# taz.de -- Kinderhandel in Spanien: Schwester María gab vor zu helfen | |
> Alleinstehenden Frauen nahm die Nonne María Gómez Valbuena über | |
> Jahrzehnte die Babys weg und verkaufte sie an reiche Familien. Jetzt | |
> ermittelt der Staatsanwalt. | |
Bild: Bis in die 1980er Jahre hinein betrieb die Nonne den Handel mit Babys. | |
MADRID taz | Es war ein lukratives und perfides Geschäft, das die spanische | |
Nonne María Gómez Valbuena zusammen mit Ärzten der Madrider Geburtsklinik | |
bis hinein in die 1980er Jahre betrieb. Alleinstehenden Schwangeren aus | |
sozial benachteiligtem Umfeld wurden unter Vorwänden ihre Neugeborenen | |
weggenommen und an reiche, gut katholische Familien verkauft. | |
Die mittlerweile 80-jährige Schwester María schaltete Anzeigen in | |
Zeitschriften. Alleinstehenden Schwangeren würde geholfen, hieß es da. Es | |
waren dunkle Jahre im streng katholischen Spanien. Meist wurden | |
unverheiratete Schwangere von der Familie zurückgewiesen, legalen | |
Schwangerschaftsabbruch gab es nicht. | |
Schwester María versprach den jungen Frauen bei einem ersten Gespräch die | |
Versorgung der Neugeborenen in einem Kinderheim. Das sollte der Mutter | |
helfen, ihr Leben in Ordnung zu bringen. | |
Doch wer sich auf Schwester María einließ, verlor sein Kind. Kaum aus dem | |
Kreißsaal entlassen, wurden den meisten Müttern erklärt, das Baby sei tot | |
zu Welt gekommen. Das Krankenhaus würde sich um die Beisetzung kümmern. Im | |
Nachbarzimmer wartete die Käuferin und nahm den Säugling entgegen. Hohe | |
Geldbeträge wechselten den Besitzer. Kamen einer Mutter Zweifel, ging das | |
Krankenhauspersonal so weit, ihr einen Leichnam zu zeigen. Dieser soll, so | |
Zeugen, in einem Kühlschrank eigens für diesen Zweck aufbewahrt worden | |
sein. | |
Eine der Betroffenen, María Luisa Torres, hat mittlerweile ihre Tochter | |
wiedergefunden. Es war 1982, als sie sich auf die Anzeige von Schwester | |
María meldete. Sie war alleinstehend und wollte ihre Tochter in einem | |
Kindergarten lassen, von dem in der Anzeige die Rede war. Nach der Geburt | |
wurde ihr mitgeteilt, dass das Bay verstorben sei. Sie sagte gegen | |
Schwester María aus. „Sie hat all dies getan, um ihre Taschen zu füllen“, | |
meint Torres. | |
Die Ermittlungen wurden erst nach jahrelangem Drängen der betroffenen | |
Frauen überhaupt aufgenommen. So wurde auch Torres bei einem ersten | |
Versuch, sich vor Gericht Gehör zu verschaffen, abgewiesen. Jetzt ermittelt | |
die Staatsanwaltschaft in Madrid wegen „Entführung“. Neben Schwester María | |
wird auch gegen einen Arzt ermittelt. | |
## Schätzungen von 300.000 verkauften Kindern | |
Die Vorfälle in der Hauptstadt sind kein Einzelfall. Die „Plattform | |
geraubter Kinder“ schätzt die Zahl der Babys, die in den Jahren der | |
Diktatur und in den ersten Jahren der Demokratie geraubt wurden, auf bis zu | |
300.000. Im letzten Jahr gingen 1.500 Anzeigen bei den Gerichten ein. | |
Mittlerweile wurden auf richterliche Anordnung 22 Gräber geöffnet. Mehrere | |
von ihnen waren tatsächlich leer. | |
Die ersten Anzeigen kamen von Menschen, denen die vermeintliche Mutter auf | |
dem Sterbebett gestanden hatte, dass sie als Kinder einst gekauft worden | |
waren. Zusammen mit Frauen, die nie den Verdacht losgeworden sind, ihr Baby | |
sei gar nicht gestorben, gründeten sie die Initiative „Plattform geraubter | |
Kinder“. Sie demonstrierten immer wieder. 90.000 Unterschriften forderten | |
schließlich eine „Untersuchungskommission wie in Argentinien“. | |
Die Betroffenen haben auch den in Madrid verantwortlichen Arzt ausfindig | |
gemacht. Eduardo Vela, der mittlerweile in Rente ist, leugnete beim Verhör | |
alles. Nach Unterlagen über die Geburten befragt, gab er an, sie vernichtet | |
zu haben – zum Schutz der Persönlichkeit der Mütter. | |
„Überall in Spanien gab es Nonnen und Ärzte, die nach dem gleichen System | |
vorgingen“, berichtet Mar Soriano Rñiz, Gründerin und Sprecherin der | |
Initiative in Madrid. „Es gibt keinen Grund mehr, uns abzuweisen“, sagt die | |
Frau, die ihre Schwester Beatriz sucht, zum Beschluss der | |
Staatsanwaltschaft. Sie sei an Mittelohrentzündung verstorben, wurde ihrer | |
Mutter einst erklärt. Sie hofft Beatriz doch noch zu finden. | |
In neun Fällen war die Suche nach den verschwundenen Kindern bisher | |
erfolgreich. „Alles dank unserer Arbeit. Ohne jegliche Unterstützung von | |
staatlicher Seite“, sagt Soriano. | |
2 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Spanien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zwangsadoption in Spanien: Die Nonne und der Kindesraub | |
Jahrzehntelang wurden Neugeborene ihren Müttern entwendet und zur Adoption | |
freigegeben. María Luisa Torres fand ihr Kind nach 30 Jahren wieder. | |
Ultrakonservative Internetseite: Kreuz.net im Fadenkreuz | |
Der Verfassungsschutz hält die Webseite kreuz.net für grundgesetzwidrig. | |
Sie zeichne sich durch homophobe, muslimfeindliche und antisemitische | |
Beiträge aus. | |
Kommentar Papst auf Kuba: Gesunde Ernüchterung | |
Der Besuch des Papstes auf Kuba macht klar: Die Zivilgesellschaft, die | |
DissidentInnen und BloggerInnen – sie alle können auf die Kirche nicht | |
zählen. | |
Kirche in den Niederlanden: Kastration gegen Homosexualität | |
In den 1950er Jahren wurden Jugendliche in Einrichtungen der | |
niederländischen katholischen Kirche kastriert. Der Fall Heithuis ist nun | |
an die Öffentlichkeit gekommen. | |
Kommentar Missbrauch in Kirchen: Ackermanns Frechheit | |
Bevor die katholische Kirche Laien Verantwortung überträgt, setzt sie | |
lieber pädophile Straftäter als Seelsorger ein. Es muss endlich eine | |
unabhängige Kommission her. | |
Pädophilie in der katholischen Kirche: Ende der Parallelgesellschaft | |
Der Mann, der in der Öffentlichkeit das Gesicht der Kirche für Aufklärung | |
und Prävention sexualisierter Gewalt ist, soll selbst Pädosexuelle | |
beschäftigt haben. |