# taz.de -- Ramones-Konzert in Bremen: "Die waren schmerzfrei" | |
> Im September 1978 spielte die New Yorker Punkband "Ramones" bei Radio | |
> Bremen. Die Bremer mussten zu den Ramones geprügelt werden, sagt der | |
> damalige Regieassistent Jörg Sonntag. | |
Bild: Eins, zwei, drei, vier: die Ramones am 13. September 1978 in der Sendung … | |
taz: Herr Sonntag, wer hatte die Idee, die Ramones bei Ihnen im „Musikladen | |
extra“ spielen zu lassen? | |
Jörg Sonntag: Die Plattenfirma, Sire Records. Die Band war in den USA ja | |
ziemlich erfolgreich, die Plattenfirma hat sie angeboten, Radio Bremen war | |
die einzige Anstalt, die sich das traute: Punk. | |
Das vierte Album „Road to Ruin“ war gerade erschienen. | |
Genau, so muss man das sehen. | |
Ihr habt die Ramones ins Studio 3 gestellt, in dem alle spielten, mit den | |
Diskolichtern? | |
Ja. Das war ja das Absurde, bei so einer rotzfrechen Garagenband, und | |
trotzdem war es grandios. Eine Punkband im gleichen Setting wie | |
holländische Hupfdohlen. Heute würde man sagen: charmant, charmant. | |
Da standen Tische und Stühle. | |
So war das. Retro, das war damals die Idee. Auch mit dem Baldachin, das war | |
gewollt, so eine Wohnzimmer-Atmo. Aber eigentlich war es falsch: | |
Rock’n’Roll und Plüsch geht nicht. | |
Was haben die Ramones gesagt? | |
Nix. | |
Haben die das vorher gesehen? | |
Beim Soundcheck, das war so zwischen 16 und 18 Uhr. | |
Habt ihr die Ramones vorher mal gespielt? | |
„Sheena Is A Punk Rocker“ wurde mal im Musikladen gesendet. | |
Wie kam das Publikum ins Studio? | |
Kostete keinen Eintritt, das Problem war: Das war ein verwöhntes Publikum, | |
die bekamen ständig geile Bands zu hören in Bremen: David Bowie, Charlie | |
Daniels, James Brown, und das alle paar Tage. Ich bin durch die Clubs und | |
Bars gezogen und hab die Karten verteilt. | |
Wo genau? | |
Im Jimmy’s, in der Lila Eule, im Römer. | |
Was haben die Leute gesagt? | |
„Gib her.“ Man wusste nie, wie viele dann auch wirklich kommen. Man wusste | |
nicht, ob die Bock haben, ob es voll wird. Bis auf Bowie, das wurde voll. | |
Was haben Sie gedacht, als die Mädchen mit den Rüschenblusen und den | |
Dauerwellen zu den Ramones kamen? | |
Lieber Rüschenblusen als keine Zuschauer. Die hatten keinen Spaß, die Jungs | |
vorne, die Jungpunker, die hatten Spaß. | |
Kaum einer wusste, wer diese „Ramones“ sind. | |
Das war auch bei anderen Bands nicht besser. Bei den Aufzeichnungen zum | |
„Musikladen“ wollten die Leute dabei sein, bei „Musikladen extra“ nicht. | |
Unser Armageddon war „Police“ im Jahr 1979. Als ich gemerkt habe, dass | |
keiner kommt, hab ich meine Fußball-Kumpels angerufen. So waren wir 30. | |
Wie viele waren es bei den Ramones? | |
300, mehr durften aus Sicherheitsgründen nicht rein. | |
Die meisten sind ja während des Konzerts wie tot, was war hinterher? | |
Nichts, leidenschaftslos. | |
Die Stimmung war nicht immer so. | |
Nee, bei James Brown war es super, weil ich da den US-Soldaten Karten | |
gegeben habe. Bei Bowie sind die Leute ein bisschen aus sich | |
herausgegangen. | |
Stimmt die Geschichte, dass Bowie einen Song für Sie gespielt hat? | |
Stimmt. Er war schon von der Bühne runter, hatte 52 Minuten gespielt, da | |
hab ich ihm gesagt, er muss noch mal zurück. „Warum?“, sagt er, „ich hab | |
doch 52 Minuten gespielt.“ Ich sag’: „Aber Du hast ’Rebel, Rebel‘ nic… | |
gespielt, Du kannst nicht gehen, ohne das zu spielen.“ Er grinst, pfeift | |
auf den Fingern, holt seine Band zurück, geht auf die Bühne und spielt | |
„Rebel, Rebel“. Die beste Version, die er je gespielt hat. | |
Wann war denn richtig was los? | |
Wenn Uschi Nerkes Rock sehr kurz war. Oder bei den Plasmatics, als Wendy O. | |
Williams mit so Klebestreifen über den Brüsten auftrat, das gab richtig | |
Krach. | |
War das Anfang der achtziger Jahre, wo sie auch einen Fernseher und eine | |
Cadillac-Motorhaube bei Euch zerkloppt hat? | |
