzugehen und sich
eindeutig hinter seinen Autor zu stellen.
Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Wo immer man Christian Kracht sah –
und man sah ihn häufig: bei der Eröffnung, am Verlagsstand, beim Buchpreis,
zwischendurch –, stand Helge Malchow direkt neben oder hinter ihm. Wirklich
immer und überall. Der Autor und sein Verleger haben diese Messe wie ein
Male Couple absolviert, heute werden sie auf der Lit.Cologne in ähnlicher
Eintracht zu sehen sein. Eine klare programmatische Ansage: Wir gehen gar
nicht erst in die Rechtfertigungsposition, aber das offensiv!
## Nicht einen Zentimeter weichen
So ist denn auch wohl die Falschmeldung entstanden: Öffentliche Gespräche
über den Roman „Imperium“ blockt man ab; man würde, so Helge Malchows
Analyse, um den Spiegel-Artikel einfach nicht herumkommen und damit immer
in einer defensiven und unmöglichen Position sein. Wie soll man als Autor
denn auch demonstrieren, kein Nazibuch geschrieben zu haben?! Aber von
Autor und Roman weicht man nicht einen Zentimeter. Gelesen wird also!
Genau so war dann auch die Lesung. Christian Kracht las eine Stunde aus den
Schlusskapiteln des Romans – und wer von den etwa 500 Zuhörern im voll
besetzten Lesesaal der Leipziger Unibibliothek einen Skandal erwartet
hatte, wird enttäuscht gewesen sein; wer dagegen den Roman gut fand, wird
über die Fahrigkeiten des Vorlesenden hinweggehört haben, was für alle aber
nicht immer leicht war. Ein brillanter Vortragskünstler ist Kracht nicht.
Ansonsten: Vielleicht ist später noch mal ein differenziertes Sprechen über
dieses Buch möglich. Auf dieser Messe ging das noch nicht.
Dafür funktioniert eine andere Sache überraschend gut: Dass Wolfgang
Herrndorf seinen Buchpreis nicht selbst bei Presseterminen präsentieren
kann, wird allerorten akzeptiert, sagt der Rowohlt-Verlag. Robert Koall,
sein von ihm beauftragter Stellvertreter, nimmt die anstehenden Gespräche
und Interviews wahr – und wie man hört, klappt das allerorten gut.
16 Mar 2012
## AUTOREN
Dirk Knipphals
Dirk Knipphals
## TAGS
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Christian Kracht
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