| # taz.de -- Hamburgs neuer "Kunst-Imbiss": Aus der Asche auferstanden | |
| > In diesem "Kunst-Imbiss" durften alle mitreden. Trotzdem haben Unbekannte | |
| > ihn im vorigen Juni abgefackelt. Jetzt gibt es einen neuen, weil so viele | |
| > Menschen gespendet haben. Und seine erste Station wird der Tatort sein: | |
| > Hamburgs "Problemstadtteil" Osdorfer Born. | |
| Bild: Wird am Sonntag eingeräumt: der neue Kunst-Imbiss. | |
| HAMBURG taz | Eigentlich hätten die Besitzer das schon gern gewusst: Warum | |
| einer ihren Imbisswagen abfackelt. Einfach ansteckt, in einer Juninacht im | |
| Hamburger „Problemstadtteil“ Osdorfer Born, dabei hat der Wagen keinem was | |
| getan. Aber man wird wohl niemals erfahren, ob das Jux oder ein gezielter | |
| Anschlag auf die Kunst war; die Polizei hat den Fall jedenfalls zu den | |
| Akten gelegt. | |
| Die Rede ist vom Kunst-Imbiss, mit dem die Hamburger Künstler Katharina | |
| Kohl und DG Reiss seit sieben Jahren von Stadtteil zu Stadtteil zuckelten – | |
| und beileibe nicht immer in kunst-affine. Auch in Berlin hat der Wagen | |
| schon gestanden und ist immer etwas Besonderes gewesen, weil irritierend. | |
| Sperrig. Mit Insignien des Konsums – der Imbissbude – spielend und die | |
| Menschen so erstmal anlockend. Wenn sie dann da waren, die Überraschung: | |
| Sind ja nur Bilder, Skülptürchen, Grafiken da in der Auslage, und was daran | |
| soll denn bitte Kunst sein. | |
| Genau bei dieser Frage haben die beiden Künstler angesetzt. Haben | |
| angefangen, zu sprechen mit den Menschen, ganz konkret, über das, was man | |
| da sah. Und vielleicht landete man irgendwann bei Gott und der Welt des | |
| Konsums. Das funktionierte gut, „wir haben nie Aggressionen gegen das | |
| Projekt erlebt und fühlten uns in dem Wagen besonders geschützt“, sagen die | |
| beiden. | |
| Trotzdem fanden sie am Morgen des 27. Juni 2011 nur noch das verkohlte | |
| Fahrgestell vor, als sie den Imbiss aufmachen wollten. Gestanden hatte der | |
| Wagen dabei schon eine Woche dort – Tage und Nächte. „Wir waren total | |
| geschockt“, sagt Katharina Kohl, aber allein waren die geschädigten | |
| Künstler nicht. Denn die Osdorfer, schlechte Presse gewöhnt, wollten das | |
| nicht auf sich sitzen lassen. Kinder buken Waffeln – genau da, wo der | |
| Imbiss gestanden hatte. Ein Euro das Stück, bald hatte man 400 Euro | |
| zusammen. Und die Stadtteilbibliothek stemmte eine Soli-Aktion für den | |
| Kunstimbiss. | |
| Das war, bevor Kohl und Reiss selbst an eine Fortsetzung ihres Projekts | |
| glaubten. „Aber dann wurden auch die Unterstützer-Mails immer mehr“, sagt | |
| Reiss. Menschen, die Geld spenden wollten, meldeten sich, auch Stiftungen | |
| und Hamburgs Kulturbehörde. „Da haben wir langsam geglaubt, dass es | |
| weitergehen könnte“, sagt Kohl. | |
| Leicht war das allerdings nicht. Von Berlin bis Hannover, von der | |
| Lüneburger Heide bis Stade sind die beiden gefahren, haben Wagen | |
| angeschaut. Endlich fanden sie einen. „Einen Propagandawagen der | |
| Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“, sagt Reiss. Der neue Wagen ist | |
| etwas kleiner als sein Vorgänger, dafür handlicher, und er hatte ein | |
| schönes, romantisches Schiff-und-Wasser-Gemälde auf der Stirnseite. Aber | |
| das habe nicht ins Konzept gepasst. Also haben sie es weiß übermalt, aber | |
| ein kleines bisschen Wasser stehen gelassen, als Zitat. | |
| Am kommenden Wochenende, von Freitag bis Sonntag, werden sie den Wagen in | |
| Hamburgs Westwerk einweihen, einem subkulturellen Kunst-Ort in einer | |
| ehemaligen Fabrik. Also nicht gleich draußen, sondern zunächst im Kokon des | |
| geschlossenen Raums. | |
| „Brandneuer Kunst-Imbiss“ steht auf der Einladungskarte, Videos der | |
| Brandnacht werden gezeigt; offensive Selbstironie gibt’s gratis dazu. | |
| Vielleicht der einzige Weg, den Schrecken zu verarbeiten. Und am Sonntag | |
| dann können die Künstler zum „großen Einräumen“ kommen: 80 von den 100,… | |
| den Vorgänger-Wagen bestückt hatten, haben schon zugesagt. „So richtig | |
| abgeschreckt hat der Brand wohl niemanden“, sagt Kohl, „allerdings haben | |
| wir alle Künstler für den Verlust entschädigt. Das war Bedingung, sonst | |
| hätten wir nicht weitergemacht.“ | |
| Geografisch, nein: stadtpolitisch geht es, wenig überraschend, in Osdorfer | |
| Born weiter. „Wir lassen uns nicht kleinkriegen“, sagen die beiden. Und | |
| irgendwann werden sie den Wagen auch wieder allein draußen stehen lassen. | |
| Aber das braucht Zeit. Für die ersten Nächte werden Kohl und Reiss zusammen | |
| mit Künstlerfreunden bei ihrem Imbiss wachen. PS | |
| ## Einweihung: Freitag, 18 Uhr, bis Sonntag, 19 Uhr, Hamburg, Westwerk | |
| Internet: | |
| 25 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
| ## TAGS | |
| Hamburg | |
| Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
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