Genau. | |
Bei den Ramones läuft ständig eine Frau durchs Bild und fotografiert. | |
Marlies Tönsmann, Standfotografin von Radio Bremen. | |
Wo waren Sie während des Gigs? | |
Im Studio, ich war der Verbindungsmann zwischen Regisseur Mike Leckebusch | |
und der Band. Ich hab die Shot-List für Mike gemacht, damit er wusste, wann | |
er von Marky auf Joey, von Johnny auf Dee Dee schneiden soll. Normalerweise | |
auch so Sachen wie Solos. | |
Bei den Ramones gab’s keine Solos. | |
Nee. | |
Wie haben die Ramones auf das Setting im Studio reagiert? | |
Professionell. Ich hab mit ihnen geredet, beim Briefing hab ich gesagt, | |
dass sie nicht für die Leute im Studio spielen, sondern für die | |
Fernsehzuschauer. Die waren schmerzfrei, die hatten auch in den USA solche | |
Erfahrungen gemacht. Das waren knochentrockene Profis. | |
Keine Drogen, kein Alkohol? | |
Nichts. Joeys Schniefnase, die man nicht sieht, weil er die Haare davor | |
hat, kam von einem Schnupfen. | |
Die Drogen kamen später. | |
Jo. | |
Und nach dem Gig? | |
Verabschiedet, weggefahren. Bühnenbildner Richy Rudow und ich waren für die | |
Atmo zuständig. Wir haben die Bands an die Hand genommen, bei Radio Bremen | |
sollte es nicht anonym zugehen. Die Ramones haben keinen Ton gesagt. Die | |
waren angetan von ihrer Performance. Die sind in 52 Minuten durch das Set | |
gejagt, kein Fehler. Wir waren alle sehr beeindruckt. Ich hab ein T-Shirt | |
gekriegt, mit Autogrammen von allen. Das passt mir heute nicht mehr, das | |
T-Shirt. | |
Wie war die Atmo in der Band? | |
Das war keine Band, das waren vier Einzelmusiker, die zusammen auf der | |
Bühne standen, oder im Studio, und das war es. Hatten auch auf der Bühne | |
fast keinen Blickkontakt, nur bei „Pinheads“, wo Joey auf Dee Dee zeigt, | |
und umgekehrt: Du Holzkopf. | |
Wo haben die Ramones geschlafen? | |
Im Park Hotel. | |
Das ging? | |
Klar, die hatten keine Punkattitude. In Bremen gab es nicht viele | |
vergleichbare Hotels, außerdem hatten wir dort Sonderkonditionen. | |
Hatten die Ramones Extrawünsche? | |
Nichts. Kamen im Studio an, Catering, auch ein bisschen was aus der | |
Radio-Bremen-Kantine, saßen in der Garderobe, jeder in seiner eigenen. Joey | |
bekam Tee mit Honig, keine Kommunikation untereinander. Taxi hin, Taxi | |
zurück, keine Aftershow-Party. | |
Dafür dass Joey verschnupft war, singt er riesig. | |
Es ist ein Wahnsinnskonzert. | |
Joey kämpft, wie sein ganzes Leben, um beim Tempo der Rhythm Section | |
mitzukommen. | |
Das schafft er damals noch ohne Silben zu verschlucken. | |
Wie viel Geld haben die Ramones bekommen? | |
500 Mark. Das war damals die Einheitsgage, wir haben auch das Hotel | |
gezahlt. | |
Equipment? | |
Kam von uns. Auch das Drumset von Marky, die haben nur ihr Logo | |
draufgeklebt. | |
Das sind nicht die Marshalls der Ramones, mit denen sie Krach machen? | |
Nö, die waren von Radio Bremen, die stehen in einer Lagerhalle am | |
Europahafen. | |
Die Verstärker stehen in einer Lagerhalle? | |
Genau, schmeißen wir nicht weg. Die Diskokugel liegt da auch. | |
Wie war das mit den Klamotten? | |
Lederjacken, Löcherjeans und T-Shirts. | |
Was hatten sie an, als sie kamen? | |
Lederjacken, Löcherjeans und T-Shirts. Aber andere als auf der Bühne. | |
Und danach wieder Lederjacken, Löcherjeans und T-Shirts. | |
Aber andere. | |
Als Ihr das Material angeguckt habt, war Euch klar, was Ihr da | |
aufgezeichnet habt? | |
Zumindest, dass es ein geiles Konzert ist. Es war „live on tape“ | |
aufgezeichnet, es wurde zeitversetzt gesendet. Wir haben gesagt: Wir ham da | |
was, und auf einen Termin gewartet. Die Ramones hatten eine Quote von zehn | |
bis 15 Prozent. | |
Die Ramones waren nie mehr in Bremen. | |
Nee. | |
24 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
## TAGS | |
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Punk | |
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