# taz.de -- Kommentar Missbrauch in Kirchen: Ackermanns Frechheit | |
> Bevor die katholische Kirche Laien Verantwortung überträgt, setzt sie | |
> lieber pädophile Straftäter als Seelsorger ein. Es muss endlich eine | |
> unabhängige Kommission her. | |
Vor zwei Jahren wurde von der Politik ein Runder Tisch eingesetzt, um auf | |
Missbrauchsfälle in kirchlichen und anderen Institutionen zu reagieren. | |
Zwei Jahre später ist klar: Das wichtigste Ziel wurde nicht erreicht. | |
Klarheit und Wahrheit über das Ausmaß in der Katholischen Kirche zu | |
erreichen. | |
Angesichts der Vorgänge im Bistum Trier, wo mehrere pädophile Priester | |
weiter beschäftigt werden sollen, muss man sich fragen: Wie lange wollen es | |
sich die von ihren Hirten gerne als Schäfchen bezeichneten zahlenden | |
Mitglieder der Körperschaft öffentlichen Rechts noch gefallen lassen, dass | |
ihr Ruf von uneinsichtigen oder überforderten Vertretern der Katholischen | |
Kirche vollends ruiniert wird? Und wie lange will sich die Gesellschaft | |
noch gefallen lassen, dass eine Institution sich in dieser Weise selbst | |
aufklärt? | |
Polizisten bewältigen keine Polizei-Skandale und Ärzte klären keinen | |
Ärzte-Pfusch auf. Nur die deutschen Bischöfe sollen ihr Versagen selbst | |
aufdecken und aufarbeiten. Und das Ergebnis? | |
Bis heute wissen wir nicht, wie viele Fälle sexuellen Missbrauchs es wo | |
innerhalb der weitverzweigten Katholischen Kirche in Deutschland gegeben | |
hat. Während in Irland, Österreich oder zuletzt den Niederlanden | |
Kommissionen im staatlichen Auftrag die Untersuchung vorantrieben, stochern | |
wir hierzulande immer noch im Nebel. Nach dem Abflauen des öffentlichen | |
Interesses fühlen sich die Betroffenen von Staat und Gesellschaft wieder | |
allein gelassen mit ihrer „Täter-Organisation“. | |
Wäre der Trierer Bischof Stephan Ackermann eine Führungskraft irgendwo in | |
Wirtschaft oder Politik, dann wäre jetzt wohl der Zeitpunkt für den | |
Rücktritt: Erst kommt im letzten Jahr heraus, dass Ackermann noch im Jahre | |
2011 im Falle eines Täter-Priesters die eigenen Leitlinien der katholischen | |
Kirche nicht einhält. Und nun sind es mindestens sieben Priester, die in | |
seinem Bistum allerlei priesterlichen Aufgaben nachgehen dürfen – verbunden | |
mit der Hoffnung, sie mögen sich nunmehr von Kindern und Jugendlichen | |
fernhalten. Nach dem Motto: „Du du, nun ist aber Schluss“. Was für eine | |
Verkennung des psychischen Drucks unter dem solche Täter stehen und der sie | |
zu immer neuen Taten treibt! | |
Ja, Ackermann besitzt sogar die Frechheit zu behaupten, dieses Vorgehen | |
diene der Prävention. Es wäre schlimmer, wenn die Täter nun irgendwo frei | |
herum liefen, ohne dass der Bischof auf sie aufpasste. Bitter kann man dazu | |
nur feststellen: Hätte die Kirche diese Seelsorger nicht solange gedeckt, | |
wären viele von ihnen dort, wo Berufenere auf sie aufpassen würden. | |
Was Ackermann als Nächstenliebe gegenüber gefallenen Mitbrüdern zu | |
verkaufen sucht, ist nur ein weiteres Beispiel für die Unfähigkeit der | |
Kirche, im eigenen Laden aufzuräumen und sich endlich mit den strukturellen | |
Ursachen auseinanderzusetzen: Neben der verkorksten Sexualmoral ist das | |
Festhalten am Zwangszölibat zu nennen, wodurch das falsche Personal | |
angelockt und ein vergiftetes Binnenklima in der Männerkirche geschaffen | |
wird. Der dramatische Priestermangel in der Kirche führt offensichtlich | |
dazu, dass man auf wirklich niemanden verzichten kann. Demnach scheint die | |
Logik zu lauten: Bevor man Laien Verantwortung in der Kirche überträgt, | |
oder, Gott bewahre, sogar Frauen, werden lieber pädophile Straftäter als | |
Seelsorger eingesetzt. | |
Es ist höchste Zeit, dass auch in Deutschland ein wirklich unabhängiges und | |
vollständiges Bild von den Vorgängen in der Katholischen Kirche bekannt | |
wird. Eine Untersuchungskommission aus Fachleuten, die den Opfern zuhört | |
und Taten aufklärt, ist dringend notwendig. | |
20 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Matthias Katsch | |
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