Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Demonstrationen in China: Selbstverbrennungen aus Protest
> Schon acht tibetische Mönche haben sich in diesem Jahr angezündet. Grund
> ist der wachsende Druck auf ihre Klöster durch chinesische Behörden.
Bild: Ein tibetischer Mönch demonstriert in Dharamsala für die Freiheit des K…
PEKING taz | Den eigenen Körper mit Benzin übergießen und anzünden - diese
Form des Protests war in Tibet bis vor Kurzem weitgehend unbekannt. Das hat
sich dramatisch geändert: Am Sonntag zündete sich auf offener Straße erneut
ein Tibeter an: der ehemalige Mönch Norbu Damdrul. Polizisten erstickten
das Feuer und nahmen den 19-Jährigen mit. Vorher soll er noch "Tibet
braucht Freiheit" gerufen haben, wie Tibet-Aktivisten im Ausland erklärten.
Norbu Damdrul war der achte Tibeter, der sich in diesem Jahr angezündet
hat. Es waren allesamt aktive oder frühere Mönche. Mindestens vier sollen
gestorben sein. Begonnen hatten die Selbstverbrennungen im März. Sie
konzentrieren sich auf die westchinesische Region Aba (Ngawa) in der
Provinz Sichuan, die an Tibet grenzt. Hier liegt eines der
einflussreichsten alten tibetischen Klöster, Kirti, das rund 2.000 Mönche
beherbergt. Als Reaktion auf die Proteste ruft die tibetische
Exilgemeinschaft im indischen Dharamsala, dem Sitz des Dalai Lama, für
diesen Mittwoch zum Gebet und Fasten für die Tibeter in China auf. Viele
Tibeter sehen die Entwicklung mit Sorge. Sie widerspricht dem Grundsatz der
Gewaltlosigkeit, auch wenn es um den eigenen Körper geht. Die Kommentare im
Internet schwanken zwischen Trauer und Mitgefühl und der Bitte, sich "nicht
wie eine Butterlampe zu opfern".
Das Kloster Kirti gehört zu jenen Zentren des tibetischen Buddhismus, die
seit 2008 besonders scharf von der Polizei kontrolliert werden. Im März
2008 hatten zunächst Mönche in der tibetischen Hauptstadt Lhasa friedlich
gegen die Einmischung der Polizei in ihrem Kloster demonstriert. Nach einem
Streit mit Polizisten schlug die Stimmung aber um: Tibeter griffen
Angehörige der Han-chinesischen Bevölkerungsgruppe und der muslimischen Hui
an. Ein tibetischer Mob zog brandschatzend durch die Straßen und ermordete
Passanten. Etwa 20 Menschen starben, meist Han-Chinesen.
Die Behörden reagierten mit Massenverhaftungen. Sie warfen dem Dalai Lama
vor, die Unruhen aus dem Exil heraus organisiert zu haben - was der
76-jährige Dalai Lama stets zurückwies. Inzwischen ist das Klima im Kloster
Kirti besonders angespannt, wie Tibet-Organisationen in London berichten:
Im Februar 2009 verbrannte sich dort erstmals ein Mönch, weil er sich nicht
damit abfinden wollte, dass die Behörden tibetischen Gläubigen verboten,
einen traditionellen Gebetsritus abzuhalten. Seither herrsche in Kirti eine
Spirale der Repression. Auf Proteste reagieren die Behörden stets mit neuen
Strafen und Verboten, was wiederum weiteren Widerstand hervorruft.
Ein Beispiel: Nachdem sich im Sommer dieses Jahres erneut ein Mönch von
Kirti verbrannte, erhielten zwei andere Gefängnisstrafen von 10 und 13
Jahren, weil sie ihm dabei geholfen hätten. Da Chinas Behörden es
ausländischen Journalisten nicht erlauben, sich unabhängig vor Ort ein Bild
zu machen, und die chinesische Presse ebenfalls nicht frei berichten kann,
dringen solche Informationen in der Regel nur über die Exilorganisationen
nach außen.
Wie Tibeter in Peking berichten, geben immer mehr Mönche das Klosterleben
auf, weil sie den Druck nicht mehr aushalten und für sich keine Zukunft
sehen. Gescheitert sind bislang die Versuche des Dalai Lama, mit Peking
ernsthaft ins Gespräch zu kommen, um ein besseres Zusammenleben von
Tibetern und Han-chinesischer Mehrheit zu ermöglichen. Statt dessen
überschütten Politiker und Medien den Dalai Lama weiterhin mit Hohn und
Spott - was in Tibet als große Kränkung erlebt wird. Und Peking kündigt
immer wieder neue Investitionen in Tibet an, in der Hoffnung, die
Spannungen durch wirtschaftliche Verbesserungen lösen zu können.
17 Oct 2011
## AUTOREN
Jutta Lietsch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Proteste in China: Erneut Schüsse auf Tibeter
Bis zu fünf Demonstranten werden bei Unruhen in der Provinz Sichuan von
Sicherheitskräften getötet. Exiltibeter fordern ein internationales
Eingreifen.
Selbstanzündungen in China: Protest oder Kalkül?
Der Exilabt der Tibeter macht Peking für die Selbstverbrennungen von
Mönchen und Nonnen verantwortlich. Doch Chinas Führung sieht darin nur
hinterhältige Proteste.
Selbstverbrennungen von Mönchen: Neue Tibet-Politik gefordert
Menschenrechtsorganisationen fordern von Peking ein Ende der Repression in
Tibet. Seit März haben sich neun Mönche und zwei Nonnen aus Protest selbst
angezündet.
Netzlenkung in China: Lasst tausend Zensoren blühen
Knapp 500 Millionen Chinesen sind online. Eine Mammutaufgabe für die
Zensoren. Besonders wenn die "Occupy"-Bewegung nach China drängt und
Blogger mit Worten spielen.
Fernsehen in China: Unterhaltung verboten
Die chinesische Aufsichtsbehörde fürs Fernsehen will Unterhaltungs- und
Realityshows streng begrenzen. Der schlechte Einfluss auf das Volk sei zu
groß.
Chinapolitik der EU: Es bleibt inkohärent und konzeptlos
Der jährliche EU-China-Gipfel ist abgesagt. Die Eurorettung ist wichtiger.
Aus Berlin heißt es, es gebe keinen stärkeren Koordinationsbedarf gegenüber
Peking.
Erneute Protest-Selbstanzündung: Tibetanische Nonne stirbt in Sichuan
Aus Protest gegen die chinesisches Herrschaft über die Tibeter hat sich
eine buddhistische Nonne angezündet. Zudem schossen chinesische
Sicherheitskräfte auf tibetische Protestierende.
60. Jahrestag der "Befreiung" Tibets: Eitel Harmonie auf dem Dach der Welt
Das offizielle China feiert diese Woche den 60. Jahrestag der "friedlichen
Befreiung" Tibets. Und wehe, ein Tibeter hat dazu eine andere Meinung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.