# taz.de -- Mobilmachung im Sudan: Am Nil fließt Blut statt Öl | |
> Zwischen dem Sudan und seinem südlichen Nachbarn herrscht offener Krieg. | |
> Die Besetzung des Ölfeldes Heglig durch den Süden weckt Unversöhnlichkeit | |
> allerorten. | |
Bild: Bei den Kämpfen um das Ölfeld Heglig zerstörtes Fahrzeug. | |
BERLIN taz | Für das Regime des Sudan geht es ums Überleben. Seit das | |
Nachbarland Südsudan vor einer Woche das sudanesische Ölfeld Heglig | |
besetzte, vergeht kaum ein Tag ohne Kriegserklärungen in der Hauptstadt | |
Khartum, ohne Aufrufe zur Selbstverteidigung gegen den Erzfeind, ohne | |
Luftangriffe auf Ziele im Süden – vor allem in der Provinzhauptstadt Bentiu | |
oder in Heglig selbst. | |
Nach südsudanesischen Angaben wurde das Ölfeld seit dem Wochenende „zu | |
Staub“ bombardiert. Am Dienstag rief Sudans Botschafter in Kenia, Kamal | |
Islamil Said, im kenianischen Radiosender Capital FM zur Mobilmachung aller | |
Sudanesen auf und drohte: „Frieden wird sich erst durchsetzen, wenn wir im | |
Süden eine vernünftige Regierung haben.“ | |
Auch Südsudan sieht sich jetzt im Krieg, sozusagen eine Bewährungsprobe für | |
die regierende Exbefreiungsarmee SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee), | |
die dem großen nördlichen Nachbarn in Jahrzehnten entbehrungsreichen | |
Kampfes die Unabhängigkeit abtrotzte und sich jetzt nicht schon wieder | |
beugen will. | |
In der Hauptstadt Juba erfindet die Regierung immer neue | |
Solidaritätsabgaben für das Militär und meldet heldenhafte Schlachten mit | |
Hunderten toten Feinden. | |
Auch hier gibt es Aufrufe zur Generalmobilmachung: „Wir mobilisieren unser | |
Volk, um Präsident Salva Kiirs Ruf nach Massenmobilisierung von Zivilisten | |
im Militärdienst zur Landesverteidigung zu erfüllen“, zitierte die | |
südsudanesische Zeitung New Nation am Samstag Informationsminister Gideon | |
Gatpan. | |
## Ölfeld besetzt | |
Dass Sudans größtes Ölfeld Heglig am 10. April kampflos an südsudanesische | |
Truppen fallen konnte, ist die bisher spektakulärste Wendung in den vielen | |
Streitigkeiten zwischen Nord- und Südsudan seit dem | |
Unabhängigkeitsreferendum im Süden im Januar 2011. | |
Im Mai 2011 besetzte Sudans Armee handstreichartig die umstrittene | |
Grenzregion Abyei, dessen zukünftige Zugehörigkeit zu einem der beiden | |
Teilstaaten eigentlich Gegenstand internationaler Vermittlung ist. | |
## Hohe Gebühren | |
Ab Juni ging sie brutal gegen Rebellen in weiteren umstrittenen Regionen | |
vor, vor allem in den Nuba-Bergen in der Provinz Südkordofan. Nach | |
Südsudans Unabhängigkeit im Juli schließlich verlangte Sudan gigantische | |
Durchleitungsgebühren für Südsudans Ölexporte, die über eine durch Sudan | |
führende Pipeline auf den Weltmarkt kommen. | |
Es wollte damit den durch die Abspaltung des Südens verursachten Verlust | |
von drei Vierteln seiner bisherigen Ölvorkommen kompensieren. | |
Als Reaktion darauf stellte Südsudan Anfang dieses Jahres die Ölförderung | |
komplett ein. Und mit der Besetzung von Heglig durch Südsudan soll nun auch | |
der Norden sein Öl verlieren. | |
Heglig ist das größte Ölfeld Sudans außerhalb des Südens und lieferte | |
bisher rund die Hälfte der sudanesischen Förderung von rund 115.000 Barrel | |
täglich. | |
## Unverständnis im Südsudan | |
Die internationalen Verurteilungen dieses Vorstoßes und die Aufforderungen, | |
sich aus Heglig zurückzuziehen, versteht man in Südsudan nicht ganz. Manche | |
südsudanesischen Experten sagen, Heglig sei eigentlich Teil der Region | |
Abyei und damit Teil des Südens. | |
2009 aber verkleinerte der für zwischenstaatliche Dispute zuständige | |
Internationale Gerichtshof in Den Haag Abyeis Fläche um fast die Hälfte und | |
beließ Heglig auf der nördlichen Seite. In Juba heißt es nun aber, Den Haag | |
habe nicht über Heglig entschieden und damit sei das Gebiet weiter | |
umstritten. | |
Aber das Recht ist heute zweitrangig. Südsudan hofft, mit der Besetzung von | |
Heglig militärische Fakten zu schaffen, ebenso wie Sudan mit der Besetzung | |
von Abyei vor einem Jahr. Friedensstimmen sind da nicht gefragt. | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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