# taz.de -- Neues Crowdfunding-Gesetz in den USA: Der kleine Börsengang | |
> In den USA wird es künftig einfacher für Firmen, Gelder im Netz | |
> einzusammeln. Das neue „Crowdfunding-Gesetz“ hat aber noch einige Tücken. | |
Bild: Vor zehn Jahren versuchten sich Startups an der Börse – jetzt dürfen … | |
BERLIN taz | Online-Plattformen wie [1][Kickstarter] sind in den USA und | |
zunehmend auch international ein großer Erfolg: Kreative Unternehmer und | |
solche, die es werden wollen, stellen ihren Produktvorschlag, ihr | |
Filmprojekt, ihre Softwareidee oder ihr Umweltvorhaben anderen Nutzern vor, | |
die dann dafür Geld geben können. Kommen innerhalb einer festgelegten Zeit | |
genügend virtuelle Scheine – Verpflichtungen, zu bezahlen – zusammen, kann | |
das Projekt starten. Die Plattform bekommt einen kleinen Prozentsatz, der | |
Rest geht komplett an den Unternehmer. | |
Auf diese Art sind schon zahllose spannende Zubehörartikel für Smartphones | |
oder Tablets entstanden, Retrovideospiele wurden wiederbelebt und Alben mit | |
Spielemusik angeschoben. Selbst nachhaltige Landwirtschaftsprojekte finden | |
hier ihr Startkapital. | |
An US-Präsident Barack Obama scheint der Trend nicht vorbeigegangen zu | |
sein: Im Rahmen des „Jumpstart Our Business Startups“-Gesetz, kurz JOBS | |
Act, sollen einige der „Crowdfunding“-Ideen nun auf das reguläre | |
Geschäftsleben übertragen wären. Das Paket, das bereits von | |
Repräsentantenhaus und Senat verabschiedet wurde, erlaubt es Unternehmen, | |
mit einem Crowdfunding-Ansatz Investoren zu finden. | |
Statt wie bei Kickstarter und Co. in einzelne Produkte ihr Geld zu stecken, | |
sollen die Amerikaner künftig leichter in junge Firmen investieren können, | |
die ihnen dann Anteile geben. Ganz neu ist die Idee nicht – etwas größer | |
gedacht, nennt man sie Börsengang. Allerdings muss man für das Crowdfunding | |
wesentlich weniger Hürden überspringen, so dass sich die Finanzierungsform | |
auch für kleine und mittlere Betriebe eignet, die noch kein Interesse daran | |
haben, an öffentlichen Märkten gehandelt zu werden. | |
Der JOBS Act erlaubt es unter anderem, dass eine Firma mehr Aktionäre haben | |
kann, bevor sie eine offizielle Akkreditierung bei der US-Börsenaufsicht | |
braucht und Berichtspflichten hat, die denen von Unternehmen an der Börse | |
entsprechen. Außerdem wurde der maximale Marktwert erhöht – auf immerhin 50 | |
Millionen Dollar. | |
## Weniger Regulierung, einfache Berichtspflicht | |
Außerdem könnten interessierte Personen leichter in Crowdfunding-Firmen | |
investieren – dabei sollen sie mit jährlichen Limits geschützt werden, die | |
sich an ihrem Einkommen orientieren. Außerdem hebt der JOBS Act einige | |
Vorgaben auf, die das sogenannte Sarbanes-Oxley-Gesetz geschaffen hatte, | |
das nach dem Dotcom-Crash zur Jahrtausendwende eingeführt wurde: Es soll | |
regulatorische Erleichterungen geben, gleichzeitig werden die | |
Berichtspflichten vereinfacht. | |
Noch lässt sich nicht sagen, welche Auswirkungen das neue Gesetz auf | |
Investitionsklima und Verbraucherschutz haben wird. Sarbanes-Oxley gilt als | |
einer der Gründe, warum sich unter anderem Internet-Firmen mit Börsengängen | |
in den letzten zehn Jahren vergleichsweise zurückgehalten haben. In der | |
Dotcom-Zeit, an die sich nicht nur Börsenhändler noch lebhaft erinnern, | |
gingen zahllose Firmen an NASDAQ und Co., die noch rote Zahlen schrieben. | |
Mit dem Platzen der ersten Internet-Blase fielen die Umsätze, erste | |
Unternehmen gingen pleite. Resultat war eine Wertevernichtung in Höhe von | |
fünf Billionen Dollar gemessen am Marktwert zwischen 2000 und 2002. | |
Sarbanes-Oxley wurde eingeführt, damit sich so etwas nicht mehr so leicht | |
wiederholen kann. Entsprechend gab es Kritik von Verbraucherschützern, dass | |
der JOBS Act hier wieder Löcher reißen könnte. | |
Andere Beobachter fragen sich, ob Crowdfunding für Start-ups im | |
Techniksektor überhaupt eine sinnvolle Lösung ist. Eine Firma mit Hunderten | |
kleinen Aktionären könne Probleme bekommen, institutionelle Investoren | |
anzuziehen, sagte Bob Clarkson, ein auf Investmentrecht spezialisierter | |
Anwalt im Silicon Valley, der New York Times. Große Geldgeber sähen die | |
Gefahr, dass die Kleinfinanciers keine Lust mehr hätten, etwas | |
nachzuschießen, wenn eine Firma in eine Problemzone gerate. „Der Prozess, | |
die Genehmigung der Aktionäre für eine nächste Finanzierungsrunde | |
einzuholen, wird bei mehreren Hundert Personen komplexer und | |
unvorhersehbarer.“ | |
4 Apr 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kickstarter.com/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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