# taz.de -- Protest gegen chinesische Kontrollbehörden: Ai Weiwei überwacht s… | |
> Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat vier Webcams in seiner Wohnung | |
> installiert. Damit will er auf seine Überwachung durch die chinesischen | |
> Autoritäten hinweisen. | |
Bild: Um 22.25 Uhr schon im Bett: Der Künstler Ai Weiwei schläft. | |
In einem Umkreis von 100 Meter um das Haus Ai Weiweis befinden sich 15 | |
Überwachungskameras. Vor der Tür stehen ununterbrochen Wächter, und das | |
Telefon wird abgehört. Der 54-jährige Künstler wird seit seiner Freilassung | |
im Juni 2011 rund um die Uhr kontrolliert. | |
Am 3. April 2011 – vor genau einem Jahr – wurde er festgenommen. Er war 81 | |
Tage lang verschwunden, seine Angehörigen und Freunde wussten nicht, wo er | |
war. Damals war der Künstler auf dem Flughafen von Beijing inhaftiert. Zum | |
Jahrestag seiner Verhaftung lässt er sich jetzt selbst überwachen. Mit vier | |
Webcams, die er in seiner Wohnung und seinem Hof installiert hat. „Ich | |
dachte, dass die Leute sich an diesem Tag vielleicht Sorgen um mich machen. | |
Die Live-Bilder sind ein Geschenk für sie: Ich bin hier und ihr könnt mich | |
sehen“, sagt Weiwei in The Guardian. | |
Doch er präsentiert die Webcams nicht nur als Geschenk für seine Freunde | |
und Anhänger, sondern auch für die Autoritäten. „Es ist auch ein Geschenk | |
für die Sicherheitsdienste, weil sie mich verfolgen, mein Telefon abhören | |
und alles Notwendige machen, um 'Geheimnisse' von mir zu erfahren. Aber ich | |
habe keine 'Geheimnisse'.“ | |
Den Behörden zufolge wurde Ai Weiwei wegen Steuerhinterziehung verhaftet. | |
Sein Fall habe nichts mit Menschenrechten zu tun. Seine Anhänger hingegen | |
sagen, die Festnahme sei politisch motiviert gewesen. Der Künstler | |
kritisierte die chinesischen Autoritäten in Bezug auf verschiedene heikle | |
Themen, insbesondere auf den Tod von Schülern in schlechtgebauten Schulen | |
beim Erdbeben in Sichuan 2008. | |
Die Seite [1][weiweicam.com] zeigt Aufnahmen vom Innenhof, dem Bett Ai | |
Weiweis, seinem Computer und seinem Atelier. Unter den Bildern befindet | |
sich ein Twitterfenster mit Nachrichten von Ai Weiwei und anderen, | |
allerdings auf Chinesisch. | |
## Anfangs enttäuschend | |
Auf den ersten Blick ist die Seite eher enttäuschend, die Bilder sind | |
dunkel und der Künstler selbst ist nirgends zu sehen. Dass es in Beijing zu | |
der Zeit, zu der dieser Artikel geschrieben wird, schon Abend ist, trägt | |
nicht zur guten Sicht bei. Das Wechseln zwischen den Kameras geht nur sehr | |
langsam voran. Als Zuschauer fragt man sich, ob der Künstler eine langsame | |
Verbindung hat, oder ob es vielleicht doch die chinesischen Behörden sind, | |
die hier ihren Einfluss zeigen. | |
Doch dann – Überraschung! – ist Ai Weiwei plötzlich, in gutem Licht, hint… | |
seinem Computer zu sehen. Die Kamera hängt direkt über seinem Kopf. Die | |
Erleichterung ist tatsächlich groß, er ist also zuhause und wurde noch | |
nicht verhaftet. Eine Minute später ist das Bild verschwunden und die Seite | |
zeigt einen Ladefehler an. Nach fünf Minuten erscheint auf der „Computer | |
Cam“ erneut das Bild von Ai Wei Wei am Computer. Es bewegt sich nicht, was | |
wahrscheinlich der schlechten Verbindung geschuldet ist. | |
Wie lange die Kameras in seiner Wohnung bleiben, ist noch nicht sicher. Ai | |
Weiwei sagt in The Guardian, er habe die Kameras sogar größtenteils schon | |
vergessen. Weiwei, der immer noch hinter dem Computer sitzt, twittert live | |
für seine Unterstützer. Aus den Nachrichten geht hervor, dass der Künstler | |
nach dem Abendessen ein Interview geben wird. Auch bringt jemand die | |
Gefangenschaft Ai Weiweis in einen geschichtlichen Zusammenhang mit dem Tot | |
Zou Rongs, einem chinesichen Revolutionär der Anti-Qing-Bewegung, der am 3. | |
April 1905 im Alter von 20 Jahren im Gefängnis starb. | |
Ein anderer twittert Links zu Fotos von der Überwachung rund um das Haus | |
des Künstlers. Ein Stück der Straße ist abgesperrt, ein Autobus, der von | |
der Polizei sein könnte, steht davor. Auf einem anderen Bild ist ein | |
Polizist vor einem dunklen Auto und einer Mauer zu sehen. Wo genau die | |
Bilder gemacht wurden, ist unklar. Die Kameras dienen nicht nur der | |
Überwachung, sondern erzeugen auch Nervosität. Ai Weiwei wurde auf Kaution | |
entlassen, die bis ein Jahr nach seiner Freilassung anhalten soll. Im | |
November sagte er: „Jeden Tag denke ich, dass dies der Tag ist, an dem ich | |
wieder festgenommen werde.“ | |
3 Apr 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://weiweicam.com | |
## AUTOREN | |
Josta van Bockxmeer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Ai Weiwei | |
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