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# taz.de -- Selbstverbrennungen für Tibet: Mönche in Flammen
> Seit Jahresbeginn haben sich schon 14 junge tibetische Mönche aus Protest
> gegen die chinesische Führung selbst angezündet. In Foren werden sie zu
> Helden erklärt.
Bild: Tibet-Aktivisten fürchten eine Radikalisierung der jungen Mönche.
PEKING taz | Vor einem Jahr, am 16. März 2011, übergoss sich in der
zentralchinesischen Provinz Sichuan der 20-jährige Lobsang Phuntsok auf
einem Marktplatz mit Benzin und zündete sich an. „Möge der Dalai Lama
wieder nach Tibet zurückkehren“, rief er, bevor er verbrannte. Seither
haben es ihm viele gleichgetan. Vergangenen Donnerstag haben sich erneut
zwei junge Tibeter auf diese Weise das Leben genommen.
Das berichtet zumindest die Menschenrechtsgruppe International Campaign for
Tibet mit Sitz in den USA. Ihr zufolge hätten sich die beiden Männer in der
Region Aba in der Provinz Sichuan angezündet. Damit hat sich nach Angaben
auch von anderen Tibet-Initiativen im Ausland die Zahl der
Selbstanzündungen seit Anfang 2011 insgesamt auf 34 erhöht.
Es handelt sich fast immer um junge Mönche, die damit gegen die repressive
Politik der chinesischen Regierung protestieren. Allein in diesem Jahr habe
es 14 Selbstverbrennungen gegeben, beklagte erst jüngst der tibetische
Premierminister Lobsang Sangay, der wie auch das geistige Oberhaupt der
Tibeter, der Dalai Lama, im nordindischen Dharamsala im Exil lebt.
China hat Tibet 1951 annektiert, große Teile der anliegenden Provinzen
angegliedert und eine autonome Provinz Tibet gegründet, die zum Teil mit
rigider Hand regiert wird. Mehr als 150.000 Tibeter sind seitdem
geflüchtet, zumeist ins benachbarte Indien. In den vergangenen Jahren ist
es in den chinesisch besetzten Gebieten immer wieder zu Protesten und
blutigen Aufständen gekommen; den letzten gab es im Frühjahr 2008
anlässlich des Jahrestages des Volksaufstandes am 10. März 1959.
## Dalai Lama lehnt Märtyrertum ab
Selbstverbrennungen stellen aber eine neue Protestform dar. „Besonders
junge Tibeter betrachten das Märtyrertum als letztes erfolgversprechendes
Mittel, um auf die politische Unterdrückung aufmerksam zu machen“, vermutet
Nikolas Schmitt von der Tibet Initiative Deutschland. Dabei sehe der
Buddhismus Selbstverbrennungen gar nicht vor. Der Dalai Lama und die
tibetische Exilregierung haben immer wieder betont, dass sie solche
drastischen Schritte ablehnen.
Dass dennoch junge Menschen zu „dieser besonderen Form der Gewaltausübung“
griffen, zeige, wie verzweifelt viele seien, sagt Schmitt. Er berichtet von
hunderten Mönchen, die in Umerziehungslager gesteckt werden. Sorge bereitet
ihm, dass auf Internetforen immer mehr Tibeter diese Selbstverbrennungen
als Heldentat hochstilisieren. Schmitt spricht von einer „extrem
beängstigenden Entwicklung“, die auf eine zunehmende Radikalisierung der
jungen Generation hinweise. Diese Selbsttötungen zeigten ja auch Wirkung,
so Schmitt. Nun werde international wieder mehr über Tibet berichtet.
Was auffällt: Die meisten Selbstverbrennungen finden gar nicht in der
Provinz Tibet statt, sondern in den umliegenden Provinzen Qinghai, Sichuan
und Gansu. In diesen Gebieten hatte die tibetische Bevölkerung bislang
freier leben können. Seitdem 2008 aber ebenfalls Proteste ausgebrochen
sind, würden die chinesischen Sicherheitskräfte verschärft auch dort
vorgehen, berichtet Schmitt. Die Tibet-Initiative bezieht ihre
Informationen von der tibetischen Exilregierung in Norddindien und versucht
sie über Augenzeugenberichte zumeist von Tibetern vor Ort zu verifizieren.
Die großteils staatlich kontrollierten Medien in China haben zwar
wiederholt über die Selbstverbrennungen berichtet. Doch meistens werden die
Mönche als „Separatisten“ abgetan. Die Sprecherin des chinesischen
Außenministeriums hatte auf Anfrage von ausländischen Journalisten bereits
im vergangenen Jahr die Selbstverbrennungen als „eine Art von Terrorismus“
bezeichnet. Chinas Premierminister Wen Jiabao äußerte immerhin sein „tiefes
Bedauern“.
26 Apr 2012
## AUTOREN
Felix Lee
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