# taz.de -- Bildungsausländer wandern aus: Deutsch als Ausreisegrund | |
> Obwohl sie wollen, bleiben Ausländer nach dem Studium selten in | |
> Deutschland. Der Grund: Im Studium brauchen sie wenig Deutsch, für Jobs | |
> aber schon. | |
Bild: Attraktive Unis, unattraktiver Arbeitsmarkt. | |
BERLIN taz | Sie gelten als Musterzuwanderer: junge Ausländer, die nach | |
deutschem Recht studiert haben und hier geprüft wurden. Tatsächlich würden | |
acht von zehn ausländischen Studierenden nach ihrem Abschluss gern für | |
einige Jahre in Deutschland arbeiten. Das zeigt [1][eine internationale | |
Vergleichsstudie] des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für | |
Integration und Migration. Doch nur jedem vierten Absolventen gelingt das. | |
„Es gibt eine enorme Kluft zwischen Bleibewunsch und der konkreten | |
Realisierung“, bilanziert die Forschungsdirektorin des | |
Sachverständigenrates, Gunilla Fincke, die am Donnerstag die Ergebnisse | |
vorstellte. Dass das wirtschaftlich potente, aber demografisch schwächelnde | |
Deutschland zunehmend auf ausländische Fachkräfte angewiesen sein wird, ist | |
Konsens. | |
Der Bundestag will Ende nächster Woche endlich die Blue-Card-Richtlinie der | |
EU umsetzen, die es Hochqualifizierten aus dem Ausland erlaubt, leichter in | |
der EU Fuß zu fassen. Der deutsche Gesetzentwurf sieht auch Verbesserungen | |
für ausländische Studierende vor. | |
Deutsche Hochschulen werben seit Jahren um ausländische Studierende – über | |
240.000 sind derzeit in Deutschland eingeschrieben, damit ist jeder zehnte | |
Immatrikulierte EU-Ausländer. Der Sachverständigenrat, ein Zusammenschluss | |
von acht deutschen Stiftungen, hat nun in fünf EU-Ländern 6.200 Studierende | |
gefragt, welche Gründe für sie ausschlaggebend sind, nach dem Abschluss zu | |
bleiben. | |
Im Vergleich mit Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden | |
liegt Deutschland bei der Ausschöpfung des Potenzials ausländischer | |
Nachwuchskräfte im Mittelfeld. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt schätzt | |
fast die Hälfte aller hier studierenden Ausländer als gut ein. Über ein | |
Drittel fühlt sich in Deutschland willkommen, nur in den Niederlanden ist | |
dieser Anteil größer. Das deutsche Gefühl wird jedoch von konkreten | |
Erfahrungen kontrastiert: Fast 40 Prozent der Studierenden berichten, im | |
Alltag diskriminiert zu werden. | |
## Nicht ausreichend informiert | |
Ein Jahr haben die Absolventen nach dem Abschluss Zeit, sich in Deutschland | |
einen Job zu suchen. Doch sieht sich nur ein Viertel der hier studierenden | |
Ausländer ausreichend über rechtliche Möglichkeiten informiert. Ein böses | |
Erwachen erleben zudem viele, wenn sie aus der anglisierten akademischen | |
Welt auf den deutschsprachig geprägten Arbeitsmarkt wechseln wollen: Fast | |
40 Prozent sprechen nach dem Studium kein oder allenfalls rudimentäres | |
Deutsch. | |
„Dass sie kein Deutsch sprechen, ist für Studenten aus Südasien das größte | |
Problem bei der Jobsuche“, berichtet ein indischer | |
Ingenieurwissenschaftsstudent. Er verweist darauf, dass die | |
Goethe-Institute in den Herkunftsländern mehr Bewerber als Kurse haben, | |
sodass es schwierig sei, schon vor der Ausreise Deutsch zu lernen. | |
Fincke vom Sachverständigenrat fordert, dass Universitäten die | |
„Hauptanforderung Deutsch“ schon während des Studiums anbieten. | |
Gleichzeitig müssten sich Arbeitgeber von der Fixierung auf perfekt Deutsch | |
sprechende Bewerber verabschieden. „Die interkulturelle Öffnung der | |
Unternehmen ist noch lange nicht erreicht.“ | |
19 Apr 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://bit.ly/IoEefO | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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