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# taz.de -- Selbstanzündungen in China: Protest oder Kalkül?
> Der Exilabt der Tibeter macht Peking für die Selbstverbrennungen von
> Mönchen und Nonnen verantwortlich. Doch Chinas Führung sieht darin nur
> hinterhältige Proteste.
Bild: Die Nonne Palden Choetso verbrennt sich am 3. November 2011 in Tibet.
PEKING/BERLIN taz | Ein hochrangiger tibetischer Mönch fordert Chinas
Regierung auf, ihre harsche Politik gegenüber Tibet zu mildern, damit die
Selbstverbrennungen enden. 13 Mönche, Nonnen und ehemalige Mönche haben
sich seit März in Westchina und Tibet mit Benzin übergossen und angezündet.
Die Situation der Tibeter sei "verzweifelt", erklärte der im indischen Exil
lebende Abt Kyabje Kirti Rimpoche per Internetbotschaft.
Ganz Tibet stehe unter einer Art "Militärrecht". Besonders repressiv sei
die Lage im Kloster Kirti in der Provinz Sichuan, die an Tibet grenzt. Das
Kloster mit mehr als tausend Mönchen gehört zu den größten Zentren des
tibetischen Buddhismus.
Wie viele Mönche derzeit noch im Kloster Kirti lebten, sei unklar, erklärte
der Geistliche. Seit dem Frühjahr seien 300 bis 800 lokale Funktionäre in
das Kloster gezogen. Sie hätten die Mönche in 55 Gruppen unterteilt, um sie
zu kontrollieren und "kontinuierlich" an sogenannten "patriotischen
Schulungen" teilnehmen zu lassen. Im Frühjahr seien dort Hunderte Mönche
verschleppt worden. Einige seien schwer gefoltert worden.
Die Selbstanzündungen begannen am 16. März, als der 20-jährige Mönch
Phuntsog diese Form des Protests gegen die Regierungspolitik wählte.
Razzien in den Wohnquartieren seien alltäglich. Das Kloster sei voll mit
Überwachungskameras und Abhörgeräten.
Bei den Schulungen würde "immer wieder mit der Zerstörung des Klosters
gedroht", falls die Mönche ihre kritische Haltung zur Regierung nicht
aufgäben, so Kyabje Kirti Rimpoche. Der 70-Jährige ist Abt aller zur
Kirti-Gemeinschaft zählenden tibetischen Klöster. Mit dem Dalai Lama war er
1959 nach Indien geflohen, doch hat er seine Heimat in den 80er Jahren
besuchen können.
## Lebensbedingungen seien nicht Ursache
Chinas Regierung weist die Vorwürfe zurück. Der für Tibet zuständige
Vizeminister beim ZK der KP Chinas, Zhu Weiqun, machte bei einem Besuch in
Berlin den Abt Kyabje Kirti Rimpoche für die Selbstverbrennungen
verantwortlich. "Er hat die Aktionen geplant", sagte Zhu vor Journalisten.
Die Lebensbedingungen der Tibeter in Sichuan seien nicht die Ursache der
Suizide. Nur in vier von 3.052 tibetischen Klöstern hätten sich Mönche oder
Nonnen angezündet. "Davon allein sechs in Kirti".
Nach dem ersten Fall hätten drei Helfer ein Geständnis abgelegt, begründete
der Funktionär die Verurteilung mehrerer Mönche zu hohen Haftstrafen wegen
Beihilfe zur Selbstverbrennung. Zhu machte dafür Einflüsse der
exiltibetischen Gemeinde im indischen Dharamsala verantwortlich: "Der Dalai
Lama hat gesagt, die Opfer hätten große Mut gezeigt. Das zeigt, dass er die
Selbstverbrennungen ermutigt hat", sagt Zhu.
Der Abt hatte zuvor diese Vorwürfe zurückgewiesen und sich zugleich
geweigert, die Selbstverbrennungen zu verurteilen: "In ihrer großen
Verzweiflung haben die Mönche keine andere Wahl, als ihre Opposition gegen
Chinas Herrschaft durch diese extreme Form des gewaltlosen Widerstands
auszudrücken", erklärte Rampoche.
Zhu verwies auf Tibets Wirtschaftswachstum ("19 Jahre in Folge
zweistellig") . Ohne das Alter des 76-Jährigen Dalai Lama zu erwähnen, sagt
er: "Die Zeit ist auf unserer Seite." Am klarsten hatte sich der im Exil
lebende Karmapa Lama gegen Selbstverbrennungen ausgesprochen. Er ist nach
dem Dalai und dem Panchen Lama der dritthöchste Geistliche der Tibeter: Er
forderte seine Landsleute auf, "ihr Leben zu bewahren und konstruktive
Methoden zu finden, sich für Tibet einzusetzen".
27 Dec 2011
## AUTOREN
J. Lietsch
S. Hansen
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