# taz.de -- Prozess gegen Anders Breivik: Entschuldigung für einige Opfer | |
> Anders Breivik hat sich bei einem Teil seiner Opfer entschuldigt. Die | |
> Ermordung der Jugendlichen auf der Insel Utøya hält er noch immer für | |
> notwendig. | |
Bild: Staatsanwalt Svein Holden versucht, Breivik bloßzustellen. | |
OSLO dpa | Mit einer Entschuldigung bei einigen seiner Opfer hat der | |
geständige norwegische Attentäter Anders Behring Breivik vor Gericht | |
erstmals Bedauern ausgedrückt. Einige wenige der Verletzten oder Toten im | |
Osloer Regierungsviertel hätten keine Verbindung zur Politik und den | |
Ministerien gehabt. Diese Personen seien nicht sein eigentliches Ziel | |
gewesen, sagte Breivik am Montag in Oslo. „An alle diese möchte ich eine | |
große Entschuldigung richten.“ Die Frage, ob er ähnliches auch den | |
Hinterbliebenen der Jugendlichen von Utøya sagen wolle, verneinte Breivik. | |
Die Entschuldigung komme überraschend, sei aber nicht sehr glaubhaft, | |
äußerten Angehörige von Breiviks Opfern im Gericht. Er glaube nicht, dass | |
der Massenmörder hinter seinen Worten stehe, sagte Jon Hestnes von der | |
Opferhilfe dem Fernsehsender NRK. „Das hilft niemandem. Da war nichts in | |
seiner Körpersprache, das zeigt, dass er es ernst meint.“ | |
Seine Entschuldigung bezog Breivik nur auf wenige Opfer der Bombenexplosion | |
in Oslo. Die jugendlichen Opfer seines Massakers auf der Ferieninsel Utøya | |
seien alles andere als unschuldig, sondern politische Aktivisten, hatte er | |
zuvor bereits gesagt. „Es ist grausam, dass man zu solchen barbarischen | |
Taten gezwungen wird. Aber es war notwendig.“ Die Morde auf Utøya | |
rechtfertigte der 33-Jährige damit, dass das Feriencamp der | |
sozialdemokratischen Jugend ein „Indoktrinierungslager“ gewesen sei. | |
Breivik hatte im vergangenen Sommer 77 Menschen getötet - 8 starben nach | |
einer Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel, 69 weitere bei seinem | |
Amoklauf auf Utøya. Er muss sich vor Gericht wegen Terrorismus und | |
vorsätzlichen Mordes verantworten. Der Prozess soll insgesamt zehn Wochen | |
dauern, das Urteil aber erst Mitte Juli gesprochen werden. | |
## Andere hätten es mehr verdient, sagt Breivik | |
Der Attentäter berichtete, er habe einige der Jugendlichen auf Utøya | |
bewusst verschont. Ein Junge habe nicht linksorientiert, sondern | |
konservativ ausgesehen. „Als ich ihn sah, sah ich eigentlich mich selbst“, | |
sagte Breivik. Auch einen Zehnjährigen habe er verschont - weil er sich | |
fragte, was ein so kleiner Junge in einem Jugendlager mache. | |
Während seines Massakers auf Utøya seien ihm auch Zweifel gekommen, sagte | |
Breivik. „Viele Menschen in Norwegen hätten es mehr verdient, hingerichtet | |
zu werden, als diese Jugendlichen.“ Ursprünglich habe er eine | |
Journalistenkonferenz angreifen wollen. | |
Als er auf der Insel ein Handy gefunden habe, habe er angefangen zu | |
zweifeln und die Polizei angerufen um sich zu stellen. Insgesamt zehnmal | |
habe er angerufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Breivik rund 40 seiner später | |
69 Opfer getötet. „Ich sagte mir, ich würde weitermachen, wenn die Polizei | |
nicht zurückruft“, berichtete er. | |
Während seiner Aussage zeigte Breivik wenig Emotionen, bewies allerdings | |
Selbstmitleid. „Auch ich habe am 22. Juli meine ganze Familie und alle | |
Freunde verloren“, sagte der 33-Jährige. „Der einzige Unterschied ist, dass | |
ich das gewählt habe. Ich habe mich geopfert.“ | |
## Staatsanwalt liest aus dem Manifest | |
Die Staatsanwaltschaft versuchte wie in der ersten Prozesswoche, Breivik | |
bloßzustellen. Wäre er nicht gefasst worden, wäre er eventuell mit einem | |
kleinen Wasserflugzeug aus Norwegen geflohen, berichtete der Attentäter - | |
und gab zu, nie zuvor eine solche Maschine bedient zu haben. Er habe aber | |
viele Flug-Videos im Internet angeschaut. Staatsanwalt Svein Holden | |
konfrontierte ihn mit einem Anruf bei einem Autoservice. Da hatte Breivik | |
vor seinen Anschlägen angerufen, weil er den Rückwärtsgang seines | |
Bombenautos nicht fand. | |
Als Holden eine Passage aus Breiviks rund 1500 Seiten starken Manifest | |
vorlas, reagierte dieser irritiert. Der Attentäter hatte geschrieben, ein | |
Tempelritter müsse seine Geschlechtsorgane abschneiden oder ein Kind töten, | |
um seine Loyalität zu beweisen. Die Staatsanwaltschaft wolle ihn mit ihren | |
Fragen „ja nur lächerlich machen“, kommentierte Breivik. | |
Am Mittwoch soll sich der Attentäter noch einmal außerplanmäßig zu zwei | |
psychiatrischen Gutachten äußern. Vor dem Prozess waren zwei Gutachterteams | |
zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen. Das eine Team bezeichnete | |
Breivik als geistig gesund und zurechnungsfähig, das andere als | |
paranoid-schizophren. | |
23 Apr 2012 | |
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